Donnerstag, 25. April 2024

Archiv


Der gute Mensch von nebenan

Grundsätzlich ist die Spendenbereitschaft in Deutschland nämlich ungebrochen - auch wenn sich der Geldfluss Richtung Pakistan zunächst verzögerte. Wie deutsche Hilfsorganisationen um die Zuwendungen der Bevölkerung kämpfen und wie man als Spender nicht auf zwielichtige Gestalten hereinfällt.

Von Ulrike Greim | 24.08.2010
    Jahrhunderthochwasser, ein Tsunami in Zeitlupe. Eine humanitäre Katastrophe ungeahnten Ausmaßes, ein wirtschaftliches Desaster. Zunehmend produziert die Überflutung in Pakistan Superlative. Millionen Menschen haben Haus und Hof verloren, Tausende sind in den Fluten umgekommen. Als Folge der Überschwemmung droht dem Land eine Hungerkatastrophe. UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon nennt Pakistan "die größte solidarische Herausforderung unserer Zeit".

    Doch anders als beim Tsunami im Indischen Ozean 2004 war die Spendenbereitschaft zunächst gering. Erst langsam öffnen die Deutschen ihre Geldbörsen, um zu helfen. Liegt es an den Sommerferien? An der anfangs zögerlichen Medienberichterstattung? An der religiösen Ausrichtung der Mehrheit des Landes? An der Art der Katastrophe, die nicht abrupt kam, sondern schleichend immer größer wurde? Ist es die Angst, das Geld könnte in die falschen Hände geraten? In die der Taliban?

    Grundsätzlich ist die Spendenbereitschaft in Deutschland nämlich ungebrochen. Soweit das die aktuellen Zahlen hergeben - hat auch die Wirtschaftskrise daran nichts geändert. Zwischen vier und fünf Milliarden Euro fließen jährlich in die Kassen von Hilfsorganisationen, Vereinen und Verbänden. Der Trend, Geld langfristig über eine Stiftung einer guten Sache zur Verfügung zu stellen, ist sogar deutlich steigend. Was aber bringt die Menschen dazu, ihre Portemonnaies zu öffnen - zum Spender und Stifter zu werden?

    Die Fußgängerzone im thüringischen Jena. Ein Stand in Himmelblau. Das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen - UNICEF. Vier junge Menschen in blauen T-Shirts versprühen ihren Charme an Passanten:

    "Einmal kurz gebremst für Unicef? .. Hmm"

    Sie bemühen sich, in knappen Sätzen und mit viel Augenaufschlag, die Angesprochenen in ein Gespräch zu locken:

    "Unicef ist wahrscheinlich eh' schon bekannt? Ein bisschen? Uns gibt's ja schon 'ne ganze Weile, seit 1946. Inzwischen sind wir in über 150 Ländern weltweit tätig. Tätigkeitsbereich ist natürlich vielfältig - von Entwicklungszusammenarbeit bis Soforthilfe. Thema Pakistan steht ja auch gerade ganz weit vorne. Und unser Leitsatz lautet: 'Gemeinsam für Kinder'."

    Mit gezielten Informationen sollen Passanten animiert werden, Geld für die gute Sache zu geben. Nicht zu viele Details, keine ausgefeilten Hintergrundinformationen. Es geht vielmehr darum, das Helfer-Gen zu wecken. So sagt es die Firmenphilosophie der Kommunikationsagentur Dialog-Direkt. Sie organisiert solche Werbeaktionen für namhafte Hilfsorganisationen, wie Amnesty International oder Care. In einem kleinen Infoheft schlägt der Spendensammler eine Seite mit dramatischen Zahlen und dem Bild eines hungernden Kindes auf:

    "Hier sind die traurigen Sachen des Planeten, die ich auch gar nicht so gerne erzähle. Viel, viel lieber, was wir eben tun, damit es nicht so ist, dass wir viel daran verändern können. Und dazu haben wir uns ein wunderschönes Projekt ausgesucht. Das heißt: 'Projekt Pate-Wasser'."

