Bettina Klein: Der iranische Präsident Mahmud Ahmadinedschad hat mit seiner Rede vor der Antirassismuskonferenz der Vereinten Nationen in Genf gestern weltweit Empörung ausgelöst. UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon warf ihm vor, das Treffen für eine Diskriminierung Israels missbraucht zu haben. Frankreichs Staatspräsident Sarkozy sprach von einer Hassrede. Die US-Regierung forderte Ahmadinedschad auf, seine aufhetzerische Rhetorik zu beenden. Der iranische Präsident - wir haben es eingangs der Sendung noch einmal vorgespielt - hatte Israel mit Blick auf die Palästinenser als "barbarisches und rassistisches Regime" bezeichnet. Vertreter der Europäischen Union hatten daraufhin - auch das war zu hören - das Plenum der Konferenz verlassen. Mehrere Staaten, darunter die USA und ja auch Deutschland, hatten sich von vornherein für ein Fernbleiben entschieden.
Was bedeuten die Äußerungen Ahmadinedschads für Israel, für Deutschland und für die Juden in aller Welt? Das fragte mein Kollege Mario Dobovisek gestern Abend den Vizepräsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland, Dieter Graumann.
Dieter Graumann: Die Äußerungen des iranischen Präsidenten sind genauso schlimm wie befürchtet, aber sie sind auch überhaupt keine Überraschung. Der iranische Präsident ist ja kein Neuling, kein Neuling auf der politischen Bühne, er ist ein erklärter Holocaust-Leugner, seit vielen Jahren ruft er auf dazu, Israel zu vernichten, er leugnet mit seinem Regime gemeinsam den historischen Holocaust und bereitet gleichzeitig den nächstmöglichen vor. Wir wissen also genau, mit wem wir es zu tun haben. Das war also keine Überraschung für uns.
Mario Dobovisek: Ist das deutsche Fernbleiben von der Konferenz richtig?
Graumann: Aber absolut richtig und es ist ja auch noch einmal ausdrücklich bestätigt worden. Die Bundesregierung hat eine kluge, eine mutige und konsequente Entscheidung getroffen. Das war richtig. Sie hat sich verweigert dieser Inszenierung von Hass und Hetze. Ich glaube, sie hat das richtige Signal gesetzt. Dort nicht dabei zu sein, bedeutet eine Auszeichnung und eine Aussage zugleich, und ich glaube, wir können auch alle gemeinsam ein bisschen stolz sein auf eine solche moralische Fundamentierung deutscher Politik. Das ist nicht selbstverständlich. Moralische Prinzipien statt eiskalter Pragmatismus, darauf können wir gemeinsam alle zusammen auch ein bisschen stolz sein.
Dobovisek: Wäre es aber, Herr Graumann, nicht auf der anderen Seite auch intelligent, Ahmadinedschad und seine Beschimpfungen auf einer solchen Konferenz gemeinsam bloßzustellen und sich dann der inhaltlichen Arbeit zu widmen, etwa mit einem ausgegrenzten Iran?
Graumann: Der Iran muss ja generell ausgegrenzt werden, geächtet werden. Das betrifft ja nicht nur die UNO und das geschieht ja viel zu wenig. Aber ich glaube, der Schritt der Bundesregierung war ein deutliches Signal, ein klares Zeichen. Es ist auch eine Frage der moralischen Selbstachtung, nicht Teil zu sein bei einer solchen Inszenierung von Hetze, bei einem solchen Spektakel von Doppelmoral und Heuchelei. Man muss sich mal vorstellen, was da geschieht: der iranische Präsident, der doch direkt aus dem Gruselkabinett von Terror und Verbrechen kommt, belehrt die Welt über Menschenrechte. Das ist doch ein solches absurdes Theater, eine Farce. Da sollte kein Staat, der etwas auf sich hält, dabei sein.
Dobovisek: Stellen Sie damit internationale Konferenzen wie diese generell in Frage, Herr Graumann?
Graumann: Nein. Natürlich, selbstverständlich muss man Konferenzen international abhalten. Aber hier geht es um das Thema Menschenrechte und es geht darum, überhaupt ein Signal zu setzen, ein Zeichen zu setzen. Das hat die Bundesregierung getan. Aber Sie haben Recht: es muss natürlich sehr viel mehr getan werden. Der Iran und das Regime, das so widerlich ist und verbrecherisch ist und bleibt, muss international geächtet werden. Das betrifft aber auch zum Beispiel - lassen Sie mich das hinzufügen - die Wirtschaftsbeziehungen. Die Wirtschaftsbeziehungen zwischen der Bundesrepublik und dem Iran blühen. Die Exporte haben letztes Jahr um zehn Prozent zugenommen. Die Geschäfte blühen, während die Moral verkümmert. Hier stimmt etwas nicht.
