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Der Gutachterkampf um Salem

Seit der Säkularisierung 1803 gehört das ehemalige Zisterzienserkloster Salem am Bodensee dem Haus Baden. Heute befinden sich auf dem 25 Hektar großen Areal fast 30 Gebäude, darunter das Eliteinternat Salem, Handwerksbetriebe, Gastronomie, das Kulturamt des Bodenseekreises und das drittgrößte Münster Baden-Württembergs. Doch ein Streit des Adelshauses mit dem Land gefährdet die Zukunft Salems als öffentlich zugängliches Kulturgut.

Von Solveig Grahl | 16.12.2007
    "Es ist fünf vor zwölf, fünf vor zwölf für den Fortbestand des kulturhistorischen Erbes von Salem. Ich sage bewusst fünf vor zwölf, ich sage nicht fünf nach zwölf. Der Zug zur Rettung ist also noch nicht abgefahren."

    Haus der Geschichte in Stuttgart, Anfang März diesen Jahres. Bernhard Prinz von Baden hatte die Journalisten zur Pressekonferenz geladen und eine schöne Broschüre mitgebracht. Die Uhr des Münsters von Schloss Salem war darauf zu sehen. Die Zeiger standen auf fünf vor zwölf. Es ging um die Zukunft des markgräflichen Schlosses - wieder einmal.

    Seit der Säkularisierung im Jahr 1803 gehört das ehemalige Zisterzienserkloster dem Haus Baden, den Markgrafen. Heute befinden sich auf dem 25 Hektar großen Areal fast 30 Gebäude, darunter das Eliteinternat Salem, Handwerksbetriebe, Gastronomie, das Kulturamt des Bodenseekreises und das drittgrößte Münster Baden-Württembergs. Jedes Jahr kommen rund 130.000 Besucher nach Salem, um die beeindruckende Anlage aus dem 12. Jahrhundert zu besichtigen. Ein bedeutsames Kulturdenkmal im Bodenseehinterland, das jedoch laut Aussage der Adelsfamilie im Jahr 1,5 Millionen Euro an Sanierungskosten verschlingt. In den vergangenen Jahren hat sich das Haus Baden 30 Millionen Euro von den Banken geliehen und nach eigener Aussage in den Erhalt der Schlossanlage gesteckt. Mehr gehe jetzt nicht mehr, so Bernhard Prinz von Baden, Generalbevollmächtigter des Adelshauses:

    "Ich sage das nicht aus schnöder Gewinnsucht, sondern weil der Erhalt einer so gewaltigen Anlage die Kraft eines jeden Privatunternehmens unserer Größenordnung übersteigen würde."

    Prinz Bernhard ist Chef des Familienunternehmens, einem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb mit rund 4000 Hektar Wald, einem der größten Weingüter Deutschlands und 120 Beschäftigten. Seine Familie könne es sich schlicht nicht mehr leisten, weiterhin Geld aus dem noch stabilen Unternehmen in die Schlossanlage zu stecken. Das ehemalige Zisterzienserkloster sei schließlich ein Kulturdenkmal allererster Güte und untrennbar mit der Geschichte Baden-Württembergs verknüpft. Ein Engagement des Landes sei daher nur recht und billig, so Prinz Bernhard, um das Schloss dauerhaft zu retten:

    "Es kann im Ergebnis nicht so sein, dass eine Privatfamilie und ein Privatunternehmen, und dies nicht mehr und nicht weniger ist das Haus Baden heute, seit Jahrzehnten Aufgaben übernimmt der Denkmalpflege, der Bewahrung des kulturhistorischen Erbes, die anderswo in Deutschland ganz selbstverständlich der Staat übernommen hat."