    Straßenwerbung - ein effizientes Mittel, Spenden einzutreiben. Wenn jedes Team am Ende des Tages mal zehn, mal 25 langfristige Spender gewonnen hat - in dem Fall geht es um Spender mit Dauerauftrag, dann haben die Organisationen mehr erreicht, als durch etliche Anzeigenkampagnen in Zeitungen.

    Es gibt in Deutschland eine Fülle von Institutionen, die Geld, das der Allgemeinheit dienen soll, sammeln und verteilen. Man geht von rund einer halben Million gemeinnütziger Vereine aus. Mehr als 17.000 gemeinnützigen Stiftungen bürgerlichen Rechts, dazu kommen Stiftungen privaten Rechts, und zum Beispiel kirchliche Stiftungen. Sie arbeiten überwiegend lokal, aber auch regional, bundesweit, weltweit. Der Spenden- und Stiftungsmarkt ist eine wirtschaftliche Größe.

    Berlin Dahlem. In einer mondänen Villa sitzt das Deutsche Zentralinstitut für Soziale Fragen, kurz DZI. Hier bekommt, wer Spenden möchte, eine Auskunft darüber, wie seriös die jeweilige Hilfsorganisation ist – oder eben nicht. Wirtschaftsprüfer durchleuchten die Organisationen und heben oder senken danach den Daumen: hopp oder Top. Wer die Prüfung besteht, kann sich das Siegel mit den drei Buchstaben des Instituts, "dzi", und dem Sternenkranz auf die Werbeflyer drucken. Ähnlich wie bei der Stiftung Warentest ist das DZI-Siegel die Unbedenklichkeitserklärung, die den potenziellen Spendern die Zweifel nehmen soll. Dafür müssen die Hilfswerke viel Zeit, Energie und Geld investieren. Jedes Jahr aufs Neue. Sie müssen zeigen, dass sie die Spenden wert sind. Ein Kriterium, so sagt es DZI-Geschäftsführer Burkhard Wilke, ist die angemessene Werbung:

    "Wir schauen uns die Internetseite an, den Jahresbericht, lassen uns bei Straßenwerbung darlegen: welche Gesprächsleitfäden liegen dem zugrunde und achten darauf, dass hier wahrhaftig geworben wird, wir achten darauf, dass nicht unangemessen emotional geworben wird..."

    Außerdem müssen die Mittel nachprüfbar und sparsam verwendet werden, die Rechnungslegung muss eindeutig sein, die Leitungsgremien müssen durch ein unabhängiges Aufsichtsorgan überwacht werden. Diese Zertifizierung ist freiwillig. Jede dritte Hilfsorganisation besteht die Prüfung nicht. 253 haben das Siegel im vergangenen Jahr bekommen. Sie sind nur ein kleiner Teil der etwa 2000 bundesweit auftretenden Hilfswerke, allerdings der potente, sie vereinen ein Spendenvolumen von 1,4 Milliarden Euro.

    "Es war zuerst eine überschaubare Gruppe von Organisationen, die den Vorteil gesehen haben. Die gesehen haben, dass, wenn man sich dieser Art von unabhängiger Prüfung öffnet, man nicht nur von der Leistung her besser werden kann - es ist eine wichtige betriebsinterne Information auch, die man bekommt - sondern man an Glaubwürdigkeit auch langfristig gewinnt. Und selbst bis hin in Krisensituationen, die man keiner Spendenorganisation wünscht, aber es auch in Situationen, wo sie angefeindet werden, einen wichtigen Verteidiger im DZI haben, wenn sie sich letztlich nicht etwas wirklich haben zuschulden kommen lassen."

    2008 verlor UNICEF nach zwölf Jahren das Siegel. Die Organisation hatte in Deutschland Provisionen an Spendensammler gezahlt, dies aber nicht transparent gemacht. Ein schwerer Imageschaden. Vertrauen wieder aufzubauen dauert. UNICEF arbeitet eng mit dem DZI zusammen und hat gute Aussicht, das Spendensiegel dieses Jahr wiederzubekommen.

