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Der Hausarrest als alternative Vollzugsform

Die tschechischen Gefängnisse sind zu klein für die Anzahl der tschechischen Straftäter. Daher wurde zu Beginn dieses Jahres der Hausarrest als alternative Vollzugsform eingeführt. Milliarden von Kronen sollen so gespart werden - allerdings müsste auch in die Ausrüstung für die Heimgänger investiert werden, was bisher nicht geschah.

Von Katrin Materna |
    Der Tag beginnt früh in der Prager Vollzugsanstalt Pankrac. Um Punkt 4:45 Uhr müssen die knapp 900 Insassen hier zum Morgenappell antreten. Und trotzdem: Selbst erklärte Langschläfer erwarten sehnlichst den Moment, in dem sich die schweren Gittertüren der engen Zellen öffnen.

    Einer dieser Langschläfer ist Miroslav: 59 Jahre alt ist der drahtige Häftling mit dem dunkelbraunen Haar. Jemand, der seinen Nachnamen lieber nicht nennen möchte. Seit 32 Monaten - fast drei Jahren also - sitzt er hier, und die "U-Boot-Situation", wie er sie nennt, macht ihm noch immer zu schaffen:
    "Wie Sie sehen, wohnen wir hier zu zehnt. Die Doppelstockbetten und diese Metallspinde hier sind die einzigen Möbelstücke, wo wir unsere persönlichen Sachen unterbringen können. Für mehr ist einfach kein Platz. Das Zusammenleben hier macht das nicht gerade einfach."

    Das Grau in Grau der Wände und des PVC-Bodens lässt den stickigen Raum noch kleiner wirken. Hier soll Miroslav insgesamt sechs Jahre seines Lebens verbringen - wegen Betrugs:
    "Ich habe aber Glück, ich habe Arbeit. In der Woche bin ich deshalb im Grunde nur zum Schlafen hier."

    Glück hat Miroslav auch deshalb, weil er seine Strafe hier in Pankrac absitzt - einem der wenigen tschechischen Gefängnisse, die noch nicht überquellen. Normalerweise ist es noch enger in Haft. Ein großes Problem, sagt Marketa Prunerova, die Sprecherin der tschechischen Gefängnisaufsicht:

    "Landesweit kämpfen wir momentan mit einer durchschnittlichen Belegung von 115 Prozent. Das bedeutet, dass die Insassen deutlich weniger Platz zur Verfügung haben als gesetzlich vorgesehen, also weniger als vier Quadratmeter pro Person. Oftmals müssen wir die Gefangenen sogar schon in Räumen unterbringen, die eigentlich für Freizeitaktivitäten, für Sport usw. gedacht waren."
    Dafür hat sich die Tschechische Republik sogar schon mehrere Rügen von der EU eingehandelt. Beengte Raumverhältnisse und wenig Ausgleichsmöglichkeiten - unter solchen Bedingungen häufen sich die Konflikte unter den Häftlingen. Aber neue Gefängnisse zu bauen kostet viel Geld und Zeit - beides Mangelware im tschechischen Strafvollzug. Deshalb soll eine neue Form der Strafe Abhilfe schaffen: der Hausarrest. Daniela Kovarova, Justizministerin der Tschechischen Republik, vertritt diese Option:
    "In Frage kommt diese Alternative im Falle von Straftaten und Delikten, für die das Gesetz eine Freiheitsstrafe von maximal zwei Jahren vorsieht. Natürlich nur, sofern der Richter nach Bewertung der gesamten Lebenssituation des Angeklagten zu dem Schluss kommt, dass er keine Gefahr für die Allgemeinheit darstellt. Voraussetzung ist ferner, dass der Kandidat einen festen Wohnsitz und Arbeitsplatz hat."
    Bis zu 5000 Verurteilte pro Jahr könnten ihre Strafe künftig in den eigenen vier Wänden absitzen, glaubt sie. Nur für die Arbeit oder den Kirchgang dürften sie das häusliche Gefängnis verlassen. Die Zeiten soll das Gericht festlegen.
    Ganz anders bei Miroslav. Während seiner Haft musste er einen Job als Firmenchef abgeben und gegen einen Hausmeisterposten eintauschen. Als "Hausarrestler"wäre ihm das erspart geblieben, er hätte sein soziales Umfeld beibehalten können:

    "So, jetzt muss ich noch den Schrank hier reparieren."

    Kritiker halten die neue Vollzugsform jedoch für unausgegoren. Für die elektronische Überwachung, mit der die Verurteilten auf Schritt und Tritt beobachtet werden könnten, fehlt momentan das Geld. Deshalb wird die Kontrolle hierzulande zunächst nur aus stichprobenartigen Hausbesuchen von Bewährungshelfern bestehen. Das Innenministerium hält die Einführung des Hausarrests jedoch für dringend notwendig. Die Begründung: Die Situation in den Gefängnissen sei zu ernst.