Archiv


Der gläserne EU-Bürger

Eine neue EU-Richtlinie gestattet den Mitgliedsstaaten eine umfassendere Speicherung von Daten ihrer Bürger. Informationen über Telfonverbindungen, SMS oder E-Mails dürfen bis zu zwei Jahre gespeichert werden. Kritiker sehen darin nicht nur eine Aushöhlung des Datenschutzes, sondern fürchten darüber hinaus, dass die Bürger als Kunden die Kosten tragen müssen.

Von Petra Tabeling |
    Der EU-Ratsvorsitzende und britische Innenminister Charles Clarke konnte zufrieden sein. Gerade die britische Ratspräsidentschaft hatte nach den Londoner Anschlägen großen Wert auf eine Einigung bei der Speicherung von Daten im Kampf gegen den internationalen Terrorismus gelegt. Die nun beschlossene Richtlinie beinhaltet, dass jedes europäische Land umfassende Dateninformationen ihrer Bürger speichern darf. Das bedeutet, dass die Verbindungsdaten von Telefongesprächen, auch die von nicht zustande gekommen Verbindungen, für bis zu zwei Jahren gespeichert werden können. Auch E-Mail, SMS sowie Surfen im Internet werden für Ermittler nun transparent. Nicht gespeichert werden sollen deren Inhalte.

    Linkssozialisten und Grüne lehnten das Gesetz zur Datenspeicherung komplett ab. Und überraschenderweise zog selbst der Berichterstatter, der deutsche FDP-Abgeordnete Alexander Alvaro, enttäuscht über die Abstimmung, seinen Namen von dem Bericht zurück:

    Alvaro: "Ich bin nicht zufrieden mit der Speicherfrist, die festgelegt worden ist, sechs bis 24 Monate. Der jetzige Vorschlag beinhaltet im Übrigen auch, dass einzelne Mitgliedsstaaten individuell über diese Speicherfrist hinausgehen können. Polen versucht zurzeit 15 Jahre festzulegen. Ich habe große Bedenken, dass grundsätzlich nur schwere Straftaten geregelt sind und es keinen festen Katalog gibt, sondern dass das nach nationalem Recht vorgenommen wird. So dass eine Straftat in einem Mitgliedstaat nicht zwingend in einem anderen Mitgliedsstaat eine Straftat sein muss."

    Alexander Alvaro hatte einen deutlich abgeschwächteren Kompromissvorschlag ausgearbeitet und sich für eine Speicherdauer von Daten zwischen sechs und zwölf Monaten eingesetzt. Außerdem sollten diese nur bei Ermittlungen gegen terroristische Delikte und gegen organisierte Kriminalität genutzt werden.

    Die Kosten zur Überwachung dieser Daten sollten ausschließlich von den Staaten selbst übernommen werden. Ein wichtiges Kriterium, das auch deutsche Verbraucherschutzverbände und Telekommunikationsdienstleister eingefordert hatten. Doch das wurde nun ebenso in der Abstimmung am Mittwoch gekippt. Nun bleibt es jeder Regierung selbst überlassen, wie sie die Kosten finanzieren wolle. Und die werden zukünftig wohl die Verbraucher tragen müssen, sagte Alvaro im Interview mit dieser Sendung:

    Alvaro: "Ich halte es für falsch, dass keine Kostenerstattungsregelung drin ist, weil es natürlich auch eine staatliche Aufgabe ist, dann diese Terrorismusfinanzierung durchzuführen. Wir haben gerade im Bereich der Telekommunikationsindustrie eine relativ heterogene Branche, es ist also schwer abzuschätzen, wie die Belastungen bei den einzelnen Unternehmen sein werden. Aber dass die Kosten weitergegeben werden ist, denke ich mal, relativ wahrscheinlich."

    Zahlreiche Verbände und Politiker hatten schon im Vorfeld gegen die flächendeckende Überwachung der Kommunikationsdaten von 450 Millionen EU-Bürgern protestiert. Datenschützer warnen vor einer Aushöhlung von Datenschutz und Grundrechten. Da mutete es schon sonderbar an, dass ausgerechnet im Anschluss der Abstimmung über die EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung die Menschenrechtsorganisation "Reporter ohne Grenzen" den begehrten Sacharow-Preis für geistige Freiheit des europäischen Parlaments verliehen bekam. Ausgezeichnet für ihr weltweites Engagement für Pressefreiheit. Der Generalsekretär der Organisation, Robert Menard, befürchtet, dass die neue Richtlinie Auswirkungen auf die Arbeit von Journalisten haben wird, erklärte der Preisträger gegenüber "Markt und Medien" bereits im Vorfeld:

    Robert Menard: "Ich glaube, dass es ein großes Problem ist. Natürlich verstehe ich, dass es wichtig ist, die polizeilichen Ermittler in ihrer Arbeit im Kampf gegen den Terrorismus zu unterstützen und dass dies nicht geht, ohne auch unsere eigene Freiheit dabei etwas einzuschränken. Aber gleichzeitig kann der Beschluss, so wie er jetzt steht, die Arbeit von Journalisten beeinträchtigen."

    Zwar beinhaltet die neue Richtlinie auch eine Klausel über geschützte Berufe wie Rechtsanwälte oder Journalisten, doch sei dies viel zu vage definiert, kritisiert auch der liberale Abgeordnete Alexander Alvaro:

    Alvaro: "Die Frage ist nur wie weit ist das ausgestaltet? Per se würde ich erst einmal grundsätzlich Bedenken dahin gehend äußern, dass der Quellenschutz in der Form nicht mehr gegeben ist. Wir sehen ja, dass der Staat in letzter Zeit gerade sehr oft Interesse daran hatte, woher Journalisten ihre Quellen haben. Und ich glaube dieses Instrument würde es einfacher machen, das herauszufinden. "