Heute sind es natürlich Digitalkameras, die durch die Trakte der Vertilgung und Verdauung reisen und die Aufklärung bis in die Darmzoten treiben.
Damals, bei der Eröffnung der ersten Dauerausstellung 1930, war es der berühmte "Gläserne Mensch" von Präparator Franz Tschackert, der das Innerste des Fleisches sichtbar machte. In der neuen Ausstellung zeigt der Gläserne noch einmal seine Organe, der erste Raum wurde sogar nach ihm benannt – aber mit Nostalgie hat das nichts zu tun.
Wo immer es ging, hat Kurator Bodo-Michael Baumunk auf die fast 35 000 Objekte zurückgegriffen, die mittlerweile die Arsenale des Museums füllen, und gibt eine wahrhaft bunte Mischung zur Erkundung frei: Von einem Röntgen-Ungetüm, das in Thomas Manns Zauberberg-Sanatorium gestanden haben könnte, über wissenschaftshistorisch wertvolle Syphilis-Moulagen und eine "Goldbroiler"-Lichtreklame in der Abteilung "Essen und Trinken" bis hin zur Handbibliothek, 31 Medienstationen und 25 Selbstversuchs-Einrichtungen, an denen man etwa die Standschwierigkeiten eines greisen Körpers durch Anlegen von Spezialschuhen kennenlernt, öffnet sich eine biologisch-anthropologische Wunderkammer. Bodo-Michael Baumunk:
Die Gesamtheit dieser Ausstellung soll eine Art Bild des Körpers geben, des biologisch-medizinischen Körpers, das ist quasi das Skelett des Ganzen. Darauf habe ich von Anfang an eigentlich immer Wert gelegt, dass dies kein Museum der Zivilisationen und kein Museum des Menschen ganz im Allgemeinen ist, sondern dass es ein naturwissenschaftliches Museum ist. Das heißt, es erklärt den Körper erst mal biologisch.
Vier Themen-Abteilungen – "Gläsernen Mensch", "Leben und Sterben", "Essen und Trinken", "Sexualität" – sind bereits fertig, drei werden noch hinzukommen. Der Gestus des Ausgestellten und der Grundton der Informationen ist liberal, man könnte sagen, er ist realistisch und lebensfroh – und Vorschriften werden nicht gemacht. In der verklemmungs-freien Sektion zur Sexualität wir die Aufklärungsarbeit von gelinder Ironie durchzogen.
Zwanglos zu informieren, darauf kam es dem Kurator und der Museumsleitung an. Denn die dunklen Seiten der Geschichte des Hauses, die im Eingangsraum reflektiert werden, handeln von der rassehygienischen Indoktrination während des Nationalsozialismus und der immer noch schulmeisterlichen Tendenz der DDR-Ausstellung, in der Zwerg Kundi zum Kampf gegen Dreckfinger, Tropfnase und Faulzahn aufrief und dafür den "Sauberkeitsorden" des Hauses erhielt. Museums-Direktor Klaus Vogel.
Der erhobene Zeigefinger bleibt unten. Das ist in gewisser Wiese schon eine Absetzung zur alten Dauerausstellung 1990. Die war... schon sehr apodiktisch, hat Regeln vorgegeben, wie man sich verhalten soll, was man tun soll, was man nicht tun soll, um gesund zu bleiben. Und das ist zum einen nicht mehr notwendig in diesem Sinne, weil eine Vielzahl von Medien diese Aufgabe übernommen haben, es braucht dazu keinen Museum als festen Ort... Zum anderen wollen wir es einfach nicht mehr... Wir sind keine Erziehungsanstalt mehr.
In der mehr als zehnjährigen Vorbereitungszeit wurden allerlei grandiose inszenatorische Effekte in Erwägung gezogen – Uwe Brückner wollte das Museum selbst zum Körper machen, dem Amerikaner Ralph Appelbaum schwebte vor, das menschliche Leben als Produkt des Erbguts zu interpretieren und eine glänzende DNA-Doppelhelix durchs Haus zu ziehen.
Übrig geblieben ist eine stark aufgelockerte Vitrinen-Ausstellung. An Texten wird nicht gespart und es gibt jede Menge Sitzgelegenheiten zum Verweilen. Ein Parcours für Blinde wird genauso angeboten wie eine Führung für geistig Behinderte, an der auch Kinder Gefallen finden. Viele Objekte sind zum Anfassen frei gegeben – wie man andererseits die Unberührbaren vor Berührung schützt, darüber wird noch diskutiert.
Der in der Tat schon wieder verebbende Hype um Genom und Gen-Technik ist an der Ausstellung weitgehend vorbei gegangen. Die nötigen Informationen über den Stand der Molekular-Biologie und Reproduktionsmedizin werden in sehr leicht verdaulichen Dosierungen gegeben. Apokalyptische Szenarien indessen fehlen genauso wie Heilsversprechungen.
Die neue Ausstellung des Dresdner Hygiene-Museums offeriert gut aufbereitetes Allgemeinwissens mit punktuellen Vertiefungen in unterhaltsamer Form. Entsprechend unspektakulär ist auch die "Grundformiertheit", die Klaus Vogel den Besuchern vermitteln möchte.
Das ist so eine Art aktiver Gelassenheit. Aktiv: Wir können was tun... wir können was tun für unsere Gesundheit. Gelassenheit heißt: Auch wenn wir was tun, dann haben wir keine Garantie dafür, gesund zu bleiben und ein hohes Alter zu erreichen. Gelassenheit heißt, dass wir mit unseren Lebensumständen, so wie sie sind, auch lernen umzugehen. Diese Grundbotschaft ist es, die wir unseren Besuchern mitgeben möchten.
