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Der Handel mit den Emissionszertifikaten

Das Kyoto-Protokoll hat den Klimaschutz zu einem Markt gemacht. Seit seinem Inkrafttreten muss die Industrie in Europa für ihre Abgase Verschmutzungsrechte nachweisen, die sogenannten CO2-Zertifikate. Wer kein CO2 einspart, muss Zertifikate zukaufen. Und die sind in Schwellen- und Entwicklungsländer besonders billig.

Von Eva-Maria Thoms | 10.10.2008
    Die Kölner Messe Inter-Carbon Hier dreht sich alles um den Klimaschutz. Doch Umweltverbände sucht man in den Messehallen vergeblich. Stattdessen Banker, Rechtsanwälte, Energiekonzerne - und Vertreter aus Entwicklungsländern. Yapi Leopold Mambo kommt aus der Elfenbeinküste. Als Vertreter einer staatlichen Umweltagentur wirbt er für Investitionen in seinem Land:

    " Der Müll in Afrika. Wir werfen das alles auf Deponien. Dieser ganze Müll könnte zu Gas recycelt werden. Wir haben in unserer Hauptstadt Abidjan eine Deponie, die schon seit 1960 gefüllt wird. Und da gibt es bisher keinerlei Technologie. "

    Was Yapi Leopold Mambo anpreist, sind nicht die natürlichen Ressourcen seines Landes, nicht billige Arbeitskräfte oder Steuervorteile. Es ist die Müllkippe der Hauptstadt, die er vermarkten will. Eine der Deponien, die noch vor zwei Jahren für Schlagzeilen sorgten, als ruchlose Geschäftemacher hier Giftmüll verklappten. Dutzende von Menschen starben. Auf der Kölner Messe verweist Herr Mambo nun stolz auf die Ausmaße der Deponie.

    Mehr als zehn Meter tief ist die größte Müllkippe des Landes. Seit mehr als vierzig Jahre wird der Müll hier abgekippt, wie er gerade kommt. Eine Schmuddelecke, wie man sie vor ausländischen Investoren bisher lieber versteckt hat. Doch im Zeitalter internationaler Klimaschutzpolitik müssen apokalyptische Zustände wie in Abidjan nicht mehr abschrecken. Im Gegenteil: Sie versprechen Gewinn. Aus Müllkippen nämlich entweichen Faulgase. Die heizen die Erdatmosphäre auf, stärker noch als CO2. Wer die Faulgase auffängt und verbrennt, oder sogar Strom und Wärme damit produziert, entlastet nicht nur die Atmosphäre. Er kann damit seit drei Jahren sogar Geld verdienen. Jede Tonne Treibhausgas, die in der Dritten Welt erfolgreich eingespart wird, kann in ein so genanntes CO2-Zertifikat umgerechnet werden: Verschmutzungsrechte, die europäische Industrieunternehmen gerne ankaufen, um ihre eigenen Klimaschutzpflichten zu erfüllen.

    CDM - clean development mechanism - so heißen diese Investments im Fachjargon der Vereinten Nationen. Im Kyoto-Protokoll wurden sie vereinbart - in dem Klimaschutzabkommen, in dem sich die Industrieländer 1997 zur Senkung ihrer Klimagas-Emissionen verpflichtet haben. Seit Inkrafttreten des Kyoto-Protokolls muss die Industrie in Europa für ihre Abgase Verschmutzungsrechte nachweisen, die sogenannten CO2-Zertifikate. Bisher werden die Verschmutzungsrechte von den Regierungen noch kostenlos zugeteilt. Das soll sich in der nächsten Handelsperiode nach 2012 ändern. Dennoch wird mit CO2-Zertifikaten schon gehandelt. Denn die Zuteilung der Verschmutzungsrechte ist knapp gehalten. Schließlich sollen die Treibhausgasemissionen ja sinken. Wer nicht einsparen kann oder will, muss Zertifikate zukaufen. Und hier kommen die Schwellen- und Entwicklungsländer ins Spiel:

    Für sie gelten die Klimaschutzpflichten nicht. Doch die sogenannten CDM-Projekte sollen auch den Ländern in Asien, Afrika und Südamerika helfen, ihr Wachstum klimafreundlicher zu gestalten. Ein Kompensationsgeschäft, denn die Klimaschutzprojekte in der Dritten Welt helfen mit ihren CO2-Zertifikaten den Industrienationen der ersten Welt, ihre Klimaziele zu erreichen.