    Der Prinz wollte und will eine Lösung für sein Schloss. Die hatte es eigentlich schon einige Monate zuvor gegeben, im September 2006 lag sie auf dem Tisch. Ein Vergleich zwischen dem Land Baden-Württemberg und dem Haus Baden sollte die Zukunft Salems sichern. Die Adelsfamilie sollte die Eigentumsrechte an ihrer Kunstsammlung im Wert von rund 300 Millionen Euro an das Land abtreten. Im Gegenzug sollte sie vom Staat insgesamt 70 Millionen Euro erhalten. 30 Millionen, um die Schulden bei den Banken tilgen zu können, die übrigen 40 Millionen Euro sollten in eine Stiftung fließen für den dauerhaften Erhalt von Schloss Salem, erklärte Baden-Württembergs CDU-Finanzminister Gerhard Stratthaus im September vergangenen Jahres:

    "Das Stiftungskapital soll durch den Verkauf von Handschriften und Büchern aus den Beständen der badischen Landesbibliothek erwirtschaftet werden. Dadurch sollen auch die in letzten Jahren für die Renovierung der Anlage angefallenen Ausgaben refinanziert werden. Insgesamt soll versucht werden, aus dem Verkauf von wertvollen Bibliotheksbeständen bis zu 70 Millionen Euro zu erlösen und diese für die Klosteranlage Salem einzusetzen."

    Mit dem Vergleich wollte die baden-württembergische Landesregierung gleich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Zum einen sollte der Erhalt von Schloss Salem dauerhaft gesichert werden. Zum anderen wollte die Regierung endlich Klarheit über die strittigen Eigentumsrechte an den badischen Kulturgütern schaffen, also an wertvollen Gemälden, Handschriften, Münzsammlungen, Skulpturen. Seit fast zwei Jahrhunderten gebe es Streit, wem welche Kunstschätze gehörten, so Minister Stratthaus, dem Land oder dem Adelshaus. Eine Expertenkommission hatte der Regierung zu diesem Vergleich mit den Markgrafen geraten, da eine klare Zuordnung der Kunstgüter nicht mehr möglich sei. Auch für Baden-Württembergs Wissenschaftsminister Peter Frankenberg war der ausgehandelte Vergleich im September vergangenen Jahres ein guter Kompromiss:

    "Ich bin auch für mich persönlich zu der Erkenntnis gekommen, dass dieser Vergleich für uns in Abwägung zu anderen Möglichkeiten eine solche Rechtssicherheit an so viel Kulturgütern gibt, dass wir ihn anstreben sollten."

    Das allerdings sahen Historiker und Kunstexperten völlig anders. Als bekannt wurde, dass das Land den Verkauf mittelalterlicher Handschriften aus der badischen Landesbibliothek plante, brach ein Sturm der Entrüstung los - und zwar weltweit. Von einem Akt der Kulturbarbarei war da die Rede, von Plünderei nach Vandalenart, Baden-Württemberg verschleudere seine kulturelle Vergangenheit. Peter Michael Ehrle, Direktor der Badischen Landesbibliothek in Karlsruhe, hob die Bedeutung der Handschriften für Forschung und Wissenschaft hervor:

    "Das sind mittelalterliche Pracht-Handschriften mit reicher Buchmalerei, also unglaublich wichtige Handschriften für die Forschung. Kulturgüter von nationaler und europäischer Bedeutung, ja von Weltbedeutung zum Teil."

    Ministerpräsident Günther Oettinger dagegen, nicht gerade bekannt als ausgewiesener Freund der Künste, blieb zunächst gelassen. Er habe durchaus mit einem kritischen Echo auf das Vorhaben gerechnet, aber:

    "Die Kritik kommt im Kulturteil der Tageszeitungen und nicht im Wirtschaftsteil und nicht im Landesteil. Ich respektiere diese Arbeitsteilung der Redaktionen."

