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Der Kampf David gegen Goliath

Wegen fehlender Studienplätze, Seminarangebote und hoher Semestergebühren legen sich Studierende juristisch mit ihren Hochschulen an: ein Kampf David gegen Goliath. Doch bisweilen kann David auch gewinnen.

Von Daniela Siebert | 08.04.2010
    Das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main gab beispielsweise im März einem FH-Studierenden Recht, der mit seinem Bachelorabschluss ein Masterstudium an der Frankfurter Goethe-Universität aufnehmen wollte und von der Uni abgewiesen wurde, weil sein Notendurchschnitt zu schlecht sei. Für den Studiengang "Master of Science Management" verlangt die Uni eine Mindest-Note von 2,5 - der Student kam aber nur auf 2,8. Das ist unerheblich befand das Gericht, da es keine "rechtswirksame, die Zulassungsvoraussetzungen regelnde Prüfungsordnung" gebe. Daniela Siebert hat in Berlin einen Rechtsanwalt besucht, der sich mit solchen Fällen auskennt und weiß, wann Klagen Sinn macht.

    Rechtsanwalt Matthias Trenczek wundert sich nicht über den Ausgang des Frankfurter Verfahrens. Denn der Experte für Verwaltungsrecht hat schon viele vergleichbare Fälle für andere Studierende durchgefochten.

    "Das Problem gibt es sowohl in Berlin als auch in Brandenburg wie auch in anderen Orten: Dass tatsächlich die einzelne Hochschule der Meinung war, sie könne eine Notengrenze festlegen für Leute, die sie grundsätzlich zulässt bei Masterstudiengängen. Das gilt als verfassungswidrig, weil: Ich kann die Note zwar heranziehen, wenn ich eine Rangliste bilde, weil ich nicht genug Studienplätze habe, aber ich kann das nicht als Ausschlusskriterium nutzen. Wer das Diplom oder das entsprechende Bachelorstudium absolviert hat, hat sich entsprechend qualifiziert und darf sich bewerben."

    Der Bedarf an Rechtsberatung für Studierende ist riesig. Das zeigt schon allein die Nachfrage, wenn Matthias Trenzcek alle zwei Wochen an der Berliner Humboldt-Universität eine kostenlose Rechtsberatung anbietet. Wie in einem Taubenschlag geht es zu. Dabei kommen auch Menschen, die noch gar nicht studieren; so wie diese 24-jährige Physiotherapeutin, die gerne Medizin studieren würde, aber einen negativen ZVS-Bescheid bekommen hat.

    "Ich hab auch schon eine abgeschlossene Ausbildung und hab mich jetzt beworben, sowohl in Berlin als auch an anderen Unis und wollte mich jetzt noch einmal informieren, ob man Widerspruch einlegen kann oder ob man tatsächlich eine reelle Chance hat, wenn man sich jetzt einklagt."

    Nach kurzem Gespräch und einigen Rückfragen durch den Anwalt ist klar. Sie könnte am Losverfahren teilnehmen und dabei versuchen, einen Studienplatz einzuklagen. Aber:

    "Man muss rechnen, wie viel gibt man aus. Weil: Man bleibt immer - inzwischen - auf einem nicht unerheblichen Teil des Geldes sitzen. Bis auf ganz wenige Ausnahmen sind alle Verwaltungsgerichte dazu übergegangen, bei Losverfahren, die Kostenquote nach dem Losglück zu bilden. Alle, die am Losverfahren teilnehmen, bilden die 100 Prozent und da wird das dann für jedes Verfahren extra aufgeteilt. Das heißt, man bleibt immer auf Kosten sitzen, in jedem Verfahren. Physiotherapeutin: Das hört sich erstmal nicht so gut an."

    Bei den Problemen, mit denen Studierende zu ihm kommen, gibt es ganz klare Spitzenreiter erzählt Trenzcek in einer Kaffeepause: Entweder wird ihnen die Teilnahme an einem Kurs oder einer Prüfung verweigert…

    "… oder aber sie sind jetzt in der Umstellung noch in den alten Studiengängen und haben Schwierigkeiten, die zu Ende zu studieren. Das ist eigentlich zurzeit das wichtigste Thema."

    Nicht immer ist eine Klage der beste Weg, selbst wenn die Aussicht auf Erfolg hätte. Das zeigt das Fallbeispiel dieses Philosophiestudenten, der kurz vor Ende des Bachelorstudiums von Potsdam nach Berlin wechseln möchte.

    "Ich bin hier zum Prüfungsausschuss gegangen und hab mich einstufen lassen. Und da wurde mir gesagt, für zwei Kurse aus Potsdam wird mir hier einer in Berlin anerkannt. Da hab ich gesagt, gut dann würde ich hier im vierten Fachsemester anfangen und jetzt drehen sie mir daraus einen Strick und sagen, ich kann deswegen nicht aufgenommen werden. Und jetzt überleg ich: Macht dieses Schreiben Sinn, mich einzuklagen? Ich denke schon!"

    Dem Studenten fehlt zum Bachelorabschluss eigentlich nur noch die Abschlussarbeit. Eine Klage gegen seinen Anerkennungsbescheid wäre möglich, würde aber über ein Jahr dauern. Trenczek rät deshalb von einer Klage ab und empfiehlt:

    "Schreib die Modularbeit, mach den Bachelor fertig und bewirb dich dann. Das müssen sie dann anerkennen. Da können sie nicht kommen mit ihren Sperenzien."

    Der Zeitverlust ist ein Grund, der oft gegen eine Klage spricht. Der andere ist das damit verbundene finanzielle Risiko. Das sind einmal die Gerichtskosten. Und: Selbst wenn man als Student keinen Rechtsanwalt einschaltet, kann es passieren, dass man die Anwälte der Gegenseite bezahlen muss. Und man braucht auch Mut gegen die eigene Uni oder Prüfer zu klagen, denn denen kann man im nächsten Seminar wieder gegenübersitzen.

    Trotzdem kann sich der Weg lohnen. Vor ein paar Semestern erstritten beispielsweise Studierende der Humboldt-Universität vor dem Berliner Verwaltungsgericht quasi eine Verdoppelung der Studienplätze für Grundschulpädagogen: Am Ende musste die Hochschule 110 Studienplätze anbieten statt 65 wie vorgesehen. Manchmal gewinnt eben doch David gegen Goliath.