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Der Geruch des Immunsystems

Medizin. - Rund sechs Jahre sind inzwischen vergangen seit Berner Verhaltensforscher Studentinnen die T-Shirts ihrer Kommilitonen beschnuppern ließen: Die Wissenschaftler wollten herauszufinden, ob auch der Mensch über die bei Mäusen nachgewiesene Fähigkeit verfügt, am Geruch Zustand und Qualität des Immunsystems eines potenziellen Sexualpartners zu erkennen. Der Versuch zeigte tatsächlich: Gute Partner riechen auch gut. Tübinger Forschern genügte die Statistik allein nicht und machten sich daran, objektive Meßmethoden für das Gütesiegel Duftmarke zu entwickeln.

    So manche kurzentschlossene Romanze bricht auch oft genauso schnell wieder entzwei. Ein Grund dafür kann ein rein physiologisches Phänomen sein: Beide Beteiligten können sich buchstäblich nicht riechen, denn die Nase spricht bei der Partnerwahl ein gehöriges Wörtchen mit. Die Ursache dafür liegt in so genannten MHC-Molekülen (Major Histocompatibility Complex), mit Hilfe derer körpereigene Zellen von körperfremden unterschieden werden und die letztlich Abstoßungen nach Transplantationen auslösen. "Untersuchungen an Mäusen, die sich genetisch nur in ihren MHC-Molekülen unterschieden, zeigten eindruckvoll, dass fremde MHCs sich gegenseitig anziehen", berichtet Hans Georg Rammensee, Immunologe an der Universität Tübingen.

    Insgesamt zwölf verschiedene dieser Markierungsgene besitzt jeder Mensch, jeweils sechs von jedem Elternteil. Jede Sorte von MHC-Molekül führt den Immunwächtern des Körpers einen bestimmten Schädling auf charakteristische Art und Weise vor. Diese Vielfalt ist Garant dafür, dass sich das Immunsystem ein detailliertes Bild etwa von Viren machen und effizient auf sie reagieren kann. Um also möglichst widerstandskräftige Kinder in die Welt zu setzen, empfiehlt sich also ein Partner mit abweichenden MHC-Anlagen. Dies ist es offenbar, was Mäuse und sehr wahrscheinlich auch Menschen riechen können. Als ein Kollege Rammensees aus der Physik von einer sehr empfindlichen, elektronischen Nase berichtete, erinnerte sich der Mediziner gleich an die Geruchsexperimente und kam auf die Idee, das Gerät auf die Abwehrmoleküle abzurichten.

    16 Metalloxide und Quarze analysieren in dem sensiblen Instrument selbst feinste Gerüche und reagieren darauf mit Änderung der Frequenz oder Leitfähigkeit der Sensoren. Den MHC-Duft von Menschen und Mäusen vermuten die Forscher vor allem in Blut und Urin, denn dort tauchen die Moleküle am häufigsten auf. Allerdings sind die Verbindungen selbst zu schwer und zuwenig flüchtig, um in die Nasen von Maus und Maschine zu steigen. Trotzdem konnte sicher nachgewiesen werden, dass die Duftnote zumindest des Mäusebluts von den MHC-Molekülen abhing. Beim Menschen möchte sich Hans Georg Rammensee dagegen nicht so sehr festlegen, denn noch erschnüffelte die elektronische Nase zu wenige Menschen. Erst größere Versuchsreihen könnten dazu mehr Klarheit bringen.

    [Quelle: Grit Kienzlen]