    Ein gutes Geschäft für alle Beteiligten, meint Herr Mambo und bedankt sich für das Interesse.

    Ein paar Gänge weiter, am Stand der RWE. Der Energiekonzern ist Spitze, was den CO2-Ausstoss angeht. Kein europäischer Versorger, das haben Unternehmensberater von PriceWaterhouseCoopers ausgerechnet, bläst mehr CO2 in die Atmosphäre. Die hohen Emissionen sind vor allem auf den hohen Braunkohleanteil in der Stromproduktion der RWE zurückzuführen - und auf das hohe Alter der Kraftwerke.

    Seit Inkrafttreten des Kyoto-Protokolls wird der hohe CO2-Ausstoß für die RWE zur finanziellen Belastung. Mit der Menge an CO2-Zertifikaten, die ihm zugeteilt werden - bisher kostenlos - kommt der Konzern nicht aus. Deshalb gehört die RWE zu den größten Nachfragern von CO2-Zertifikaten. Für den Ankauf der Verschmutzungsrechte zuständig ist Michael Fübi, Leiter Klimaschutz bei der RWE Power AG.

    " Wir als RWE haben 150 Millionen Tonnen Emissionen und haben eine Zuteilung an Zertifikaten von ungefähr 80. Das heißt uns fehlen 70 Millionen Zertifikate pro Jahr. "

    70 Millionen Tonnen CO2, für die der Manager Michael Fübi jedes Jahr Verschmutzungsrechte organisieren muss. Dafür stehen ihm mehrere Wege offen: Er könnte die Zertifikate an der Leipziger Strombörse kaufen - und zwar von Unternehmen, die ihre eigenen Kontingente nicht brauchen. An der Börse wird die Tonne CO2 derzeit für rund 24 Euro gehandelt. Würde Michael Fübi die fehlenden Zertifikate hier einkaufen, würde das pro Jahr 1,6 Milliarden Euro kosten.

    Sehr viel billiger ist es, die benötigten Verschmutzungsrechte in der Dritten Welt zu beschaffen. Dort kostet die Einsparung einer Tonne CO2 nur fünf oder sechs, allenfalls sieben Euro. Deshalb ist der Energieversorger inzwischen beteiligt an Projekten in Ägypten, in Indien und in einem der Boom-Länder für Klimaschutz-Investitionen schlechthin: in China.

    " Wir haben eine Anlage in China, das ist eine Kompostierungsanlage, da war früher eine wilde Müllkippe, da wurde einfach alles in ein Tal reingekippt, das Sickerwasser lief da raus, hat das Grundwasser verschmutzt. Dort wurde ein CDM-Projekt realisiert, wo der Müll dann sortiert wird. Alles was biologisch ist, kommt in eine moderne Kompostierungsanlage, dadurch wird die Methanemission, die beim Vergären entsteht, vermieden. Dafür gibt es Zertifikate. Der Kompost wird verkauft. Alles, was nicht kompostierbar ist, geht auf eine neue Mülldeponie daneben nach europäischen Standards. "

    Dem Klima ist es egal, wo der Ausstoß von Treibhausgasen reduziert wird. So gesehen, spricht nichts dagegen, dass Unternehmen wie die RWE einen Teil ihrer Klima-Sparmaßnahmen in Afrika oder in Asien realisieren.

    Über 1000 solcher CDM-Projekte sind bislang in der Dritten Welt realisiert worden. Weitere 2.000 warten auf die Genehmigung. Dafür zuständig ist ein Spezialbüro der Vereinten Nationen: das so genannte CDM-Executive Board. Hier werden die Projekte geprüft und anschließend zertifiziert. Ein aufwändiges Prozedere, das noch dazu viel Zeit in Anspruch nimmt. Doch trotz dieser bürokratischer Hürden sind Beteiligungen an Klimaschutzprojekten ein Boomgeschäft.