Damals, bei der Eröffnung der ersten Dauerausstellung 1930, war es der berühmte "Gläserne Mensch" von Präparator Franz Tschackert, der das Innerste des Fleisches sichtbar machte. In der neuen Ausstellung zeigt der Gläserne noch einmal seine Organe, der erste Raum wurde sogar nach ihm benannt – aber mit Nostalgie hat das nichts zu tun.
Wo immer es ging, hat Kurator Bodo-Michael Baumunk auf die fast 35 000 Objekte zurückgegriffen, die mittlerweile die Arsenale des Museums füllen, und gibt eine wahrhaft bunte Mischung zur Erkundung frei: Von einem Röntgen-Ungetüm, das in Thomas Manns Zauberberg-Sanatorium gestanden haben könnte, über wissenschaftshistorisch wertvolle Syphilis-Moulagen und eine "Goldbroiler"-Lichtreklame in der Abteilung "Essen und Trinken" bis hin zur Handbibliothek, 31 Medienstationen und 25 Selbstversuchs-Einrichtungen, an denen man etwa die Standschwierigkeiten eines greisen Körpers durch Anlegen von Spezialschuhen kennenlernt, öffnet sich eine biologisch-anthropologische Wunderkammer. Bodo-Michael Baumunk:
Die Gesamtheit dieser Ausstellung soll eine Art Bild des Körpers geben, des biologisch-medizinischen Körpers, das ist quasi das Skelett des Ganzen. Darauf habe ich von Anfang an eigentlich immer Wert gelegt, dass dies kein Museum der Zivilisationen und kein Museum des Menschen ganz im Allgemeinen ist, sondern dass es ein naturwissenschaftliches Museum ist. Das heißt, es erklärt den Körper erst mal biologisch.
Vier Themen-Abteilungen – "Gläsernen Mensch", "Leben und Sterben", "Essen und Trinken", "Sexualität" – sind bereits fertig, drei werden noch hinzukommen. Der Gestus des Ausgestellten und der Grundton der Informationen ist liberal, man könnte sagen, er ist realistisch und lebensfroh – und Vorschriften werden nicht gemacht. In der verklemmungs-freien Sektion zur Sexualität wir die Aufklärungsarbeit von gelinder Ironie durchzogen.
Zwanglos zu informieren, darauf kam es dem Kurator und der Museumsleitung an. Denn die dunklen Seiten der Geschichte des Hauses, die im Eingangsraum reflektiert werden, handeln von der rassehygienischen Indoktrination während des Nationalsozialismus und der immer noch schulmeisterlichen Tendenz der DDR-Ausstellung, in der Zwerg Kundi zum Kampf gegen Dreckfinger, Tropfnase und Faulzahn aufrief und dafür den "Sauberkeitsorden" des Hauses erhielt. Museums-Direktor Klaus Vogel.
Der erhobene Zeigefinger bleibt unten. Das ist in gewisser Wiese schon eine Absetzung zur alten Dauerausstellung 1990. Die war... schon sehr apodiktisch, hat Regeln vorgegeben, wie man sich verhalten soll, was man tun soll, was man nicht tun soll, um gesund zu bleiben. Und das ist zum einen nicht mehr notwendig in diesem Sinne, weil eine Vielzahl von Medien diese Aufgabe übernommen haben, es braucht dazu keinen Museum als festen Ort... Zum anderen wollen wir es einfach nicht mehr... Wir sind keine Erziehungsanstalt mehr.
In der mehr als zehnjährigen Vorbereitungszeit wurden allerlei grandiose inszenatorische Effekte in Erwägung gezogen – Uwe Brückner wollte das Museum selbst zum Körper machen, dem Amerikaner Ralph Appelbaum schwebte vor, das menschliche Leben als Produkt des Erbguts zu interpretieren und eine glänzende DNA-Doppelhelix durchs Haus zu ziehen.
Übrig geblieben ist eine stark aufgelockerte Vitrinen-Ausstellung. An Texten wird nicht gespart und es gibt jede Menge Sitzgelegenheiten zum Verweilen. Ein Parcours für Blinde wird genauso angeboten wie eine Führung für geistig Behinderte, an der auch Kinder Gefallen finden. Viele Objekte sind zum Anfassen frei gegeben – wie man andererseits die Unberührbaren vor Berührung schützt, darüber wird noch diskutiert.
Der in der Tat schon wieder verebbende Hype um Genom und Gen-Technik ist an der Ausstellung weitgehend vorbei gegangen. Die nötigen Informationen über den Stand der Molekular-Biologie und Reproduktionsmedizin werden in sehr leicht verdaulichen Dosierungen gegeben. Apokalyptische Szenarien indessen fehlen genauso wie Heilsversprechungen.
Die neue Ausstellung des Dresdner Hygiene-Museums offeriert gut aufbereitetes Allgemeinwissens mit punktuellen Vertiefungen in unterhaltsamer Form. Entsprechend unspektakulär ist auch die "Grundformiertheit", die Klaus Vogel den Besuchern vermitteln möchte.
Das ist so eine Art aktiver Gelassenheit. Aktiv: Wir können was tun... wir können was tun für unsere Gesundheit. Gelassenheit heißt: Auch wenn wir was tun, dann haben wir keine Garantie dafür, gesund zu bleiben und ein hohes Alter zu erreichen. Gelassenheit heißt, dass wir mit unseren Lebensumständen, so wie sie sind, auch lernen umzugehen. Diese Grundbotschaft ist es, die wir unseren Besuchern mitgeben möchten.