    Vertrauen, dass die Hilfsorganisationen das Geld auch wirklich sinnvoll verwenden ist ein wichtiger Faktor. Noch wichtiger ist aber ein anderer: Die Aufmerksamkeit der Spender auf Projekte und Katastrophen zu lenken. Dazu braucht es Bilder, die aufrütteln. Die mediale Begleitung habe sich in den vergangenen 20 Jahren deutlich verändert, sagt Burkhard Wilke. Hin zu einer skandalisierenden Berichterstattung, hin zu einer Fokussierung auf große Katastrophen mit emotionalisierenden Bildern. Die seien entscheidend. Der Einsturz des Kölner Stadtarchivs hat - obwohl in seinen Ausmaßen wesentlich größer - keine vergleichbare Hilfswelle ausgelöst wie der Brand der Anna Amalia-Bibliothek:

    "Ein Brand ist spektakulärer, als ein Einsturz, ein Erdbeben ist spektakulärer, als eine langsame Flut, eine Tsunami-Welle ist spektakulärer, als still dahin siechende Aidskranke."

    Was unter einer gewissen emotionalen Schwelle bleibe, habe es schwer, bemerkt zu werden. Eine Randbeobachtung: Werden im Fernsehen nur Bilder der Katastrophe gezeigt, löst das bei den Zuschauern eher Hilflosigkeit aus. Burkhard Wilke weiß, dass Spender das Gefühl brauchen, etwas bewegen zu können. Deshalb sei es besser, auch Bilder von Helfern zu zeigen, die vor Ort etwas Sinnvolles tun.

    So war es auch bei dem Tsunami 2004. Der war nicht nur in seinen Ausmaßen gigantisch – auch die Wirkung der Bilder stellte alles Bekannte in den Schatten. Das stolze Ergebnis: 670 Millionen Euro. Interessant dabei war vor allem, sagt DZI-Chef Burkard Wilke, das Geld wurde nicht bei anderen Organisationen gespart – es floss zusätzlich. Der Tsunami hat gezeigt: Mitgefühl ist vorhanden. Es ist ein hohes Gut. Die Hilfsorganisationen wissen, dass sie darum buhlen müssen. Und sie tun es auf sehr unterschiedliche Weise.

    "Der nette, freundliche Herr Taxifahrer, Sie haben doch bestimmt mal 'ne Minute für Unicef." "Geht nicht, die Uhr läuft." "Ach so, die Taxi-Uhr."

    In Jena mühen sich die vier UNICEF-Sammler weiter um ein wenig Aufmerksamkeit.

    "Der Herr auf dem Fahrrad!" ...

    Die meisten Passanten machen einen Bogen, wollen nicht angesprochen werden. Nur hin und wieder bleibt jemand stehen, hört skeptisch zu, windet sich mit Ausreden aus der charmanten, aber doch zielgerichteten Umklammerung. Wie viele Abfuhren muss man ertragen können? 150, sagt Ben Spiekermann. Darauf müsse er sich einstellen und gelegentlich warm anziehen. Aber wenn er richtig in Fahrt ist, dann läuft das Geschäft von allein. Dann greift er in sein unerschöpfliches Reservoir an flotten Sprüchen und flirtet ohne Erbarmen für die gute Sache. Abgesehen davon, dass es ihm offensichtlich Spaß macht, Leute herumzubekommen:

    "Als ich so durch Afrika gerannt bin mit 20 und meinen Rucksack auf dem Rücken hatte, da standen um mich herum immer so sechs kleine schwarze Zipfel. Die wollten entweder was zu essen oder Geld. Und das erzähle ich den Menschen auf der Straße manchmal, dass ich die immer frage: 'Glauben Sie, das hat mich genervt?' Dann gucken die mich an, dann sag ich: 'Ja. Hat mich genervt. Und? Ich hab sie verstanden.' Und deswegen: Ich geh den Leuten hier bestimmt manchmal auf die Nerven. Und tu das total gerne."

    Ben ist 32, hat in Südafrika unter anderem für eine Hilfsorganisation gearbeitet. Als er ins reiche Deutschland zurückkehrte, wollte er von hier aus weiter helfen. Ausreden gibt es viele, sagt er. Gründe, nicht zu helfen, wenige. Genau genommen keine. Egal wo, aber sich Engagieren sei für ihn Menschenpflicht. Ben ist hartnäckig. Und selbst das weiß er, charmant zu begründen. Der Scheck heiligt die Mittel.