    Das Kyoto-Protokoll hat den Klimaschutz zu einem Markt gemacht. Zu einem äußerst attraktiven Markt. 2007 lag der Umsatz schon bei 63 Milliarden Dollar - er hatte sich innerhalb eines Jahres verdoppelt.

    Angesichts solcher Wachstumsraten interessieren sich nun auch Branchen für den Klimaschutz, die Umweltangelegenheiten bislang eher als Investitionshemmnis ansahen. Heute bieten internationale Unternehmensberatungen wie Ernst & Young und PriceWaterhouseCoopers weltweit Beratung bei den Genehmigungsverfahren für CDM-Projekte an. Banken wie das britische Geldhaus Barclays investieren selbst in CDM-Projekte und stellen CO2-Fonds zusammen, in die sich andere einkaufen können. Selbst Derivate werden schon entwickelt: Finanzprodukte, mit denen Privatanleger Wetten auf die zukünftige Entwicklung der CO2-Preise abschließen können. Die Weltbank ist mit von der Partie, und die KfW, die deutsche Staatsbank. Bernhard Zander von der KFW bietet Anteile aus einem CO2-Fonds zum Verkauf. Seine Kunden:

    " Das sind im wesentlichen unter anderem Stadtwerke, eine große Zahl von Stadtwerken, aber auch einige mittlere Industrieunternehmen, Zement, Textil - das ist so die typische Klientel, die sich über den KfW-Klimaschutzfonds mit Zertifikaten versorgt. "

    Aufgrund der Nachfrage ist auch die KfW stets an neuen CDM-Produktionsstätten interessiert.

    Zander: " Das schwierige Thema ist für uns in der Tat gute Projekte zu finden. Es gibt sicher jede Menge gute Projektideen, aber die dann sorgfältig auszuwählen, auch nach Liefersicherheit. Wir wollen ja Projekte auswählen, die dann wirklich auch Zertifikate liefern können, das ist schon ne Aufgabe. "

    Für ihre Kunden, wie die KfW, sind Projektentwickler auf der ganzen Welt unterwegs, um gute Produktionsstandorte für Verschmutzungsrechte zu finden. Doch was gut ist, darüber gehen die Meinungen auseinander.

    Eines der ersten und lukrativsten CDM-Projekte etwa steht im indischen Rajasthan. Hier lässt der indische Milliardär Arun Bharat Ram in einer Chemiefabrik Kühlmittel für Kühlschränke und Klimaanlagen produzieren. Rund um die Fabrik hat er Anzeigentafeln aufstellen lassen. Diese Fabrik, ist darauf zu lesen, macht Indien sauber und grün. Doch als Reporter der Sunday Times sich im vergangenen Jahr dort umsahen, berichteten die Bauern der Umgebung ihnen etwas Anderes. Sie klagten über die Abgase der Fabrik, die sie kaum atmen lassen und ihre Ernte zerstören.

    Dabei handelt es bei der Kühlmittelfabrik um ein Klimaschutzprojekt, zertifiziert von den Vereinten Nationen. Denn der Milliardär hat zusammen mit dem Ölkonzern Shell und der Barclays Bank 1,4 Millionen Pfund investiert, um aus den Abgasen der Chemiefabrik das hochaggressive Klimagas HFC-23 zu eliminieren. Eine lukrative Investition, denn sie brachte einen mehr als 200fachen Ertrag: Verschmutzungsrechte im Wert von 300 Millionen Pfund. Der bislang größte Coup in der jungen Geschichte des UN-Klimaschutzprogramms, sagt Dietmar Mirkes von der Luxemburger Dritte-Welt-Organisation Action Solidarité Tiers Monde. Und er weiß: Die Fabrik in Rajasthan ist nicht das einzige Beispiel, in dem UN-zertifizierte Klimaschutzprojekte gegen alle Regeln der Nachhaltigkeit verstoßen:

