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Der Gipfel am Rande des Abgrunds

Der Erfolgsdruck für die Teilnehmer des Londoner G20-Gipfels ist enorm: Seit dem Treffen im November hat sich die Finanz- und Wirtschaftskrise noch einmal drastisch verschärft. Die Welt ist in die schwerste Rezession der Nachkriegszeit getaumelt. Entsprechend ist die Gipfelagenda gewachsen: Stabilisierung der Finanzmärkte, Reformen des Finanz- und Wirtschaftssystems und Maßnahmen für nachhaltiges Wachstum sollen beraten werden.

Von Jörg Münchenberg | 01.04.2009
    "Wir können nicht länger zulassen, dass Risiko über die Welt verteilt wird, ohne Verantwortung zu übernehmen. Das gesamte System der Schattenbanken muss künftig unter ein Überwachungsnetz."

    Die Erwartungen von Gordon Brown an den zweiten Finanzgipfel der G20 morgen in London sind gewaltig. In einem schmucklosen Messegebäude im östlichen Stadtviertel Docklands an der Themse soll Geschichte geschrieben werden, so zumindest die stille Hoffnung des englischen Premierministers.

    Der Erfolgsdruck ist enorm - seit dem ersten Treffen im November hat sich die Finanz- und Wirtschaftskrise noch einmal drastisch verschärft. Die Welt ist in die schwerste Rezession der Nachkriegszeit getaumelt. Ben Bernanke, US-Notenbankchef in einer Kongress-Anhörung Ende Februar dieses Jahres zur Lage der amerikanischen Wirtschaft:

    "Die Beschäftigungsrate ist seit dem Herbst steil gefallen. Die Arbeitslosenquote ist auf 7,6 Prozent gestiegen. Der sich verschlechternde Jobmarkt, erhebliche Verluste bei Eigenkapital und Immobilien sowie harte Kreditkonditionen haben das Konsumverhalten gedrückt. Zusätzlich haben Unternehmen ihre Ausgaben gebremst - als Reaktion auf die schlechten Absatzaussichten und auf die Schwierigkeiten, an Kredite zu kommen."

    Denn die Bankenkrise wütet ungebrochen. Noch immer ist es trotz milliardenschwerer Stützungsmaßnahmen für die Banken nicht gelungen, das Vertrauen zwischen den Kreditinstituten wieder herzustellen. Doch solange dies nicht der Fall ist, warnte jüngst Olivier Blanchard, Chefvolkswirt des Internationalen Währungsfonds IWF, bleibe die Lage weiter kritisch:

    "Lassen sie mich klarstellen: Wir müssen das internationale Finanzsystem wieder herstellen. Das ist die Voraussetzung für eine Erholung der Volkswirtschaften. Natürlich helfen auch die steuerpolitischen Maßnahmen, aber sie machen die Volkswirtschaften nicht wieder gesund. Deshalb gilt: der Finanzsektor, der ist entscheidend."

    Insgesamt hat die britische Präsidentschaft drei Schwerpunkte auf die Gipfelagenda gehoben: kurzfristig die Stabilisierung der Finanzmärkte, längerfristig die Reformen des Finanz- und Wirtschaftssystems und schließlich sollen auch Maßnahmen beraten werden, die die Weltwirtschaft wieder auf einen Pfad für nachhaltiges Wachstum bringen, wie es heißt.

    Eine deutlich erweiterte Agenda im Vergleich zum ursprünglichen Arbeitsauftrag von Washington, über die es deshalb im Vorfeld des morgigen Treffens einigen Streit gegeben hatte zwischen Europa und den USA. Bundeskanzlerin Angela Merkel:

    "Es geht darum, den Aktionsplan von Washington umzusetzen. Das heißt: Regulierung, Transparenz auf den Finanzmärkten einzuführen; multilaterale Organisationen zu stärken und damit alles daran zu setzen, dass sich eine solche Krise nicht wiederholt."

    So hatten sich die G20-Länder, die neben den Industriestaaten auch die wichtigsten Schwellenländer wie Brasilien, Russland, Indien, China, Saudi-Arabien und Südafrika umfassen, in Washington auf einen 50-Punkte umfassenden Maßnahmenkatalog geeinigt. Kernaussage: alle Finanzmärkte, Finanzprodukte und Akteure - einschließlich Hedgefonds und Ratingagenturen sollen künftig reguliert werden.