Dobovisek: Wie soll dann die internationale Gemeinschaft mit Ländern wie dem Iran umgehen? Tatsächlich auch so ein totaler Wirtschaftsboykott?
Graumann: Ich glaube, es ist richtig, dem iranischen Regime, das doch den Antisemitismus zur Staatsräson erklärt hat, das amtierender Weltmeister in Sachen Antisemitismus ist, zu zeigen, dass es geächtet wird. Das muss politisch geschehen, das muss diplomatisch geschehen, das muss aber auch ökonomische Auswirkungen haben - selbstverständlich. Es kann nicht sein, dass ausgerechnet deutsche Firmen dabei sind, an vorderster Front dieses Regime faktisch zu stützen. Hier müsste sich etwas ändern.
Dobovisek: Warum fällt es Ihrer Meinung nach der EU so schwer, im Streit zwischen Iran und Israel eine gemeinsame Position zu finden?
Graumann: Wir sehen doch auch an diesem Fall, dass eine gemeinsame europäische Politik noch immer ein Wunschtraum ist, der offenbar Lichtjahre entfernt liegt. Es gibt sehr unterschiedliche Interessen bei den vielen europäischen Regierungen. Wir haben es ja auch gesehen: Es gibt ökonomische Interessen, es gibt politische Präferenzen ganz unterschiedlicher Art, und ich glaube, wir werden noch sehr lange auf eine gemeinsame Politik warten müssen.
Dobovisek: Hat die gemeinsame Außenpolitik denn derzeit versagt?
Graumann: Das sehen wir doch ganz offensichtlich, dass sie versagt hat, dass sie gar nicht existiert. Aber ich glaube, wir sollten nicht nur darüber jammern. Statt dass alle europäischen Regierungen zusammen das Falsche tun, ist es wichtig, dass einige das Richtige tun, und die Bundesregierung hat hier absolut das Richtige getan.
Dobovisek: Und was erwarten Sie von der Bundesregierung jetzt auch im Kanon der Europäischen Union?
Graumann: Ich wünsche mir, dass die Bundesregierung diesen Weg weitergeht, das iranische Regime geächtet wird, und ich würde mir auch wünschen, dass die Bundesregierung noch ein Stück konsequenter vorgeht im ökonomischen Bereich, dass sie darauf achtet, dass deutsche Firmen nicht so wild darauf sind und erfolgreich sind im deutsch-iranischen Handel, denn auf diese Weise wird dieses Regime gestützt und unterstützt und vorangebracht und das ist nicht in unserem Interesse. Das geht auch nicht zusammen mit den Prinzipien von Menschenrechten, denn das iranische Regime unterdrückt seine eigene Bevölkerung auf eine schreckliche, auf eine barbarische Weise und dem sollten wir überall viel mehr Rechnung tragen.
Klein: Ein Gespräch mit Dieter Graumann, Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland.
Was bedeuten die Äußerungen Ahmadinedschads für Israel, für Deutschland und für die Juden in aller Welt? Das fragte mein Kollege Mario Dobovisek gestern Abend den Vizepräsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland, Dieter Graumann.
Dieter Graumann: Die Äußerungen des iranischen Präsidenten sind genauso schlimm wie befürchtet, aber sie sind auch überhaupt keine Überraschung. Der iranische Präsident ist ja kein Neuling, kein Neuling auf der politischen Bühne, er ist ein erklärter Holocaust-Leugner, seit vielen Jahren ruft er auf dazu, Israel zu vernichten, er leugnet mit seinem Regime gemeinsam den historischen Holocaust und bereitet gleichzeitig den nächstmöglichen vor. Wir wissen also genau, mit wem wir es zu tun haben. Das war also keine Überraschung für uns.
Mario Dobovisek: Ist das deutsche Fernbleiben von der Konferenz richtig?
Graumann: Aber absolut richtig und es ist ja auch noch einmal ausdrücklich bestätigt worden. Die Bundesregierung hat eine kluge, eine mutige und konsequente Entscheidung getroffen. Das war richtig. Sie hat sich verweigert dieser Inszenierung von Hass und Hetze. Ich glaube, sie hat das richtige Signal gesetzt. Dort nicht dabei zu sein, bedeutet eine Auszeichnung und eine Aussage zugleich, und ich glaube, wir können auch alle gemeinsam ein bisschen stolz sein auf eine solche moralische Fundamentierung deutscher Politik. Das ist nicht selbstverständlich. Moralische Prinzipien statt eiskalter Pragmatismus, darauf können wir gemeinsam alle zusammen auch ein bisschen stolz sein.
Dobovisek: Wäre es aber, Herr Graumann, nicht auf der anderen Seite auch intelligent, Ahmadinedschad und seine Beschimpfungen auf einer solchen Konferenz gemeinsam bloßzustellen und sich dann der inhaltlichen Arbeit zu widmen, etwa mit einem ausgegrenzten Iran?
