Freitagmorgen, 7 Uhr. Die Müllmänner sind unterwegs zu ihrer sprichwörtlichen Drecksarbeit. Denn eigentlich wollen ihn ja alle loswerden, den Müll. Bis vor rund zehn Jahren betrachteten auch Städte und Gemeinde das Einsammeln von Essensresten, leeren Dosen und zerfetzten Plastiktüten vor allem als lästige Pflicht. Heute sieht das anders aus, sagt Armin Rockholz. Er ist Leiter des Referats Kreislauf- und Abfallwirtschaft beim Deutschen Industrie- und Handelstag:
"Während vor zehn Jahren noch insbesondere die Politik gegenüber der Wirtschaft sagte: `Wir ersticken im Müll´, gibt es heute einen Kampf um den Müll. Das heißt, derjenige, der Müll hat, verdient offensichtlich nicht schlecht daran."
"Die verdienen bestimmt nicht schlecht daran" - das sagen sich wohl auch viele Verbraucher, wenn sie ihre Gebührenrechnung sehen. Bis zu 970 Mark im Jahr muss zum Beispiel ein Vier-Personen-Haushalt in Nordrhein-Westfalen nach Berechnung des Bundes der Steuerzahler für seine Abfall-Entsorgung entrichten. Obwohl die Bürger fleißig Altpapier und Flaschen sammeln und Verpackungen wiederverwerten, sind die Gebühren in den vergangenen zehn Jahren bundesweit gestiegen. Ein wesentlicher Grund: Die in den achtziger und neunziger Jahren für teures Geld gebauten Entsorgungs-Anlagen vieler Kommunen sind nicht ausgelastet. Wie es dazu kommen konnte, schildert Susanne Hempen vom Naturschutzbund Deutschland:
Man muss hier von zwei Entwicklungen ausgehen, zum einen hat sicherlich im Zuge des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes eine Vermeidung von Müllmengen stattgefunden, parallel dazu gibt es aber eine andere Entwicklung, nämlich das Billig-Dumping von Müll, so dass in vielen hochwertigen Müllverbrennungsanlagen kaum noch Müll anfällt, weil er auf nicht abgedichtete Deponien gekippt wird."
Das allerdings ist völlig legal. Denn diese Deponien dürfen noch bis zum Jahr 2005 genutzt werden. Danach ist es mit der klassischen Müllhalde vorbei. Abfälle sollen nicht mehr einfach abgekippt, sondern vorbehandelt werden. Das bedeutet, sie werden verbrannt oder verrotten kontrolliert in eigens dafür gebauten Mechanisch-Biologischen Anlagen. Der Vorteil: Die Asche und die Rückstände, die schließlich auf die Deponie wandern, geben weder giftige Gase an die Luft ab, noch Schadstoffe ans Grundwasser. Ein Fortschritt, meint Susanne Hempen:
"Sonst haben wir es hier mit einer Zeitbombe zu tun, mit einer Chemiezeitbombe. Wenn man sich so vorstellt, was alles auf einer Deponie landet, dann kann man sich vorstellen, dass das ein Chemiecocktail ist, der reagieren kann, der sowohl Emissionen in die Luft als auch ins Wasser ablässt, und das soll eben vermieden werden."
Die entsprechende Gesetzesvorschrift wurde bereits 1993 erlassen - mit der langen Übergangsfrist bis 2005. Diese wird nun von einigen Kommunen genutzt, um ihre alten Deponien noch schnell aufzufüllen. Andere Gemeinden bauten sofort teure Müllverbrennungsanlagen - das erklärt die gewaltigen Unterschiede zwischen den Gebühren verschiedener Städte und Landkreise:
Es gibt eben Kommunen, die haben gesagt: Wir wollen uns umwelt-freundlich verhalten, wir investieren in die neue Technologie - damals war das eben die Müllverbrennungstechnologie - wir bauen hochwertige, sichere Anlagen. Das kostet ne Menge Geld. Dieses Geld hat man sich von den Bürgern zurückgeholt, das heißt: Jede Tonne Müll, die dort verbrannt wird, hat seinen Preis. Dareden wir so um die 300 Dm pro Tonne. Andere Kommunen haben gesagt: Wir nutzen den Zeitraum bis 2005 aus und kippen das in die Deponie. Unbehandelt und ohne die Deponie abzudichten. Das hat zu einem Preis-Leistungsgefälle geführt. Das heißt, wir haben Kommunen, die nur teure, aber sichere Müll-Entsorgung anbieten, auf der anderen Seite haben wir Kommunen, die eine billige, aber nicht umweltfreundliche Entsorgung anbieten. Das hat dazu geführt, dass viele Kommunen unter dem sogenannten Müllnotstand leiden.
Allein in Nordrhein-Westfalen reicht die Preis-Spanne für einen Vier-Personen-Haushalt von 189 Mark bis 970 Mark jährlich.