    Freilich: Bei US-Präsident Barack Obama klingen die Erwartungen an das neuerliche Gipfeltreffen deutlich weiter gefasst:

    "Das Ziel des G20-Treffens sollte mehrere Punkte umfassen: Erstens: Alle Länder müssen alles dafür tun, damit neue Arbeitsplätze entstehen, damit die Wirtschaft wieder zum Laufen kommt. Alle Schritte, die zu Protektionismus führen und damit den Welthandel belasten, müssen vermieden werden. Und natürlich wird es auch darum gehen, wie wir den Regulierungsprozess weiter voranbringen."

    Allein die Reihenfolge der Maßnahmen zeigt: Bei der Bekämpfung der Finanz- und Wirtschaftskrise setzen die USA zunächst auf gigantische Konjunkturprogramme, sozusagen Keynes pur. Eine der wichtigsten Aussagen des britischen Ökonomen, der in diesen Tagen eine bemerkenswerte Renaissance feiert: In Krisenzeiten muss der Staat durch eine aggressive Ausgabenpolitik gegensteuern.

    Hier aber habe Europa im Vergleich zu den USA noch einiges nachzuholen, war wiederholt aus Washington zu hören. Noch schärfer fällt die Kritik des renommierten US-Ökonomen Paul Krugman aus, der dabei auf die lange Stagnationsphase in Japan in den 90er Jahren verweist:

    "Viele Leute reden über die Japaner. Sie hätten damals zu spät und unentschlossen auf die bestehenden Probleme reagiert: Wir machen derzeit genau das Gleiche. Die USA stehen zwar etwas besser da als die Europäer, aber das reicht alles nicht. Die Konjunkturprogramme in den USA umfassen für die nächsten drei Jahre gut 800 Milliarden Dollar - es sollten 1,4 Billionen sein. Und die Europäer sollten das Gleiche machen."

    Ein Streitpunkt, der das Gipfelklima durchaus belasten könnte. Denn in Europa hält man nichts von zusätzlichen Ausgabenprogrammen, zumal die EU-Staaten bereits mit rund 400 Milliarden Euro in Vorleistung getreten sind. Insofern wird die EU, in London vertreten durch Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien und den amtierenden EU-Ratsvorsitzenden, dem abgewählten tschechischen Ministerpräsidenten Mirek Topolanek, mit einer klaren Position auftreten. Bundeskanzlerin Merkel:

    "Wenn wir die Wirksamkeit von solchen Maßnahme-Paketen erhöhen wollen, dann müssen wir sie sozusagen erst einmal implementieren. Und nicht bereits über das nächste sprechen, wenn das erste noch nicht einmal begonnen wurde."

    Die Europäer haben sehr konkrete Forderungen für eine Neuregelung der internationalen Finanzarchitektur im Gepäck - angefangen von einer stärkeren Kontrolle der Hedgefonds und Ratingagenturen bis hin zu der Zielsetzung, dass die Banken künftig mehr Eigenkapital vorhalten und keine Schattenbilanzen mehr führen dürfen. Ehrgeizige wie berechtigte Forderungen, meint dazu Hans-Peter Burghof, Bankexperte an der Universität Hohenheim:

    "Das ist natürlich ein hoher Anspruch, aber andererseits hatten wir schon immer das Prinzip, dass jede Institution, die die Stabilität der Finanz- und Bankenmärkte gefährden könnte, reguliert werden sollte. Und jetzt geht man nur konsequent daran, genau dies zu tun. Das ist natürlich auch wichtig, weil Institutionen, die es schaffen, irgendwie an der Regulierung vorbeizukommen, effizienter wirken als sie tatsächlich sind."

    Tatsächlich wird der Finanzgipfel, der seit Monaten von mehreren internationalen Arbeitsgruppen intensiv vorbereitet worden ist, nur generelle Leitlinien formulieren können. Die konkrete Umsetzung liegt in der Hand der einzelnen Staaten. Doch nicht einmal die EU konnte sich bislang zu einer länderübergreifenden Finanzaufsicht durchringen, obwohl viele Banken längst international operieren.