Graumann: Der Iran muss ja generell ausgegrenzt werden, geächtet werden. Das betrifft ja nicht nur die UNO und das geschieht ja viel zu wenig. Aber ich glaube, der Schritt der Bundesregierung war ein deutliches Signal, ein klares Zeichen. Es ist auch eine Frage der moralischen Selbstachtung, nicht Teil zu sein bei einer solchen Inszenierung von Hetze, bei einem solchen Spektakel von Doppelmoral und Heuchelei. Man muss sich mal vorstellen, was da geschieht: der iranische Präsident, der doch direkt aus dem Gruselkabinett von Terror und Verbrechen kommt, belehrt die Welt über Menschenrechte. Das ist doch ein solches absurdes Theater, eine Farce. Da sollte kein Staat, der etwas auf sich hält, dabei sein.
Dobovisek: Stellen Sie damit internationale Konferenzen wie diese generell in Frage, Herr Graumann?
Graumann: Nein. Natürlich, selbstverständlich muss man Konferenzen international abhalten. Aber hier geht es um das Thema Menschenrechte und es geht darum, überhaupt ein Signal zu setzen, ein Zeichen zu setzen. Das hat die Bundesregierung getan. Aber Sie haben Recht: es muss natürlich sehr viel mehr getan werden. Der Iran und das Regime, das so widerlich ist und verbrecherisch ist und bleibt, muss international geächtet werden. Das betrifft aber auch zum Beispiel - lassen Sie mich das hinzufügen - die Wirtschaftsbeziehungen. Die Wirtschaftsbeziehungen zwischen der Bundesrepublik und dem Iran blühen. Die Exporte haben letztes Jahr um zehn Prozent zugenommen. Die Geschäfte blühen, während die Moral verkümmert. Hier stimmt etwas nicht.
Dobovisek: Wie soll dann die internationale Gemeinschaft mit Ländern wie dem Iran umgehen? Tatsächlich auch so ein totaler Wirtschaftsboykott?
Graumann: Ich glaube, es ist richtig, dem iranischen Regime, das doch den Antisemitismus zur Staatsräson erklärt hat, das amtierender Weltmeister in Sachen Antisemitismus ist, zu zeigen, dass es geächtet wird. Das muss politisch geschehen, das muss diplomatisch geschehen, das muss aber auch ökonomische Auswirkungen haben - selbstverständlich. Es kann nicht sein, dass ausgerechnet deutsche Firmen dabei sind, an vorderster Front dieses Regime faktisch zu stützen. Hier müsste sich etwas ändern.
Dobovisek: Warum fällt es Ihrer Meinung nach der EU so schwer, im Streit zwischen Iran und Israel eine gemeinsame Position zu finden?
Graumann: Wir sehen doch auch an diesem Fall, dass eine gemeinsame europäische Politik noch immer ein Wunschtraum ist, der offenbar Lichtjahre entfernt liegt. Es gibt sehr unterschiedliche Interessen bei den vielen europäischen Regierungen. Wir haben es ja auch gesehen: Es gibt ökonomische Interessen, es gibt politische Präferenzen ganz unterschiedlicher Art, und ich glaube, wir werden noch sehr lange auf eine gemeinsame Politik warten müssen.
Dobovisek: Hat die gemeinsame Außenpolitik denn derzeit versagt?
Graumann: Das sehen wir doch ganz offensichtlich, dass sie versagt hat, dass sie gar nicht existiert. Aber ich glaube, wir sollten nicht nur darüber jammern. Statt dass alle europäischen Regierungen zusammen das Falsche tun, ist es wichtig, dass einige das Richtige tun, und die Bundesregierung hat hier absolut das Richtige getan.
Dobovisek: Und was erwarten Sie von der Bundesregierung jetzt auch im Kanon der Europäischen Union?
Graumann: Ich wünsche mir, dass die Bundesregierung diesen Weg weitergeht, das iranische Regime geächtet wird, und ich würde mir auch wünschen, dass die Bundesregierung noch ein Stück konsequenter vorgeht im ökonomischen Bereich, dass sie darauf achtet, dass deutsche Firmen nicht so wild darauf sind und erfolgreich sind im deutsch-iranischen Handel, denn auf diese Weise wird dieses Regime gestützt und unterstützt und vorangebracht und das ist nicht in unserem Interesse. Das geht auch nicht zusammen mit den Prinzipien von Menschenrechten, denn das iranische Regime unterdrückt seine eigene Bevölkerung auf eine schreckliche, auf eine barbarische Weise und dem sollten wir überall viel mehr Rechnung tragen.
Klein: Ein Gespräch mit Dieter Graumann, Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland.