    Für die Kunstschaffenden und Kunstinteressierten im Land war diese Äußerung ein Affront. Die Kritik an Oettinger und seiner Regierung riss nicht ab. In einem Brief in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung "kritisierten Wissenschaftler aus aller Welt das Vorgehen. Die Versteigerung der Karlsruher Handschriften werde als deutliches Signal registriert, dass in Deutschland die Vergangenheit zum Verkauf stehe - und das zum Schleuderpreis, schrieb der renommierte Kunsthistoriker Jeffrey F. Hamburger. Und auch die politische Opposition im Land ging hart mit der Regierung ins Gericht. Oettinger habe die Landesverfassung mit Füßen getreten, so die SPD-Landesvorsitzende Ute Vogt. In der Verfassung sei der Schutz von Kulturgütern verankert. Stattdessen sei die Landesregierung in vorauseilendem Gehorsam auf einen Deal mit der Adelsfamilie eingegangen:

    "Sie haben zusammen mit Ihrer Landesregierung unser Land blamiert - und das weltweit, international. Eine peinliche Angelegenheit."

    Und Jürgen Walter, kulturpolitischer Sprecher der Grünen-Landtagsfraktion, fügte hinzu:

    "Das dilettantische Verhalten der Landesregierung hat dem Land einen immensen Imageschaden gebracht - und zwar nicht nur in Baden und Württemberg, sondern rund um den Globus."

    Mit einem solchen Protest hatte die Regierung in Stuttgart dann doch nicht gerechnet und musste zugeben, das Interesse der Öffentlichkeit an den Kulturgütern unterschätzt zu haben. An einem Vergleich mit dem Haus Baden hielt die Landesregierung dennoch fest - allerdings mit einem anderen Finanzierungsmodell. Die 30 Millionen Euro zur schnellen Schuldentilgung sollten nun von der Landesstiftung kommen, aus den Etats landeseigener Kultureinrichtungen sowie von geschichtsbewussten Sponsoren. Doch der nächste Fettnapf wartete schon: Zu den Kunstschätzen, die mit Hilfe von großzügigen Mäzenen für das Land gesichert werden sollten, gehörte auch die wertvolle "Markgrafentafel" von Hans Baldung Grien aus dem 16. Jahrhundert. Ministerpräsident Günther Oettinger am 11. Oktober vergangenen Jahres im Stuttgarter Landtag:

    "Es gibt nennenswerte Kunstgegenstände, die der Öffentlichkeit gezeigt werden, die im Besitz des Landes sind, aber im Eigentum des Hauses Baden. Ich nenne erstens Hans Baldung Grien 'Der Markgraf Christoph I. von Baden und sein Familie', ein Gemälde im Wert von etwa acht Millionen Euro. Ich nenne zweitens zwei Medaillons von Cranach dem Älteren, Wert etwa zwei Millionen Euro. Bezüglich dieser Gegenstände kann es keinen Streit geben. Diese Gegenstände gehören uns nicht, aber sie zu erwerben, daran haben wir Interesse."

    Da jedoch war der baden-württembergische Ministerpräsident falsch informiert und der so schön eingefädelte Deal mit dem Haus Baden geriet zunehmend zur Posse. In der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung wies der Freiburger Historiker Dieter Mertens" im November 2006 nach, dass die "Markgrafentafel" dem Land sehr wohl gehörte. Baden-Württemberg hätte also beinahe ein Bild gekauft, dass es schon besaß. Günther Oettinger erntete Hohn und Spott aus aller Welt. Seitdem geht der Witz um: "Wer sein Bier zweimal bezahlt, kommt aus Baden-Württemberg." Der Streit um Salem wurde zum Politikum. Die SPD im Stuttgarter Landtag beantragte einen Untersuchungsausschuss zum Vorgehen der Landesregierung, scheiterte damit aber an CDU und FDP. Daraufhin klagten die Sozialdemokraten vor dem Staatsgerichtshof. Der jedoch schmetterte im Juli diesen Jahres die Klage ab mit der Begründung, ein Untersuchungsausschuss in dieser Frage greife zu weit in die Gestaltungsfreiheit der Regierung ein.

