Archiv


Der Indiana Jones der Kunst sucht nach da Vinci

Eine internationale Expertenkommission sucht in Florenz nach einem verschollenen Meisterwerk von Leonardo Da Vinci. Vermutet wird das legendäre Gemälde "Die Schlacht von Anghiari" im Palazzo Vecchio hinter einem anderen prominenten Wandbild, dem "Kampf von Marciano im Chiana-Tal" von Giorgio Vasari. Federführend ist der Ingenieur Maurizio Seracini: Er hat besondere High-Tech-Geräte entwickelt und gilt schon jetzt als Indiana Jones der Kunst.

Von Thomas Migge |
    "Ich weiß gar nicht mehr, wie oft ich eine genaue Untersuchung der Wand hinter dem Vasari beantragt habe. Jetzt endlich, hat der Kulturminister sein Ja-Wort gegeben, und eine internationale Expertenkommission darf nach dem verschollenen Leonardobild suchen, das wir hinter dem Vasariwandbild vermuten. Warum steht an einer Seite des Freskenbildes. Suche und du wirst finden, wenn dort kein anderes Kunstwerk verborgen ist? Aber solange wir keine Beweise in den Händen halten, ist alles unklar."

    Der oberste römische Kunsthüter, der Kunsthistoriker Claudio Strinati, wird mit großer Spannung die jetzt in Florenz beginnende Suche nach dem Wandbild "Die Schlacht von Anghiari" mitverfolgen. Ein Fresko mit einer Größe von 4,5 Mal 7 Meter, das Leonardo da Vinci im florentiner Palazzo Vecchio, im "Saal der 500" schuf, das sich aber hinter einem später gemalten Wandbild, dem "Kampf von Marciano im Chiana-Tal" von Giorgio Vasari befinden soll. Mitglied der Expertenkommission ist der italienische Ingenieur Maurizio Seracini. In Italien bezeichnet man ihn bereits als den "Indiana Jones der Kunst", entwickelt er doch gerade eine Technologie, mit der es möglich sein wird, hinter den Vasari zu schauen, um dem verschollenen Leonardo auf die Spur zu kommen:

    "Dieses Gemälde galt schon damals, zusammen mit der Darstellung der "Schlacht von Cascina" von Michelangelo, als das absolute Meisterwerk der Renaissance. Es wurde sogar als das unbestrittene Hauptwerk von Leonardo bezeichnet, wichtiger als sein letztes Abendmahl, seine Mona Lisa und alle anderen Werke. "

    Das legendäre Leonardo-Bild befinde sich, davon ist Ingenieur Maurizio Seracini felsenfest überzeugt, hinter Vasaris 1563 gemaltem Fresko. Auf einer Wand, die Vasari direkt vor dem berühmten Schlachtenbild des Leonardo hochziehen ließ, um den Leonardo zu verdecken und somit vor Zerstörung zu schützen. Aber warum malte Vasari ausgerechnet dort, wo Leonardo schon am Werke war? Die Medici wollten im größten Saal des Stadtpalastes ihre Taten würdigen, nicht die ihrer Vorgänger, der Republik von Florenz, an die nichts mehr erinnern sollte. Aus diesem Grund musste die gemalte Siegesdarstellung der Republik einem Siegesbild der Medici weichen.

    Seit Jahrhunderten wird nach der "Schlacht von Anghiari" gesucht, aber niemand durfte hinter dem Vasari forschen. Immer wieder wurde auch behauptet, dass sich hinter dem Vasari nichts befinde. In den letzten Jahren ist Seracini auf alte Dokumente gestoßen, aus denen deutlich hervorgeht, dass der "Saal der 500" zu Vasaris Zeiten umgebaut wurde. Vor allem jener Wand, an der Vasari malte.

    Im vergangenen Mai lies Seracini die Wand des Vasari und des Leonardo in San Diego, wo er an der Universität lehrt, nachbauen: zwei Wände, von denen eine dicht vor der anderen steht. Die verdeckte Wand ist bemalt worden, mit Farben, wie man sie zu Leonardos Zeiten nutzte. An diesem Modell testete Seracini ein Gerät, mit dem es möglich sein soll, die echte Wand in Florenz zu durchleuchten, um herauszufinden, ob sich dahinter ein anderes Freskenbild befindet. Mit Hilfe des von Seracini entwickelten Geräts kann auch herausgefunden werden, wie groß ein Bild ist und aus welchen Farben es besteht:

    "Im Juni begannen wir in San Diego mit dem Bau eines Prototypen, mit dem es möglich sein wird, das Wandmodell zu durchleuchten. Unsere Aufgabe besteht darin, eine Wand zu durchdringen, virtuell natürlich nur, um dahinter Farbpigmente zu suchen. Das Problem besteht nicht darin, die Wand zu durchleuchten, sondern wir wollen herausfinden, ob die Partikel, die die Farbpigmente ausmachen, mit den von uns benutzten Wellen interagieren."

    Maurizio Seracini Wundergerät vereint die technischen Möglichkeiten von akustischen und Gammawellen, von Neutronen- und Radarwellen. Ein Novum, das die Suche nach verschollenen Kunstwerken revolutionieren wird. Schon Ende dieses Jahres könnte die Anghiari-Schlacht entdeckt werden. Was dann? Die Kunsthistorikerin Vittoria Garibaldi zögert:

    "Das ist eine schwierige Frage! Wenn sich hinter dem Vasari das legendäre Schlachtenbild des Leonardo da Vinci befindet, sollte es auf jeden Fall geborgen werden. Dafür müsste das Gemälde des Vasari entfernt werden, ohne es zu beschädigen. Das ist möglich, doch es wird mehr Geld kosten, als das Kulturministerium hat. Ich hoffe, es finden sich dann Sponsoren, denn dieses Leonardobild ist extrem wichtig für die Geschichte der Abbildung heftiger Bewegungen. Leonardo hat mit diesem Bild die Kunstgeschichte revolutioniert."