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Der große Bruder und der kleine Chip

Telekommunikationstechnik. - Am Anfang war das Preisschild, das auf Waren im Supermarkt klebte. Später kam der Barcode samt Laserscanner hinzu, mit denen an der Kasse schneller abgerechnet werden kann. Die jüngste Erfindung in dieser Reihe sind die so genannten RFID-Chips, kleine Funkchips, deren Dateninhalt berührungslos auch aus einer gewissen Entfernung ausgelesen werden kann. Unternehmen versprechen sich von den RFID-Chips Vorteile bei der Warenverwaltung, Datenschützer hingegen fürchten den gläsernen Verbraucher.

    Auf einer Tagung in Stuttgart stritten am Mittwoch Verbraucher, Datenschützer, Anwender und Wissenschaftler über die Vorzüge und Gefahren der RFID-Technologie. Es fiel auf, dass auch aus dem Unternehmensbereich die Risiken angesprochen wurden. Man müsse klar machen, welche Daten erfasst werden, sonst bliebe ein Makel an der Radiofrequenz-Identifikation haften, der die nötige Akzeptanz beim Kunden verhindere, so der Tenor. Michael Kühner vom Fraunhofer Institut Arbeitswirtschaft und Organisation wies darauf hin, dass Chancen und Risiken nur im konkreten Anwendungsfall umfassend bewertet werden können.

    Ein solcher Fall ist die Stadtbibliothek Stuttgart. Christine Brunner, stellvertretende Direktorin dort, sieht in Zeiten leerer öffentlicher Kassen kaum eine Alternative zu RFID-Ausleihsystemen. Die Einsparmöglichkeiten beim Verbuchungssystem durch RFID müssten genutzt werden, damit die Bibliotheken ihre Kernaufgaben wie die fachmännische Erfassung von Medieninhalten besser wahrnehmen können. Auf der anderen Seite darf ein Bibliotheksbenutzer aber auch nicht zum gläsernen Leser werden. Zwar sind Ausleihvorgänge naturgemäß nicht anonym. Sollte aber der Hausausweis ebenfalls einen RFID-Chip tragen, so ließe sich der aktuelle Aufenthaltsort eines Besuchers mit den Aufenthaltsorten von Büchern abgleichen. Eine Überwachung nicht nur der geliehenen Bücher wäre so möglich, sondern auch all der Bücher, in die man nur mal einen Blick geworfen hat. In Stuttgart hat man daraus die Konsequenz gezogen: Die Buchetiketten werden mit RFID ausgestattet, der Hausausweis hingegen bekommt keinen Funkchip.

    [Quelle: Peter Welchering]