    Der Vergleich zwischen dem Land Baden-Württemberg und dem Haus Baden war also vorerst gescheitert, die Zukunft von Schloss Salem so offen wie eh und je, die schwierige Eigentumsfrage nach wie vor nicht gelöst. Die Verhandlungen liegen seitdem auf Eis - bis heute. Zwei Expertenkommissionen von Adelshaus und Landesregierung haben seit Ende des vergangenen Jahres geprüft, wem nun tatsächlich welche Kunstschätze gehören, wer also überhaupt was verkaufen darf, wenn er will oder muss.

    Vor gut zwei Wochen kam wieder Bewegung in die Geschichte: Da stellte Bernhard Prinz von Baden das von ihm in Auftrag gegebene Gutachten zusammen mit seinen Juristen in Stuttgart vor. Das Ergebnis der Expertise: Der Großteil der badischen Sammlungen war und ist Eigentum des Hauses Baden. Davon ist der Bonner Juraprofessor Rudolf Dolzer überzeugt. Er ist einer der Gutachter des Prinzen:

    "Das Land Baden-Württemberg war sich bis 1967 mit dem Haus Baden einig darüber, dass das Eigentum an den Sammlungen nicht dem Land gehört."

    Für die Gutachter ergibt sich das Eigentum des Hauses Baden an den Kunstsammlungen aus dem historisch gewachsenen Recht. Das Land habe in Eigentumsfragen ein Jahrhundert lang zu Gunsten der Markgrafen entschieden. Dafür gebe es viele Belege, so die Juristen. Von dieser Rechtsposition komme das Land heute nicht mehr weg. Das von der Landesregierung in Auftrag gegebene Gutachten liegt offiziell noch nicht vor, es wird aller Voraussicht nach am kommenden Dienstag der Öffentlichkeit präsentiert. Doch in den vergangenen Tagen sickerten bereits erste Ergebnisse des 300 Seiten starken Werkes durch. Danach gehört ein Großteil der umstrittenen Sammlungen dem Land, nicht dem Haus Baden. Nun steht also Expertenmeinung gegen Expertenmeinung. Weder Bernhard Prinz von Baden noch das Wissenschaftsministerium in Stuttgart haben sich bislang zu den Ergebnissen des Gutachtens geäußert. Es liege dem Land ja noch gar nicht vor, hieß es aus dem Ministerium.

    Bei der Eigentumsfrage scheiden sich die Geister vor allem an einem Punkt - und das bereits seit Jahrzehnten: Ist die sogenannte Zähringer-Stiftung rechtmäßige Eigentümerin der Kunstschätze? Diese Stiftung geht auf ein Testament des Großherzogs Friedrich II. von Baden zurück. Er vermachte nach seinem Tod einen großen Teil der badischen Kulturgüter seiner Frau, der Großherzogin Hilda. In seinem Testament von 1927 hatte er allerdings festgelegt, dass die Kunstschätze nach dem Ableben seiner Frau in eine Stiftung eingehen sollten, um sie dauerhaft zu erhalten und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Im März 1954 wurde die Stiftung genehmigt und gegründet. Allerdings ist zwischen dem Land und dem Haus Baden umstritten, ob die Zähringer-Stiftung je Rechtskraft erlangt hat. Das fragliche Kulturgut war nämlich nie inventarisiert worden. Damit wurde es nach Ansicht des Adelshauses nie rechtskräftig auf die Stiftung übertragen.

    Der kulturpolitische Sprecher der Grünen im Stuttgarter Landtag, Jürgen Walter, quittiert diese Meinung mit einem Schulterzucken. Das sei alles nichts Neues. Die Zähringer-Stiftung gebe es, und sie sei auch rechtskräftig. Und damit seien die Kulturgüter öffentliches Eigentum, so Walter:

    "Das Haus Baden hat sich in den 50er Jahren gegenüber der Landesregierung sogar beschwert, dass es doch ein Unding sei, dass der Großherzog die eigentliche Erbfolge hier aufgebrochen hätte und der Öffentlichkeit quasi diese Kunstgegenstände geschenkt hätte. Sie sind für die Öffentlichkeit bestimmt, und das Baden hat da keinen Zugriff mehr, das ist ganz offensichtlich. Da kann der Prinz noch so viele Kommissionen oder Gutachten in Auftrag geben. Ich bin auch sicher, dass das Gutachten der Landesregierung ein ganz anderes Ergebnis bringen wird."

