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Der heiße Draht zum Patienten

Auch wenn das Gesundheitswesen zunehmend digitalisiert wird - der Verwaltungsaufwand bleibt mindestens derselbe. Die Arbeit an Patientenberichten, OP-Dokumentationen oder Arztbriefen kosten die Mediziner viel Zeit, die sie dafür oft beim Patienten abknapsen müssen. Schneller wäre es doch, die Daten direkt am Krankenbett einzugeben, meinen die Initiatoren eines Pilotprojektes, bei dem der Tablet-PC bei jeder Visite mit dabei ist.

Von Wolfgang Noelke | 12.02.2005
    Ärzte müssen sich immer mehr mit bürokratischen Arbeiten beschäftigen. Allein die Büroarbeit verschlingt mehr als ein Drittel der täglichen Arbeitszeit, so Dr. Holger Hänsch vom Deutschen Herzzentrum Berlin:

    Analog läuft das so ab, dass wir vieles dreimal machen müssen: Wir erfassen auf Papierdokumenten initial, wenn der Patient kommt, die Anamnese, Krankengeschichte, körperliche Untersuchung, übertragen das dann in das Haus-System, was schon computerisiert ist, und übertragen am Ende alles noch mal in einen Arztbrief, um diesen dem Hausarzt, dem weiterbehandelnden Arzt, zuschicken zu können. Im Mittel nimmt das drei Stunden pro Tag in Anspruch - allein für die Dokumentation von der Erfassung bis zum Arztbrief pro Person.

    Diese Arbeit sollen künftig die in einem vernetzten System miteinander verbundenen Computer erledigen. Doch obwohl in diesem Fall auch die geplante so genannte "Gesundheitskarte" der Patienten mit eingebunden wäre, müssten sich Ärzte auch weiterhin Notizen machen. Ein normaler Computer wäre, so Dr. Hänsch, ein Kommunikationshindernis. Die Lösung wäre ein drahtlos mit dem Netzwerk verbundener flacher berührungsempfindlicher Bildschirm – ein so genannter Tablet-PC:

    Wenn wir uns unterhalten, kann ich mir Notizen machen. Wenn ich das in den Computer eingeben würde über eine Tastatur, dann hätte ich ein störendes Element zwischen uns, was das Arzt-Patientengespräch deutlich stören würde, im Krankenhaus fast unmöglich, in der Arztpraxis erst recht nachvollziehbar: das geht nicht! Da kann ich nicht einen Monitor zwischen uns beide stellen. Das heißt, ich hab immer eine Zweiseitigkeit: das Blatt Papier kann ich zwischen uns legen, kann mir während des Gesprächs die Notizen machen, muss sie dann aber, wenn ich sie in irgendeiner Form in dem Computer haben, will noch mal übertragen – habe also alles zumindest zweimal gemacht. Mit dem Tablet-PC und den entsprechenden Anwendungen, die darauf laufen, ist es möglich, das gleich am Computer strukturiert zu erfassen, was erst mal, wenn’s genau so schnell ist, noch keine direkte Arbeitserleichterung darstellen muss, was aber im zweiten Schritt eine direkte Arbeitserleichterung darstellt, weil: Was ich mit den Daten dann machen kann, ist eine ganze Menge. Ich kann theoretisch mit einem Knopfdruck dann meinen Arztbrief erstellen, weil ich die Daten dann schon aufbereitet vorliegen habe plus den Befunden, die dann aus anderen Geräten dazu kommen.

    Wenn Patienten ihrem Arzt erlauben, diese eventuell auf verschiedenen Servern gespeicherten Daten zu sehen, sucht das System die Daten zur Krankengeschichte auf den Speicherplätzen aller Kliniken und Arztpraxen, in denen die Patienten jemals behandelt wurden. Dies aber ist ebenso noch Zukunftsmusik, wie der Wunsch des stellvertretenden Innovationsdirektors der Deutschen Telekom Hans-Jürgen Neuerburg, sämtliche Daten in ein computergestütztes Not- und Rettungssystem zu integrieren:

    Man muss sich das so vorstellen, dass auf einem Monitor Aussagen zu sehen sind: welche Rettungsfahrzeuge sind an welchem Ort. Das wird über Satelliten festgestellt, über GPS. Man kann diesem Notarztwagen ganz bestimmte Informationen zuordnen, zum Beispiel: wer ist der Notarzt, wer ist der Fahrer. Man kann erkennen: wann ist der losgefahren, wo befindet sich gerade dieses Fahrzeug und wenn man es geschickt macht und die Daten feststellt, kann man auch wissen: wer ist überhaupt der Patient, so dass diese gesammelten Informationen auf einem Monitor in der Leitzentrale abrufbar wären.

    ...wenn dies der Datenschutz denn erlauben würde... Noch aber backt man kleine Brötchen und versucht, im Pilotprojekt zunächst einige Rettungsleitstellen, Kliniken und Arztpraxen zu vernetzen. Patienten werden als erste diese Umstellung spüren: statt des Aufnahmebogens aus Papier will man Patienten künftig den Tablet-PC in die Hand drücken und die Bedienoberfläche so vereinfachen, dass selbst die 80-jährige türkische Patientin damit zurecht käme, hofft Dr. Holger Hänsch:

    Bisher bekommt sie einen Papierbogen in die Hand gedrückt und da setzen wir ja sozusagen auch etwas voraus: was ist mit der 80-jährigen türkischen Dame, die leider nie Deutsch zu schreiben gelernt hat? Die hat mit diesem Papierbogen, der auf Deutsch verfasst ist, auch noch ein großes Problem. Dem Computer kann ich aber auch Vorlagen in vielen unterschiedlichen Sprachen eingeben. Langfristig komme ich mit dem Computer der 80-jährigen eher entgegen, glaube ich, als wenn ich weiterhin mit Papierbögen arbeite.