Als eine der Haupt-Ursachen dafür macht der Bund der Steuerzahler die 16 Müllverbrennungsanlagen im Land aus. Diese Überkapazitäten waren vermeidbar, meint Petra May von der Kölner Initiative zur Müllvermeidung und Müllverwertung. Sie setzte sich schon in den frühen 90er Jahren gegen den Bau einer Müllverbrennungsanlage in Köln ein:
"Bereits 1993 war klar, dass eine Anlage in dieser Kapazität sich nicht lohnt. Es gibt ein Gutachten aus dem Jahre `93, die ITU-Analyse, die von einem Vermeidungs- und Verwertungspotential des Kölner Hausmülls in Höhe von 66 Prozent ausging. Darüber hinaus haben sich in den folgenden Jahren große Überkapazitäten in Müllverbrennungsanlagen abgezeichnet, zum Beispiel in Bonn, aber auch in Aachen-Weisweiler, die heute mit Müll aus der Niederlande und Belgien bestückt wird."
Mittlerweile laufen Musterklagen von Bürgern, die nicht dafür bezahlen möchten, dass ihre Gemeinde in derzeit überflüssige Anlagen investiert. Doch Überkapazitäten gibt es selbst in Städten, die auf die abnehmenden Abfallmengen reagierten. Die Stadt München zum Beispiel legte 1990 die Pläne für eine dritte Müllverbrennungs-Anlage auf Eis, eine weitere wurde 1997 geschlossen. Die noch verbliebene Anlage wird gerade mal voll. Der Leiter des Münchner Abfall-Amtes, Axel Markwardt, erläutert, warum ihm der Rückgang der Müll-Massen nicht nur Freude macht:
"Das stellt deswegen vor allen Dingen deswegen ein Problem dar, weil die Kapazitäten, mit denen diese Anlagen geplant worden sind, das sind Kapazitäten aus den 70er und 80er Jahren, natürlich mit diesem dramatischen Rückgang nicht gerechnet haben, und deshalb haben wir zunächst mal Überkapazitäten gehabt."
Das Problem ist zum Teil dadurch entstanden, dass die kommunalen Entsorger nicht mehr alle Gewerbe-Abfälle bekommen. Denn die Unternehmen dürfen seit 1996 die Abfälle, die wiederverwertbar sind, selbst recyclen lassen - oder von einem privaten Entsorger. Da das oft billiger ist, sinkt die Abfallmenge in den kommunalen Anlagen. Deren Betriebe werden jetzt größtenteils von den Privat-Haushalten finanziert.
Um diesem Problem zu begegnen, bietet zum Beispiel die Stadt München den Unternehmen Sonderkonditionen an: Sie können ihre Abfälle in der Müllverbrennungsanlage "verwerten" lassen. Das heißt, auch dieser Müll wird verbrannt. Weil dabei aber Energie entsteht, ist diese Form von Verwertung im Gesetz durchaus vorgesehen - entscheidend ist dabei der "Heizwert" des Abfalls. Nur: Damit die Unternehmen dieses Angebot wahrnehmen, kostet die Verbrennung ihrer verwertbaren Abfälle weniger als das Einäschern normalen Mülls. Und damit bezahlen sie auch weniger als der Normalverbraucher, dessen gesamter Haushaltsmüll zum Einheitspreis verbrannt wird - egal, ob Teile davon verwertbar sind.
"Unterm Strich ist das für den Münchner Gebührenzahler natürlich ein schlechtes Geschäft, denn diese Einnahmen aus der energetischen Verwertung sind allenfalls Kostendeckungs-Beiträge, sie decken aber nicht die Gesamtkosten."
Um die kommunalen Anlagen zu füllen, haben die Landes-Umweltminister gefordert, alle gemischten Abfälle wieder der städtischen Müll-Abfuhr zu überlassen. Damit handelten sie sich heftige Kritik aus der Wirtschaft ein. Armin Rockholz vom Deutschen Industrie- und Handelstag:
"Man kann nicht umweltpolitisch fordern, dass einerseits die Unternehmen mehr vermeiden und verwerten sollen, und andererseits sich jetzt die Kommunen darüber beschweren, dass jetzt ihre kommunalen Anlagen unterversorgt sind. Der DIHT ist der Ansicht, dass es hier weniger um Umweltpolitik, sondern um öffentlich-rechtliches Geschäftsinteresse geht."
In der Tat scheint die Forderung der Länder umweltpolitisch fragwürdig. Für die Umwelt müsste es doch gut sein, wenn die Unternehmen den Abfall, den sie produzieren, selbst verwerten müssen. Das entspricht dem Verursacher-Prinzip. Doch die Kommunen vermuten, dass sich hinter dem Etikett "Verwertung" teilweise etwas ganz anderes verbirgt. Axel Markwardt vom Münchner Abfall-Amt:
"Völlig im Dunkeln liegt die Menge, die gar nicht unsere Anlage erreicht, also die Abfälle, die aus München heraus irgendwo in Billigdeponien, nach Thüringen, irgendwo in Ostdeutschland vebracht werden oder in andere sogenannte Substandard-Anlagen. Hierüber haben wir keine gesicherten Erkenntnisse, wir können nur aus der Abfallmengen-Entwicklung schließen, dass eine ganz, ganz große Zahl dieser Mengen in Substandard-Anlagen tatsächlich geht."