    Weniger offensiv auf der Straße, dafür mehr sachlich und inhaltsorientiert, so wirbt Brot für die Welt zusammen mit der Diakonie Katastrophenhilfe. Spender werden gezielt angesprochen in Mailings und Zeitungsanzeigen, vor allem im kirchlichen Umfeld, in Kirchgemeinden. In 80 Ländern Afrikas, Asiens und Lateinamerikas ist der Verein aktiv. In Pakistan gibt es schon seit einigen Jahren ein Büro, sagt Leiterin Cornelia Füllkrug-Weitzel, es hat nun eine neue, schwere Aufgabe hinzubekommen:

    "Wir geben Nahrungsmittel aus, Mahlzeiten, die vor Ort gekocht werden nach den traditionellen Gebräuchen der Menschen. Kostet übrigens nur 1,63 Euro, eine Familie am Tag zu ernähren auf diese Weise. Wir unterstützen jetzt schon 5000 Familien mit solcher Nahrungsmittelhilfe. Wir sorgen dafür, dass diese 5000 Familien auch 2,5 Liter Trinkwasser zur Verfügung gestellt kriegen. Wir haben fahrende Wassertanks unterwegs ... ."

    Das Argument, das gespendete Geld könne in die Hände der Taliban gelangen, weist sie zurück. Ihre Organisation behalte es bis zum Schluss in den eigenen Kassen und gebe es selbst vor Ort aus. Es gehöre überdies zum Wesen von Hilfsorganisationen, neutral Nothilfe zu leisten und nicht nach politischen Maßgaben zu handeln. Es sei - im Gegenteil - höchst gefährlich, wenn die Politik das humanitäre Engagement vereinnahme, wie es gerade häufig geschehe, nicht nur in Pakistan:

    "Wird es aber weiter instrumentalisiert, wird es weiter zu einem Kriegsinstrument erklärt, dann sind allerdings die humanitären Helfer in Gefahr. Und zwar von allen Seiten. Und da sollte man sich sehr gut überlegen als Regierung, als EU, als USA, ob man dieses Spiel weitertreibt."

    Auch aus der Bundesregierung waren anfangs skeptische Töne zu hören. Das Taliban-Image ließ auch das politische Berlin zurückhaltend reagieren. Doch seit nun auch die mediale Welle angerollt ist, die Bilder in Sondersendungen über die Kanäle rauschen, scheint die Skepsis zurückzugehen zugunsten der Solidarität. Pakistan braucht dringend einen Spendenschub, sagt nun auch der Bundespräsident. Die Bundesregierung hat ihr Engagement erhöht auf nunmehr 25 Millionen Euro. Doch ist das viel? Und damit ein gutes Beispiel für die potenziellen Spender?

    Ein Kleckerbetrag, sagen die Grünen im Deutschen Bundestag. Sinnvolle Pakistanhilfe brauche nicht nur die aufgerüttelten Privat-Spender, sie komme nicht aus ohne öffentliche Unterstützung. Die Tsunami-Hilfswelle habe gezeigt, dass sich öffentliche, institutionelle und private Spender gegenseitig anstacheln und einen Wettbewerb bieten können. Doch die schwarz-gelbe Regierung übe sich immer noch in Zurückhaltung. Das passe in das Gesamtbild, sagt Thilo Hoppe. Er ist Sprecher für Welternährung seiner Fraktion und stellvertretender Vorsitzender des Bundestagsausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Die Chancen für ein starkes Engagement der öffentlichen Hand standen lange gut, immerhin hatte sich Deutschland in den Millenniumszielen verpflichtet, 0,7 Prozent des Bruttosozialproduktes für Entwicklungszusammenarbeit auszugeben:

    "Aber jetzt wird's noch dramatisch: Um dieses Ziel - 0,7 Prozent bis 2015 hat man fest zugesagt, zu erreichen - müssten die Ausgaben für Entwicklungszusammenarbeit jedes Jahr um etwa 1,3 Milliarden gesteigert werden. Und die Bundesregierung hat es jetzt erstmals eingefroren und hat die Ausgaben für humanitäre Hilfe um 20 Prozent im Etat des Auswärtigen Amtes gekürzt. Das ist wirklich unbegreiflich, und das heißt wirklich: Das ist Geiz-ist-geil-Politik."