    Sollten sich die beiden Expertengutachten wirklich derart widersprechen, bleibt eigentlich nur der Gang vors Gericht. Ein solcher Rechtsstreit könnte Jahre dauern. Das weiß auch Prinz Bernhard. Dennoch schloss er schon Ende November bei der Präsentation seines Gutachtens in Stuttgart nicht aus, die Eigentumsfrage von einer "neutralen Instanz" klären zu lassen:

    "Wir sind vorbereitet, um uns im Prozess streiten zu können. Das Ziel meiner Familie ist eine einvernehmliche Lösung. Es ist hier das kulturelle Erbe meiner Familie und des Landes. Ich halte es für angemessen, dass wir hier einen fairen Ausgleich und Vergleich finden. Aber wenn das nicht soll sein, dann sind wir für alle Eventualitäten vorbereitet."

    Die Markgrafenfamilie hat in den vergangenen Monaten immer wieder betont, dass sie an einer einvernehmlichen Lösung mit dem Land interessiert ist. Doch Kritiker wie Jürgen Walter von den Grünen sind sich da nicht so sicher:

    "Natürlich ist er an einer einvernehmlichen Lösung interessiert, wenn die einvernehmliche Lösung so aussieht, wie sie im letzten Jahr auf dem Tisch lag: Er bekommt möglichst viel Geld, er bekommt eine Stiftung. Aber alles das geht auf einmal nicht. Wir sind nicht willig und auch nicht bereit, ihm seine Schulden zu zahlen, die für ganz andere Dinge entstanden sind. Ich kann mir nicht vorstellen, dass diese 30 Millionen Euro nur aus dem Unterhalt und der Sanierung von Schloss Salem entstanden sind."

    Das jedoch behauptet das Adelshaus - und legte diese Woche dem Stuttgarter Finanzministerium eine seit Langem angeforderte Auflistung aller Ausgaben vor, die es in den vergangenen 15 Jahren in den Erhalt des Schlosses gesteckt hat. Danach gaben die Markgrafen rund 39 Millionen Euro für die Instandhaltung der Anlage aus. Das zeige doch das ganze Dilemma, in dem seine Familie stecke, sagte Prinz Bernhard in dieser Woche. Nun habe sein Haus ausreichend Grundlagen für einen Vergleich mit dem Land geliefert. Für den Prinzen und seine Familie drängt die Zeit. Bis Ende des Jahres wollen die Banken angeblich den Kredit von 30 Millionen Euro zurück. Seit der Pressekonferenz im März hätten sich die Zeiger deutlich weitergedreht, so Prinz Bernhard:

    "Im Kern gibt es nur zwei Wege. Entweder das Haus Baden kommt doch noch in letzter Minute durch Verhandlungen zu einer Einigung mit dem Land. oder das Haus Baden wird einseitig handeln müssen.2"

