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Der Herzschlag der Sterne

Astronomie. - Jahrtausende lang blieben für die Astronomen die Sterne am Himmel Lichtpunkte. Selbst die besten Teleskope konnten sie nicht vergrößern. Doch seit zwei Jahren ist das anders. Mit spezieller Technik lösen die Teleskope nahe Sterne auf. Die Astronomen können Größe und Form direkt beobachten - und haben jetzt den Herzschlag eines Riesensterns beobachtet.

Von Dirk Lorenzen |
    Der nächtliche Himmel wirkt wie eine mit Sternen gespickte Fläche. Tatsächlich befinden sich die Sterne im Weltraum - doch welche Sterne sind nah? Welche fern? Für die Astronomen ist das eine knifflige Frage. Manchmal kommt ihnen die Natur zu Hilfe - denn bestimmte Sterne verraten gleichsam von selbst ihre Entfernung, erklärt Pierre Kervella, Astronom an der Pariser Sternwarte in Meudon:

    Cepheiden-Sterne verändern die regelmäßig ihre Helligkeit. Die Periode, mit der sie schwächer und wieder heller werden, hängt von der Leuchtkraft der Sterne ab: Je länger das Pulsieren dauert, desto leuchtkräftiger ist der Stern. Sehen wir irgendwo so einen Stern "blinken", dann messen wir seine Periode. Daraus folgt die Leuchtkraft des Sterns. Wir vergleichen, wie hell dieser Stern bei uns am Himmel ist, und erhalten so die Entfernung des Sterns - das ist ganz simpel.

    Ist bekannt, wie hell eine Lampe tatsächlich leuchtet, dann lässt sich aus der hier beobachteten Helligkeit ihre Entfernung bestimmen. Aber "simpel" ist das nur, wenn die Lampen, also die Cepheiden-Sterne, einmal richtig geeicht sind. Dazu müssen die Forscher für einige Sterne die Entfernung auf unabhängige Weise bestimmen - einmal geeicht, lassen sich dann mit diesen hellen, pulsierenden Sternen Entfernungen über Hunderte Millionen Lichtjahre messen. Die Cepheiden sind sozusagen das wichtigste Maßband der Astronomen - nur ist bis heute etwas unklar, wie lang dieses Maßband ist. Pierre Kervella und sein Team eichen die Cepheiden nun besser:

    Wir haben beobachtet, wie sich der Durchmesser des Sterns verändert, also wie sich der Stern periodisch aufbläht und wieder zusammenzieht. Das Licht des Sterns verrät zudem, wie schnell sich die Sternoberfläche beim Pulsieren mal auf uns zu, mal von uns weg bewegt. Damit wissen wir also, wie groß der Stern tatsächlich ist - wir vergleichen das mit seiner scheinbaren Größe bei uns am Himmel und bestimmen so seine Entfernung. Das ist erst jetzt möglich, weil wir bisher das Pulsieren nicht so gut sehen konnten!

    Die Forscher wissen dank der Beobachtungen, wie groß der Stern vor Ort ist und wie groß er bei uns am Himmel erscheint. Der Rest ist reine Geometrie: So wie ein Haus immer kleiner erscheint, aus je größerer Entfernung man es betrachtet, so lässt sich auf diese Weise erstmals die Entfernung einiger Cepheiden-Sterne direkt bestimmen. Damit ist auch klar, wie viel Licht diese Sterne aussenden - das Maßband ist mithin geeicht. Pierre Kervella und seine Kollegen haben Teleskope der Europäischen Südsternwarte in Chile auf dem Berg Paranal so raffiniert zusammengeschaltet, daß die Teleskope so scharf sehen wie ein riesiges Teleskop von 140 Metern Durchmesser - mit diesem Interferometrie genannten Trick zeigt sich erstmals der "Herzschlag" der Cepheiden...

    Die von uns untersuchten Sterne sind im Durchmesser etwa 200mal größer als die Sonne - das ist wirklich extrem groß. Die Sterne blähen sich in einigen Wochen um zehn bis 20 Prozent auf und schrumpfen wieder. Typischerweise ändern diese Sterne ihre Größe um mehr als einen Sonnendurchmesser pro Tag!

    So interessant das Pulsieren dieser riesigen Sterne auch ist. Pierre Kervella und sein Team nutzen diese Sterne nur als Messwerkzeug, um mehr über die Dimensionen des Weltalls zu erfahren.

    Mit den besseren Messinstrumenten und den weiteren Teleskopen, die bis zum nächsten Jahr auf Paranal installiert werden, wollen auch schwächere Exemplare untersuchen. Dann lassen sich die Cepheiden-Sterne noch besser eichen. Unser Ziel ist, damit letztlich die Entfernungen im All viel genauer zu bestimmen.