    Dafür unterstütze die Bundesregierung Rüstungsgeschäfte mit Pakistan, verdiene am Geschäft mit Waffen und U-Booten. Geschäftemachen mit Pakistan: "Ja gern", humanitär helfen: "Nun, wenn es sein muss, ein bisschen?" Thilo Hoppe meint, die Regierung bleibe hinter den Regierten zurück. Er geht davon aus, dass Spender grundsätzlich ansprechbar seien, auch ohne Vorbild. Entscheidend sei die Haltung. Es gehe hier schließlich nicht um milde Gaben, sondern um die schlichte Notwendigkeit.

    Um das längerfristige Engagement sorgt sich auch Cornelia Füllkrug-Weitzel. Ganz offensichtlich teilen zunehmend mehr Menschen ihr Geld mit Opfern von Naturkatastrophen und damit einmaligen Ereignissen. Das sei ja auch wichtig, sagt die Chefin von Brot für die Welt und der Diakonie Katastrophenhilfe. Darüber aber würden oft die politischen Katastrophenregionen vergessen. Kolumbien und der Kongo zum Beispiel. Doch Spender seien zunehmend schwer für langfristige Entwicklungshilfe zu gewinnen. Schnelle Einmalprojekte seien den potenziellen Spendern leichter plausibel zu machen, als lange schwelende politische Konflikte. Da sei die Gemengelage häufig undurchschaubar. Oft ist es eine Mischung aus dem Kampf zwischen ethnischen Gruppen, korrupten Regierungen und politischen und wirtschaftlichen Interessen. Dennoch seien die Opfer dieser Konflikte meistens die Schwächsten, sagt Pfarrerin Füllkrug-Weitzel, ihnen müsse geholfen werden. Nicht nur mit ein paar Rationen Essen und Wasser, sondern langfristig und strukturell. Es gehöre also beides zusammen: die Katastrophenhilfe und die Entwicklungshilfe:

    "Das muss man einfach wissen: Je mehr ich in die Prävention und in die langfristige Arbeit gebe, desto weniger muss ich in der akuten Stunde der Katastrophe ausgeben."

    Das wissen auch die Helfer in der Fußgängerzone in Jena. Die Argumente, nicht zu spenden, sind in der Einkaufspassage allerdings zahlreich. Die Helfer der Kommunikationsfirma halten dagegen an, signalisieren Verständnis, haben aber immer noch ein besseres Argument auf Lager. Und sie drängen auf langfristiges Engagement.

    "Ich weiß nicht: Haben Sie mal 'ne Schule gebaut? Nein? Noch nicht? Weil 'ne Schule baut sich ja auch nicht von heut auf morgen. Deswegen suchen wir natürlich nach langfristigen Förderern, das ist doch ganz klar."

    Szenenwechsel. Mitten in Berlin am Checkpoint Charlie sitzt der Bundesverband der deutschen Stiftungen. Rund 3500 der über 17.000 gemeinnützigen privaten Stiftungen sind Mitglied geworden. Stiftungen bleiben von aktuellen Spendenwellen unberührt. In sie fließt Geld in aller Regel nicht spontan und aus einer schnellen Emotion heraus, sondern wohl überlegt. Wer stiftet, setzt auf den langen Atem. Auch Geschäftsführer Hermann Falk kann nicht feststellen, dass es an Bereitschaft mangelt, Geld für eine gute Sache auszugeben. Im Gegenteil:

    "Es ist häufig das Motiv 'Wir wollen etwas tun, wo noch ein Vakuum existiert, wo noch ein Defizit entsteht. Offensichtlich kümmert sich keiner darum.' Ja, so ist es. Aber es ist kein Vorwurf gegenüber dem Staat nach dem Motto 'Der hat es versäumt, etwas zu tun'. Sondern es ist eher der Freiraum, der Blick auf einen Handlungsraum."