    Allenfalls eine engere Verzahnung der nationalen Aufsichtsbehörden sei im Gespräch, erklärte jüngst Jacques de Larosière, ehemaliger Chef der französischen Notenbank und heute Vorsitzender der gleichnamigen EU-Arbeitsgruppe für eine Reform der Finanzmärkte:

    "Wir brauchen in Europa Regeln für eine Finanzmarktkontrolle, die auch zusammenpassen. Im Moment sind sie zu zahlreich, zu unterschiedlich und es gibt in den Mitgliedsländern zu viele Ausnahmen."

    Eine eher vage Zielsetzung, die die Position der EU auf dem anstehenden Finanzgipfel nicht unbedingt stärken wird. Freilich, inzwischen ist der Druck so groß, dass selbst die USA und Großbritannien umfassende Reformen sowohl bei der Regulierung der Finanzmärkte als auch bei den Aufsichtsbehörden angekündigt haben. Dieser Schritt kommt durchaus überraschend, denn London und New York sind die zentralen Stützpunkte der mächtigen Finanzindustrie. Allein in Großbritannien waren Banken, Finanzmakler und Hedgefonds zuletzt für ein Viertel des gesamten Aufkommens bei der Unternehmenssteuer verantwortlich.

    Doch der Chef der britischen Bankenaufsicht, Lord Turner, ließ jüngst wissen, er setzte nicht mehr auf die Effizienz und damit die Selbstreinigungskräfte der Märkte. Und auch in den USA zeigen sich die Verantwortlichen inzwischen entschlossener, die Finanzmärkte enger an die Leine zu nehmen:

    "Es geht hier nicht um ein paar Korrekturen am Rande, sondern um neue Spielregeln. Diese Regeln müssen einfach und effektiv sein. Sie müssen ein stabiles System garantieren. Ein System, das Verbraucher und Anleger schützt und Innovationen fördert. Und die Institutionen und Märkte müssen künftig stark genug sein und externe Schocks aushalten, etwa, wenn große Institutionen Probleme haben."

    kündigte in der vergangenen Woche US-Finanzminister Timothy Geithner an. Konkret sollen erstmals risikoreiche Finanzinstrumente einer Regulierung unterworfen werden. Hedgefonds und Finanzinvestoren sollen zugleich der zentralen US-Börsenaufsicht SEC unterstellt werden, die die amerikanische Administration ebenfalls stärken will.

    Die USA haben also ein deutliches Zeichen gesetzt - gerade in Richtung Europa, freute sich jüngst Premierminister Brown, der ähnliche Maßnahmen für den Finanzplatz London anstrebt:

    "Nun passieren Dinge, die vor ein paar Monaten noch niemand für möglich gehalten hat. Und mein Job ist es, dafür einen Konsens herzustellen. Nicht nur zwischen Europa und den USA, sondern auch in der Welt insgesamt. Denn alle sind in der gleichen Situation. China, Indien, Brasilien, Argentinien - alle kommen hier zusammen, um globale Antworten auf die globalen Probleme zu finden."

    Doch nicht nur bei der Regulierung der Finanzmärkte gibt es Bewegung. Auch der Kampf gegen Steuerflucht und Steueroasen zeigt inzwischen überraschende Erfolge, nachdem sich der internationale Druck zuletzt deutlich verstärkt hat. Gibt es doch eine enge Wechselwirkung zwischen den Turbulenzen auf den Finanzmärkten und den Steuerparadiesen.

    Denn es war nicht zuletzt deren Verschwiegenheit, die den Banken geholfen hat, ihre waghalsigen Geschäfte vor den staatlichen Kontrollen zu verbergen. Doch die Androhung, nicht kooperative Länder auf eine "Schwarze Liste" der Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung - kurz OECD - zu setzen, hat Wirkung gezeigt, lobte jüngst die Kanzlerin:

    "Wir haben ja schon in Washington gesagt, dass jedes Produkt, jeder Akteur und jeder Platz auf der Welt transparent sein muss. Und ich sehe mit großem Interesse, dass sich auch etwas bewegt im Vorfeld des Londoner Gipfels. Und je klarer wir sagen, dass die, die nicht kooperieren, in einer Liste zusammengefasst werden, umso mehr werden sich auch um Kooperation bemühen. Ich bin da sehr optimistisch, aber wir müssen das auch mit aller Entschiedenheit einfordern und durchsetzen."

