Dienstag, 23. April 2024

Archiv


Der Horror ist im Sport angekommen

Gen-Doping vermittelte in der Vergangenheit immer das Bild von Frankenstein oder einem Riesen-Monster. Bisher wurde es als unkontrollierbare Dopingvariante betrachtet, doch mittlerweile gibt es regulierbare Möglichkeiten. Bisher wird bei Analysen noch nicht danach gefahndet, das Kölner Zentrum für Präventive Dopingforschung hat jetzt ein Nachweisverfahren entwickelt.

Von Heinz Peter Kreuzer | 21.07.2013
    Der Doping-Alptraum ist da: Gendoping ist kontrollierbar. In der Vergangenheit war die kontrollierte Manipulation der DNA mit Fremdgenen nicht möglich. Die zusätzliche Produktion beispielsweise von EPO konnte nicht gestoppt werden, es fehlte der "Ausschalter". Nach Recherchen des Kölner Zentrums für Präventive Dopingforschung wird mittlerweile ein kontrollierbares Gendoping-Verfahren im Sport eingesetzt, von der Umsetzung her vergleichbar mit der Einnahme einer Aspirin-Tablette. Die Methode wird als RNA-Interferenz bezeichnet. Ein natürlicher Mechanismus, der der zielgerichteten Abschaltung von Genen dient. So funktioniert es: Die RNA ist der Übersetzer zwischen DNA und Zielprotein. Wird der Übersetzer zerstört, kann das Zielprotein nicht gebildet werden. Professor Mario Thevis vom Kölner Zentrum für Präventive Dopingforschung:

    "Ein Beispiel in dem Zusammenhang ist das Myostatin, Myostatin ist ein natürlicher Regulator des Muskelwachstums. Und wenn ich diesen kontrolliert für einen gewissen Zeitraum ausschalten kann, dann habe ich eine deutliche höhere Effektivität beim Muskelwachstum zu beobachten."

    Mit dem gleichen Mechanismus kann auch die Produktion von EPO und Wachstumshormon gefördert worden. Das Wichtigste dabei ist: Der Betrüger kann den Mechanismus kontrollieren, in dem er die Substanz wieder absetzt. Thevis ist überzeugt: Die neue Generation des Gendopings ist im Sport angekommen:

    "Die Möglichkeit, dass dies zum Problem wird, resultiert daraus, dass die Kontrollierbarkeit der Substanz, die verabreicht wurde, vergleichsweise gut ist, Und anzunehmen ist gegenwärtig, das ein positiver Test sehr unwahrscheinlich ist. Der Test ist neu, er ist noch nicht allen Laboratorien implementiert, und das bedeutet für den betrügerischen Sportler, dass er zumindest gegenwärtig sicher sein kann, mit solchen Herangehensweisen nicht positiv getestet werden kann. Also die Versuchung ist vergleichsweise hoch.

    Für die Dopinganalytik ist dies aber kein unlösbares Problem. Da die verabreichten Substanzen körperfremd sind, sind sie nachweisbar.

    "Allerdings können dafür konventionelle Instrumente genutzt werden, die es in den Dopingkontroll-Laboratorien gibt. Hier wird auch auf klassische Chromatografie und Massenspektrometrie gesetzt. Auf Verfahren, die auch bei anderen Substanzen wie anabolen Wirkstoffen zum Beispiel zum Einsatz kommen."

    Nach Aussage von Professor Thevis ist die Herstellung der verbotenen Substanzen kein Problem. Den Kölner Forschern gelang es innerhalb weniger Wochen, die verbotenen Substanzen produzieren zu lassen. Mit Hilfe von Tierversuchen wurde dann ein Analyseverfahren entwickelt. Ähnliches traut der Wissenschaftler auch Dopinglieferanten zu:

    "Es gibt Präparate, die in der klinischen Testphase sind, und Erfolge im Tiermodell gezeigt haben, so dass man davon ausgehen muss, das Untergrundlaboratorien in der Lage sind, solche Präparate herzustellen und auch in Umlauf zu bringen."

    Die notwendigen Substanzen sind einfach über den Schwarzmarkt zu beziehen. Noch fehlen den Dopinganalytikern genaue Informationen über das Nachweis-Zeitfenster, Schätzungen liegen im Moment bei einer Woche. Aber bei langzeitgelagerten Urinproben ist der Nachweis noch Jahre später möglich. Jetzt ist die Welt-Anti-Doping-Agentur in der Pflicht: Ein schneller weltweiter Einsatz der Nachweismethode und zusätzliche Forschungsgelder sind vonnöten.