    Die allermeisten Stiftungen konzentrieren sich auf den sozialen Sektor, viele auf die Bereiche Kunst und Kultur, Bildung und Erziehung, gleich gefolgt von Wissenschaft und Forschung. Viele Stiftungen arbeiten im Stillen, etliche ganz im Verborgenen. Der Bundesverband deutscher Stiftungen sucht natürlich Öffentlichkeit und weiß, dass er die, ähnlich wie bei den Hilfsorganisationen, wesentlich durch aktive Vertrauensbildung gewinnen kann. So animiert der Verband seine Mitglieder, ihre Arbeit nachvollziehbar und öffentlich zu machen. Gemeinsam mit Transparency International hat der Bundesverband beschlossenen, einheitliche Transparenz-Mindeststandards zu etablieren.

    Pause für die Spendensammler in Jena. Coach Ben Spiekermann spendiert einen Kaffee. Menschen als Spender zu gewinnen, kostet viel Energie:

    "Trink mal 'n Käffchen. Und behalt das nette Lächeln." "Ja, das ist schon festgewachsen, ich hab schon zu viel gefeiert heute."

    Vier Wochen ist so ein Team für eine Organisation am Stück unterwegs. Bezahlt werden sie von ihrer Agentur - je nach eigenem Wunsch - entweder mit Festhalt oder leistungsabhängig. UNICEF allerdings zahle Festpreise, sagt die Agentur. Ben wechselt nun das T-Shirt. Er fährt gleich weiter ins Fränkische, dort steht ein Team für Care, das er ebenfalls coacht. Und egal, ob Pakistan, Sudan oder Rumänien, das Spenden soll ein gutes Gefühl hinterlassen, sagen die Spendensammler. Nach dem Motto: Da ist Schreckliches passiert, aber ich habe etwas dagegen getan.


    Weitere Beiträge auf DRadio.de und DRadio Wissen:
    Interview, 25.8.2010 - "Ich persönlich lege meine Hand dafür ins Feuer"
    CARE-Sprecher: Pakistan-Spenden kommen bei den Menschen an (DKultur)


    Pakistan Warten auf Hilfe - Tagesthema auf DRadio Wissen (16.8.2010)

    "Damit nicht nur dann die anderen als die Helfer und die Gutmenschen dastehen" - Ehemaliger deutscher Botschafter in Pakistan: Westen muss helfen, sonst profitieren die Taliban (19.08.2010 Deutschlandradio Kultur)

    "Diese Katastrophe kommt jetzt erst zu ihrer vollen Entfaltung" - Der Cap-Anamur-Gründer Rupert Neudeck zur zurückhaltenden Spendenbereitschaft (19.08.2010 Deutschlandfunk)

    Mehr Vertrauen schaffen - Welthungerhilfe begrüßt Bereitschaft Pakistans zu internationalen Kontrollen (18.08.2010 Deutschlandfunk)

    Pakistan: Versäumnisse im Umweltschutz - Ausmaß der Krise ist nicht nur durch Klimaveränderungen zu erklären (18.08.2010 Deutschlandfunk)

    Weitere Informationen:
    Spendenkontenübersicht auf ard.de für Pakistan-Flut
    Hilfe für die Flutopfer in Pakistan
    Bilder, die zeigen, wie Betroffene Hilfe bekommen - wie hier die Flutopfer in Pakistan - regen eher zur Spende an als die Katastrophenbilder selbst. (AP)
    Luftaufnahme einer zerstörten Siedlung auf Sri Lanka
    Luftaufnahme einer zerstörten Siedlung auf Sri Lanka - nach dem Tsunami 2004. (AP)
    Thilo Hoppe, Vorsitzender des Bundestagsausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (Bündnis90/die Grünen)
    Thilo Hoppe, Vorsitzender des Bundestagsausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (Bündnis90/die Grünen) (Deutscher Bundestag)
    Eine Passantin steckt in Stuttgart einen Geldschein in die Sammelbüchse eines Kinderhilfswerks.
    Eine dickes Fell brauchen Spendensammler, die in den Fußgängerzonen Passanten zu Zuwendungen gewinnen wollen. (AP)