    " Unsere indische Partnerorganisation, Center for Science and Environment, ist eine der wenigen Organisationen im Süden der Welt, die CDM-Projekte systematisch analysiert haben. Ein Beispiel, eine Fabrik im Süden von Karnataka, die aus Biomasse Strom produziert. Das ist soweit okay. Allerdings führt das dazu, dass diese Fabrik über Zwischenhändler Holz in der gesamten Region Südkarnataka aufkauft und das führt dazu, dass Holz für die ärmeren Bevölkerungsschichten, die das im Wald suchen gehen, um ihr Mittagessen zu machen, knapper wird und teurer wird. Das ist kein Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung, sondern unser Partner nennt das Deforestation for free. D.h. Holz wird einfach rausgenommen, wesentlich mehr, als der Wald verträgt, als es nachhaltig wäre, und zu Schaden der ärmeren Leute der Gegend. Anderes Beispiel: Der Nachweis der Nachhaltigkeit muss in den Berichten über das Projekt, in den Validierungen, erbracht werden. Das wird erbracht, indem man einen Bürgermeister interviewt. Unser Partner konnte feststellen, dass die Beratungsfirma Ernst Young einfach solche Berichte kopiert hat, das kostet Zeit und Geld, und man versucht Kosten zu sparen. "

    Die Nebenwirkungen der Klimaschutzprojekte zu überprüfen, ist Aufgabe der Regierungen vor Ort. Mit durchaus unterschiedlichen Ergebnissen. Konrad von Ritter, der beim Weltbank Institut die Abteilung für Nachhaltige Entwicklung leitet:

    " Es gibt Länder, die das sehr ernst nehmen wie zum Beispiel Panama, wo jedes CDM-Projekt einen Umwelttest bestehen muss. Reduzierung von Greenhousegas ist keine Entschuldigung dafür, dass man anderswo die Umwelt zerstört. Nichts darf erlaubt sein, das negative sustainability effects hat. "

    Die Anforderungen in Indien sind offenbar weniger hart. Die Berichte des Center for Science and Environment sorgten für Aufsehen. Folgen hatten sie bisher nicht. Ein Verfahren, einzelnen CDM-Projekten die Zertifizierung wieder zu entziehen, gibt es nicht. Der Weltbank-Experte Konrad von Ritter:

    " Sollten die Zertifikate entzogen werden? Würde ich jetzt bewusst passen. Da sind die einzelnen Länder gefragt, das einzustellen. Das Ganze ist ein großer Lernprozess. Insofern sollten wir den Lernprozess per se nicht verdammen. Die Frage ist: lernen wir aus ihnen? "

    Mit ökologischer Entwicklungshilfe, wie der Titel "Clean Development" suggeriert, haben viele genehmigte CDM-Projekte jedenfalls wenig zu tun. Die meisten CO2-Zertifikate aus der Dritten Welt stammen heute aus Dünger- und Kühlmittelfabriken, aus Kohlebergwerken, von Müllkippen und aus Kohlekraftwerken und Stahlwerken.

    Überall dort werden zwar Klimagase eingespart. Doch mit einer nachhaltigen Wirtschaft, die auf erneuerbare Energien setzt, hat das gar nichts zu tun. Kritiker wie Dietmar Mirkes von der Action Solidarité Tiers Monde halten den Clean Development Mechanism deshalb nicht nur für nutzlos, sondern sogar für schädlich:

    " Der Kampf gegen den Klimawandel wird auf dem Feld erneuerbarer Energien geführt und nicht dadurch, dass man in den alten Technologien kleinere Prozessverbesserungen erzeugt. Es wird im Gegensatz ein fast perverser Effekt erzeugt, dass es fast interessanter ist, man baut ein neues Kohlekraftwerk und baut dann stärkere Filter ein und diese Differenz wird bezahlt, anstatt dass man diese Summe voll in die regenerative Energie steckt. "

    Nachhaltige Entwicklung oder sofortige Reduzierung der Treibhausgase? Um diesen Zielkonflikt wird auf den internationalen Klimaschutzkonferenzen derzeit gerungen. Umweltschutzorganisationen etwa wollen das CDM-Programm eingrenzen: auf Investitionen, die mit erneuerbaren Rohstoffen wirtschaften. Keine CO2-Zertifikate mehr für Kohlebergwerke, Kohlekraftwerke und Kühlmittelfabriken. Für Michael Fübi von der RWE ist das Weltklima so nicht zu retten:

    " Natürlich verstehe ich die Diskussion, wenn manche NGO hingehen und sagen: Wir würden CDM am liebsten so verstehen, dass jetzt überall in Afrika Photovoltaikdächer entstehen. Aber im Vordergrund steht im Kyoto-Protokoll die Reduktion der Emissionen, der Kampf gegen die globale Erwärmung, und dann ist es ein Seiteneffekt, dass man sagt: okay, ich will damit auch Entwicklungshilfe und Technologietransfer verbinden. Aber wir sitzen nicht zusammen, um ein neues Entwicklungshilfeabkommen zu machen, sondern um ein Post-Kyoto-Abkommen zu machen nach 2012. Und da geht es darum, die Treibhausgasemissionen einzudämmen. Ich weiß, dass manche NGO das anders sehen. Aber so ist das nun mal. So hat jede Interessengruppe ihr Interesse, das sie zu vertreten hat. "

    Aus ihrem Interesse machen Industrieunternehmen wie RWE denn auch keinen Hehl. Sie wollen möglichst viele Zertifikate möglichst billig erwerben. Das geht am besten in Großprojekten. Und dem globalen Klima kann es letztlich egal sein, wo Treibhausgase reduziert werden - ob in der Kühlmittelfabrik des indischen Multimilliardärs oder der Kochstelle einer indischen Bäuerin. Wichtig ist nur, dass die Belastung der Erdatmosphäre durch die Klimagifte absolut gesenkt wird. Doch genau daran haben Wissenschaftler inzwischen Zweifel

    So hat eine Studie des World Wildlife Fund ergeben, dass ein Fünftel aller CO2-Zertifikate aus der Dritten Welt aus Projekten stammt, die ohnehin geplant waren - auch ohne die Geldspritze aus dem Zertifikatehandel. Das heißt: Das Projekt bringt gar keine zusätzliche CO2-Ersparnis. Wohl aber Zertifikate. Und die erlauben der Industrie in Europa, mehr CO2 zu emittieren. So kann man Klimaschutzziele nicht erreichen. Die Umweltschutzorganisation WWF fordert deshalb Sofortmaßnahmen gegen den Missbrauch des Programms. Sie will strengere Prüfungen und sie will Sanktionen.

    Zu noch schlechteren Ergebnissen als der WWF kommt eine Studie zweier Professoren der amerikanischen Universität Stanford. Sie haben die rund 3.000 CDM-Projekte bewertet, die von der UN genehmigt wurden oder im Genehmigungsverfahren stehen. Ihre Schlüsse: Bei mehr als der Hälfte der Projekte könnte es sich um Mitnahmeeffekte handeln.
    Unter Mitnahme-Verdacht steht zum Beispiel der Staudamm Campos Novos im brasilianischen Bundesstaat Santa Catarina. Seit Mai 2007 wird dort mit Wasserkraft Strom produziert. Erst sechs Monate später, im November 2007, bewarben sich die Betreiber um die UN-Zertifizierung als Klimaschutzprojekt.

    Unter Mitnahme-Verdacht steht auch die Volksrepublik China. Sie hat sämtliche neuen Wasser-, Wind- und Naturgaskraftwerke für den Zertifikatehandel angemeldet - als ob ohne die Erträge aus dem Emissionshandel kein einziges dieser Kraftwerke gebaut würde.

    Der Clean Development Mechanism, wie er in Kyoto beschlossen wurde, gilt bis 2012. Über mögliche Reformen für die Zeit danach wird jetzt schon verhandelt. Auf den internationalen Klimaschutzkonferenzen fordern Sozialverbände und Umweltschutzorganisationen schärfere Sozialstandards und eine Beschränkung auf Projekte, die den technischen Wandel zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft fördern. Vertreter der Finanzwelt und der Industrie kämpfen dagegen für eine Liberalisierung. Sie wollen weniger bürokratische Auflagen, um möglichst schnell, möglichst viele Verschmutzungsrechte produzieren zu können. Ob die CDM-Projekte am Ende aber tatsächlich helfen, die Erdatmosphäre von den Klimagiften zu entlasten, scheint nach den ersten wissenschaftlichen Untersuchungen mehr als fraglich.