    Dafür hat Deutschland erhebliche diplomatische Verstimmungen mit der Schweiz in Kauf genommen. Die konnten zwar bis heute nicht ausgeräumt werden. Am Ende aber waren die Eidgenossen zu Zugeständnissen beim Informationsaustausch von Steuerdaten bereit, auch wenn der Schweizer Finanzminister Hans Rudolf Merz dies ausdrücklich nur als behutsame Lockerung des Steuergeheimnisses verstanden wissen wollte:

    "Ich glaube, auf die Dauer wäre die Schweiz schlecht beraten, wenn sie gegen den ganzen internationalen Druck, entgegen der ganzen internationalen Bewegung, wenn sie versuchen würde, auf Teufel komm raus dieses Bankgeheimnis in absoluter initialer Größe beizubehalten."

    Auch andere Länder sind mittlerweile eingeknickt: Luxemburg, Österreich, Monaco - viele wollen plötzlich bei der Bekämpfung von Steuerhinterziehung zusammenarbeiten. Freilich sind hier schnelle Ergebnisse kaum zu erwarten - entsprechende Abkommen müssen oft mühsam über Jahre hinweg ausgehandelt werden. So bleibt abzuwarten, ob die G20 hier den Druck weiter verstärken werden - etwa durch eine Veröffentlichung der angedrohten "Schwarzen Liste."

    Doch gerade die Fortschritte bei den Steueroasen zeigen, dass die Weltfinanzgipfel durchaus greifbare und sichtbare Ergebnisse bringen können. Dies gilt auch für die internationalen Organisationen. Mitte des vergangenen Jahres mangels Aufgaben fast schon totgesagt, erleben Weltbank wie der Internationale Währungsfonds eine erstaunliche Renaissance.

    Der Hintergrund: Die Rohstoffpreise sind inzwischen drastisch gesunken. Was wieder vielen Entwicklungs- und Schwellenländern dramatische Einnahmeverluste beschert hat. Zugleich wird der Welthandel nach Schätzungen der Welthandelsorganisation WTO 2009 den stärksten Einbruch seit 80 Jahren erleben; Kredite haben sich extrem verteuert oder werden überhaupt nicht mehr vergeben.

    Die Folge: Vor allem die Entwicklungsländer leiden massiv unter der gegenwärtigen Krise - hier könne und müsse ein gestärkter IWF helfen, bekräftigte der britische Premierminister bei seinem erstmaligen Auftritt vor dem EU-Parlament in der vergangenen Woche:

    "Wir brauchen einen neuen, reformierten Internationalen Währungsfonds, in dem künftig auch die Schwellenländer ein größeres Gewicht haben. Einen Fonds, der mindestens 500 Milliarden Dollar Kapitalreserven braucht, doppelt soviel wie bislang. Denn dieser Fonds muss die Möglichkeit haben, den armen Ländern zu helfen, die derzeit eine massive Kapitalflucht erleiden. Er muss ihnen bei der Stärkung ihrer Bankensysteme helfen und die Kreditvergabe mit den Unternehmen wiederbeleben. Ich möchte einen Internationalen Währungsfonds, der nicht nur auf Krisen reagiert, sondern sie auch verhindert."

    Fest steht: Der IWF wird eine Aufstockung seiner Mittel erhalten - allein die EU hat zusätzlich 75 Milliarden Dollar zugesagt. Ob es am Ende tatsächlich für eine Verdopplung reichen wird, bleibt abzuwarten. Offen ist aber auch, welche Rolle der IWF künftig bei der Überwachung der Finanzmärkte spielen wird. Hier gibt es durchaus unterschiedliche Positionen.

    "Eine ist, dass man sagt, der Welt-Währungsfonds muss entsprechend eine Bankenaufsicht werden. Das ist mir nicht ganz einsichtig, weil der IWF eigentlich auch andere Aufgaben hat. Wenn überhaupt, dann hat sich in Basel die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich bzw. der dort angesiedelte Ausschuss für Bankenaufsicht mit diesen Fragen beschäftigt. Das heißt die Kompetenz läge eigentlich woanders. Aus politischen Gründen ist man aber wohl eher dafür, dass das Ganze nach Washington geht", "

    meint Bankexperte Burghof von der Universität Hohenheim. Eine neue Aufgabe des IWF könnte auch die Entwicklung und Verwaltung einer neuen Risikolandkarte sein - eine Idee, die nicht zuletzt von Deutschland vehement befürwortet wird. Der ehemalige Chefvolkswirt der Europäischen Zentralbank, Otmar Issing, hat dazu im Auftrag der Bundesregierung entsprechende Vorschläge ausgearbeitet:

