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Der Grüne Star aus der Forscherperspektive

Zwölf Jahre lang haben an der Universität Erlangen Augenärzte, Anatomen, Biochemiker und weitere Wissenschaftler an der Augenkrankheit Glaukom, im Volksmund besser als Grüner Star bekannt, geforscht. 16,5 Millionen Euro war der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) dieser Sonderforschungsbereich (SFB) wert - offenbar zu Recht.

Von Dirk Kruse | 08.12.2009
    Das Glaukom ist eine langsam fortschreitende Alterserkrankung des Auges, die unbehandelt zur Erblindung führen kann. Verursacht wird es durch einen steigenden Augeninnendruck, der den Sehnerv zunehmend schädigt. Da dieser Grüne Star aber keine Schmerzen verursacht, war es einer der Forschungsschwerpunkte in Erlangen, neue Methoden der Früherkennung des Glaukoms zu entwickeln, erklärt die Anatomie-Professorin Elke Lütjen-Drecoll:

    "Sie können sich vorstellen, wenn ein Patient zum Arzt geht, weil er Probleme hat, ist es meistens schon ein bisschen zu spät. Und deshalb ist innerhalb dieses Sonderforschungsbereichs ein Bevölkerungsscreening entwickelt worden. Das war möglich, da auch die Technische Fakultät beteiligt war mittels Patternrecognition, also Mustererkennung. Die haben dann die Computer ausgearbeitet, dass man ohne Arzt Frühschäden erkennen konnte und zumindest soweit erkennen, dass man sagen konnte: Bitte gehen Sie mal zu Arzt."

    In Erlangen kann man diese Früherkennungsgeräte zur Untersuchung des Augenhintergrundes schon nutzen. Doch eine flächendeckende Anwendung bundesweit scheitert bislang noch an der Kostenübernahme durch die Krankenkassen. Gerade durch die interdisziplinäre Zusammenarbeit im SFB, unter anderem mit Informatikern und Technikern, so Prof. Friedrich Kruse, der Leiter der Erlanger Augenklinik, sind mehrere Geräte zur Frühdiagnostik des Glaukoms bis zur Marktreife entwickelt worden.

    "Wir haben Screening-Tests entwickelt, die eine Art von Gesichtsfelduntersuchung machen. Und dann haben wir mit einer Heidelberger Firma ein ganz tolles Gerät entwickelt, was die Netzhaut bezüglich der verschiedenen Schichten analysieren kann und auch die Netzhautdicke messen kann. Das ist ein optisches Kohärenztomografiegerät, sodass wir aus diesem Sonderforschungsbereich gleich mehrere Geräte entwickelt haben, die bereits in der klinischen Anwendung sind."

    Die andere große Frage, der die Forscher verschiedener Fachrichtungen in Erlangen nachgingen, lautete: Wie und warum entsteht der Grüne Star überhaupt? Hier sind in den vergangenen zwölf Jahren immer wieder kleinere Erfolge erzielt worden, so Elke Lütjen-Drecoll, die Sprecherin des Sonderforschungsbereiches.

    "Wir haben verschiedene Faktoren entdecken können, die für die Entstehung des Glaukoms eine Rolle spielen. Das ist etwas, was die Durchblutungsfragen angeht – da war ein Schwerpunkt der Forschung. Die Biochemiker haben Netzhautstörungsfaktoren gefunden: Bei 50 Prozent der Glaukome ist ein Wachstumsfaktor erhöht – TGF-Beta heißt der. Und das ist viel."

    Die medizinischen Fachbücher müssen jetzt durch den Erlanger Sonderforschungsbereich Glaukome nicht komplett umgeschrieben werden, aber doch in einigen Punkten ergänzt, so Prof. Kruse. An seiner Klinik soll jetzt mit neuen Forschungsgeldern aus diesen Erkenntnissen eine neue Therapie entwickelt werden.

    "Wir würden auch gerne im Glaukom-Bereich dahin kommen, wo schon andere Fachdisziplinen sind: dass man die Erkrankung mit biologischen Methoden angeht. Dass man zum Beispiel Faktoren, die fehlen, gezielt zusetzt und dass man auch an bestimmten Schlüsselpunkten, die man jetzt identifiziert hat, ansetzt, um eine wirklich kausale Therapie anzugehen. Denn momentan ist das, was wir machen, doch zum größten Teil symptomatisch, weil wir den Augendruck senken, und alle sich darüber im Klaren sind, dass der Augendruck nur einer von vielen krankmachenden Faktoren ist, die beim Glaukom ein Rolle spielen."

    Aber bis da neue Therapien einsetzbar sind, werden wohl noch einige Jahre ins Land gehen.
    Noch ein schönes Nebenergebnis des Sonderforschungsbereiches Glaukome an der Universität Erlangen war seine internationale Ausrichtung. Während die deutsche Forschung häufig die Abwanderung begabter Wissenschaftler in die USA beklagt, lief es hier genau umgekehrt. Unter anderem kam es zur Kooperation mit der berühmten Mayo-Klinik in Rochester, Minnesota.

    "Dieser Sonderforschungsbereich war auch Heimat für viele Amerikaner, die von dort hierher kamen. Und wir haben sieben, acht Gruppen in Amerika gehabt, die mit uns zusammengearbeitet haben. Es war also ein internationales Zentrum. Und alle unsere amerikanischen Freunde beneiden uns um SFB's."