    Und das hieße im Klartext: Die Markgrafen verkaufen ihr Schloss an einen privaten Investor - mit der Gefahr, dass die Anlage dann für die Öffentlichkeit nicht mehr zugänglich wäre. Eine offene Drohung, die nicht ganz aus der Luft gegriffen ist. Denn das Haus Baden hat bereits mehrere seiner Schlösser verkauft. Prominentestes Beispiel ist das Neue Schloss in Baden-Baden, die einstige Sommerresidenz der Großherzoge. Mitte der 90er Jahre sah sich Max Markgraf von Baden, Prinz Bernhards Vater, außer Stande, die aus dem 14. Jahrhundert stammende, prachtvolle Anlage weiter zu unterhalten. Das Land Baden-Württemberg und die Stadt Baden-Baden kamen damals als Käufer nicht in Frage, sie winkten wegen eigener Finanznöte ab. Mittlerweile gehört die Anlage hoch über der Stadt einer Geschäftsfrau aus Kuwait. Die Bürger, die früher zumindest in Teilen des herrschaftlichen Schlossparks spazieren gehen durften, müssen seitdem draußen bleiben. Seit Jahren entwickelt die neue Besitzerin Pläne für eine Nutzung des Schlosses - vom Luxushotel bis hin zum Feriendomizil für ihre Familie. Doch noch liegt alles im Dornröschenschlaf. Dieses Schicksal will Prinz Bernhard für Salem eigentlich nicht - ausschließen jedoch mag er es ebenso wenig:

    ""Viele eingetragene Denkmäler in Deutschland und in Europa gehen den Weg der Veräußerung, gehen den Weg der Zerschlagung und gehen auch leider hin und wieder den Weg in Richtung Ruine. Eine Verwertung eines Schlosses ist ohne Weiteres machbar. Und es gibt auch keine rechtlichen Möglichkeiten, das zu verhindern."

    Schloss Salem gehört samt Inventar dem Haus Baden, diese Frage ist unstrittig. Verkaufen dürften die Markgrafen also, das Land hätte dagegen keine Handhabe. Laut Aussage der Markgrafenfamilie gibt es viele Anfragen von möglichen Kaufinteressenten. Ob bereits konkrete Kaufangebote vorliegen, wollte das Adelshaus nicht verraten. Kritiker glauben nicht, dass sich für die Anlage so einfach ein privater Investor finden lässt. Jürgen Walter von den Grünen:

    "Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Bewerber Schlange stehen. Auch die Besitzerin des Schlosses Baden-Baden hat schnell merken müssen, dass es in Deutschland Gesetze gibt, die man einhalten muss, beispielsweise im Denkmalschutz. Deswegen glaube ich nicht, dass da jetzt viele Bewerber kommen. Würde es die geben, hätten wir es sicherlich vom Hause Baden längst erfahren."

    In dieser Woche hat das Haus Baden dem Stuttgarter Finanzministerium ein lange erwartetes Gutachten über den Wert der Schlossanlage Salem vorgelegt. Mehr als 20 Gebäude wurden von Immobilienfachleuten in den vergangenen Wochen begutachtet, allerdings nur die Wirtschaftsimmobilien - jene Teile der Anlage also, die derzeit gewerblich genutzt werden. Sie seien in einem sehr guten Zustand und damit interessant für mögliche Investoren, da keine Sanierungsmaßnahmen nötig seien, so das Adelshaus. Der Wert dieser Gebäude wurde auf insgesamt 42 Millionen Euro geschätzt. Mit dem Gutachten habe man vor allem zeigen wollen, dass die Schlossanlage nicht nur einen kulturellen, sondern auch einen Immobilienwert hat. Die Adelsfamilie am Bodensee hofft nun, dass das Gutachten Ausgangspunkt ist für neue Verhandlungen mit dem Land und wartet auf ein Signal aus Stuttgart. Dort will das Finanzministerium das Wertgutachten der Markgrafen erst einmal kritisch und in aller Ruhe prüfen. Einen Kauf von Schloss Salem schließt die Landesregierung nicht aus, das hat Ministerpräsident Günther Oettinger bereits im Oktober angedeutet. Ziel der Landesregierung sei es, das Ensemble Salem zu erhalten und auch in Zukunft für die Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Die Frage nach dem Wie ist allerdings noch nicht entschieden, alle Optionen sind noch offen, heißt es aus dem Finanzministerium. Die Zeiger der Münsteruhr in Salem, die drehen sich unterdessen weiter.