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Der Geruch des Todes

Kriminalistik.- Anders als es häufig in Krimiserien vermittelt wird, tappen Rechtsmediziner auf der Suche nach Tathinweisen oft im Dunkeln. Sehr wenig ist darüber bekannt, was im Körper geschieht, wenn eine Leiche lange im Freien liegt. Amerikanische Chemiker haben nun ihre Forschung zum Duft des Todes vorgestellt.

Von Arndt Reuning |
    Sie hat Fotos mitgebracht. Auf vier Bildern demonstriert die Studentin Sarah Jones, wie sich ein Schweinekadaver langsam zersetzt. Zunächst liegt das tote Tier im Gras, so als würde es einfach nur schlafen. Auf dem nächsten Foto hat sich der rosa Körper leicht dunkel verfärbt und ist schon deutlich aufgequollen. Dann geht die Haut allmählich in einen Braunton über, und auf dem letzten Bild ragen die Knochen aus einer formlosen Masse. Jedes Stadium zeichnet sich durch einen charakteristischen Geruch aus, durch eine typische Mischung bestimmter Gase, die der Kadaver ausdünstet, sagt die Chemikerin von der Pennsylvania State University.

    "Wir erkennen einen festen Zusammenhang zwischen den verschiedenen Stadien der Verwesung und den chemischen Stoffen dabei. Zum Beispiel Indol, eine der Hauptkomponenten, die wir untersuchen. Die taucht am dritten Tage auf, zum selben Zeitpunkt, zu dem auch die Maden aktiv werden. Das sind noch alles vorläufige Ergebnisse, aber wir entwickeln gerade diese Korrelation zwischen Verwesungsstadium und chemischem Profil."

    Leicht flüchtige Karbonsäuren, bestimmte Alkoholverbindungen und Kohlenwasserstoffe. All diese Komponenten hat Sarah Jones mithilfe von Plastikfasern aus der Luft über dem Kadaver heraus geangelt und dann im Labor mit einer Molekülwaage nachgewiesen. Bei toten Schweinen spielen sich im Körper fast dieselben Vorgänge ab wie bei verstorbenen Menschen. Und daher glaubt die Forscherin, ihre Ergebnisse zum Beispiel auch auf Mordopfer übertragen zu können. Besonders in den ersten Tagen nach der Tat.

    "Wir wollen ein chemisches Profil entwickeln, das uns dabei hilft den Todeszeitpunkt zu bestimmen. Im Moment macht man das noch mithilfe von Maden. Der tote Körper zieht die Maden, und wenn sie sich satt gefressen haben, dann wandern sie wieder ab. Forensische Wissenschaftler können nun messen, wie weit sich die Maden von der Leiche entfernt haben und mit einer Gleichung den ungefähren Todeszeitpunkt ermitteln. Wir wollen eine etwas verlässlichere Methode finden, die genauere Werte liefert."

    Keine einfache Aufgabe, da unterschiedliche Witterungsverhältnisse den Verfallsprozess verlangsamen oder beschleunigen können. Es werden daher wohl noch einige Versuche und weitere Schweinekadaver nötig sein, bis die Wissenschaftler von der Penn State University an ihrem Ziel angelangt sind: Bis sie ein mobiles, handliches Gerät entwickelt haben, das von jedem Ermittler vor Ort benutzt werden kann, um Todeszeitpunkte zu bestimmen. Solch ein Apparat könnte auch nützlich sein, um Opfer eines Unglücks aufzuspüren, sagt Dr. Dan Sykes, der das Projekt koordiniert.

    "Wir denken an die Bergung von Todesopfern bei einem großen Unfall oder bei einer Naturkatastrophe. Wenn man nach einem Kind sucht, das entführt worden ist und vermutlich nicht mehr lebt. Nach allen bedauernswerten Menschen, die Opfer eines Verbrechens geworden sind und deren toter Körper irgendwo im Freien zurück gelassen worden ist."

    Ein mobiles Leichensuchgerät könnte Hundestaffeln bei ihrer Arbeit zumindest unterstützen.

    "Spürhunde sind einfach der Goldstandard. Sie sind äußerst effektiv und gut ausgebildet. Aber genau da liegt auch ihr Problem: Es dauert sehr lange, bis sie erst einmal so weit sind. Es kostet Zeit und Geld. Wahrscheinlich werden sie niemals ersetzt werden, einfach weil sie so effizient arbeiten. Aber wenn wir eine kostengünstigere Technologie entwickeln können, die genauso gute oder ähnliche Ergebnisse liefert, dann wollen wir uns in diese Richtung bewegen."

    An einer Sensor-Technologie, die kompakt genug ist, um sie in ein mobiles Gerät zu integrieren, arbeitet das Team um Dan Sykes ebenfalls schon.