    " "Die Krise hat ja vieles gelehrt, unter anderem, dass rechtzeitiges und wirksames Handeln verlässliche Informationen voraussetzt. Und in diesem Sinne schlagen wir vor, eine Risikolandkarte zu entwickeln, dass wie auf einem Globus sozusagen rechtzeitig die Warnblicken aufleuchten. Wenn es regionale oder institutionelle Probleme gibt, auf die man rechtzeitig reagieren muss."

    Es bleibt jedoch abzuwarten, ob diese Idee eine Mehrheit findet wird. Allerdings, auch die Schwellenländer, allen voran China, haben sich für eine deutliche Aufwertung des IWF ausgesprochen. Ohnehin pocht das Reich der Mitte inzwischen selbstbewusst auf mehr Mitspracherechte in den internationalen Organisationen - die verbale Attacke in der zurückliegenden Woche, die bisherige Leitwährung Dollar durch eine künstliche Superwährung zu ersetzen, hat diesen Anspruch untermauert.

    Letztlich geht es China wie anderen großen Schwellenländern um eine größere Einflussnahme auf die Entscheidungen von IWF und Weltbank, die bislang von den USA und Europa dominiert werden. Auch dieses Thema dürfte deshalb auf dem morgigen Gipfel eine zentrale Rolle spielen - und die Bereitschaft zu einer breiteren Verteilung der Stimmrechte beim IWF ist durchaus vorhanden. Denn längst ist auch den Industriestaaten klar: Angesichts der enormen Herausforderungen, aber auch der wachsenden wirtschaftlichen Bedeutung der Schwellenländer hat das Konzept der G7 als globales Entscheidungszentrum ausgedient.

    "Es ist zum ersten Mal, dass Schwellenländer und entwickelte Länder zusammentreffen und auch wirklich Nägel mit Köpfen machen."

    erklärte die Kanzlerin schon auf dem ersten G20-Krisentreffen in Washington. Und so steht die Weltgemeinschaft derzeit vor zwei zentralen Herausforderungen: Einerseits muss sie eine neue Machtbalance in den internationalen Organisationen finden - ein Prozess, der nicht ohne Spannungen ablaufen wird. Denn wo die Schwellenländer mehr gewinnen, werden andere an Einfluss verlieren, nicht zuletzt die USA.

    Auf der anderen Seite geht es morgen darum, sich auf einen halbwegs abgestimmten Ansatz zur Bekämpfung der Finanz- und Wirtschaftskrise zu einigen. Insgesamt aber, so die Warnung des Bankexperten Burghof, sollte man die Möglichkeiten des Gipfels weder über- noch unterschätzen:

    "Man kann hier nur Vereinbarungen treffen auf internationaler Ebene. Die Gesetze machen die Nationen. Das bedeutet aber nicht, dass diese internationalen Vereinbarungen unverbindlich wären. Denn man kann natürlich den Ländern immer klar machen: Wenn ihr euch nicht an die Regeln haltet, dann nehmt ihr am internationalen Kapitalverkehr eben nicht mehr teil. Dann können unsere Banken euren Banken einfach kein Geld leihen. Das geht bei allen Ländern, das geht nur bei den USA nicht."

    Allerdings hat auch Präsident Obama einen radikalen Kurswechsel zumindest in Aussicht gestellt. Insgesamt aber wird in London morgen kein neues "Bretton Woods", kein "New Deal" geboren. Dazu ist die Verhandlungszeit zu kurz - für die Arbeitssitzungen der Staats- und Regierungschefs sind gerade einmal dreieinhalb Stunden veranschlagt. Zudem sind die Positionen und Interessen der G20 zu unterschiedlich.

    Es ist eher ein langfristiger Prozess, der in Washington begonnen wurde und der in London nun fortgesetzt wird. Wie nachhaltig dieser Prozess am Ende ist, hängt nicht zuletzt vom weiteren Konjunkturverlauf und der notwendigen Stabilisierung der Banken ab. Aber klar ist auch: Die Welt wird nach der Krise eine andere sein.