Susanne Hempen vom deutschen Naturschutzbund wird deutlicher:
"Es gibt da einen ganz wilden Müllhandel, das ist ja nach dem Kreislaufwirtschaftsgesetz so, Gewerbeabfälle können über die Kommune entsorgt werden, können aber auch an private Dritte weitergegeben werden zur Entsorgung. Und da sucht sich natürlich der Gewerbetreibende die billigere Möglichkeit aus, das heißt: Er kann sagen, mein Abfall ist ein Abfall zur Verwertung, und ich gebe das ab an einen Müllverwerter. Da gibt es solche Beispiele: Da finden Sie an bestimmten Deponien Sortierbänder. Die sortieren aber gar nicht, sondern das läuft einfach nur einmal drüber. Damit ist sozusagen dem Gesetz Genüge getan, es ist sortiert worden, deshalb ist es ein Abfall zur Verwertung und deswegen kann´s dann gleich auf die Mülldeponie gekippt werden. Ist billiger!"
Obwohl diese Tricks bekannt sind, sei es schwer, die Schummelei zu unterbinden, meint die Umweltschützerin.
"Ganz schwierig. Erstens haben die Kontrollen nachgelassen, zum Zweiten handelt es sich häufig um sogenannte mobile Sortier-Anlagen, das heißt, die sind sozusagen zusammenklappbar und können also vor, hinter oder auf die nächste Deponie gefahren werden. Das heißt, wir haben also erstmal einen Müllhandel, der kreuz und quer durch die Bundesrepublik fährt, und kreuz und quer irgendwas sortiert, und eine Kontrolle ist sehr schwierig. Grundsätzlich halten wir es für wichtig, dass es zu einer sogenannten Renaissance der Kontrolle kommt, dass wir wieder verstärkt kontrollieren. Also wir haben grundsätzlich nichts dagegen, wenn eine Kommune einen privaten Auftragnehmer beauftragt mit bestimmten Bereichen der Abfallbeseitigung. Es ist enfach ne Frage, wie akkurat arbeitet ne Kommune, da gibt es auch solche und solche, das ist genau wie bei den privaten Betreibern. Wichtig ist eben, das also in den staatlichen Kontrollbehörden wieder vermehrt mal nachgeschaut wird."
Das Volumen dieses unkontrollorierbaren Müllhandels schätzt der Nabu auf fünf Millionen Tonnen im Jahr. Doch selbst da, wo die Kontrollen greifen, ist umstritten, welche Abfälle verwertbar sind und welche nicht. Diese Frage hat schon mehrfach die Gerichte beschäftigt. Die einmütige Kritik aller Beteiligten lautet: Die gesetzlichen Kriterien sind zu schwammig. Das hat unangenehme Folgen auch für die Unternehmen, beklagt der Deutsche Industrie- und Handelstag. Noch einmal Armin Rockholz:
"Rechtssicherheit ist entscheidend für die Unternehmen, denn je nachdem, ob es sich um Abfall zur Verwertung oder Abfall zur Beseitigung handelt, gehört der Abfall den Kommunen oder gehört der Abfall den Unternehmen. Und dabei geht es bekanntlich um sehr viel Geld."
Die Forderung des Wirtschaftsverbandes lautet deswegen:
"Wir sind für eine sehr klare gesetzliche Abgrenzung, wir sind aber auch für eine einfache gesetzliche Abgrenzung. Die jetzigen Kriterien des Kreislaufwirtschaftsgesetzes sind kaum justitiabel, das hängt sicherlich hauptsächlich damit zusammen, dass damals das Kreislaufwirtschaftsgesetz im Vermittlungsausschuss ein wenig hopplahopp verabschiedet wurde."
Mit dieser Forderung trifft der DIHT auch bei Umweltverbänden und öffentlich-rechtlichen Entsorgern auf offene Ohren. Eine Einigung auf klarere Kriterien zur Unterscheidung zwischen den Abfall-Arten scheint also möglich - den Streit um den Müll wird sie auf die Dauer allerdings kaum beenden. Denn die Entsorgungswirtschaft will auch an den Hausmüll heran. Schon jetzt holen private Unternehmen ihn in vielen Städten ab - aber nur als Auftragnehmer der Gemeinden. Das sollte sich ändern, meint Armin Rockholz:
"Ich glaube, es ist höchste Zeit, dass man auch in der kommunalen Daseinsvorsorge im Bereich der Abfall-Entsorgungswirtschaft neu überlegt: Was muss eine Kommune künftig für Aufgaben übernehmen, und was kann die private Entsorgungswirtschaft künftig tun. Inzwischen wird ja über die Hälfte ohnehin durch private Entsorgungsunternehmen - allerdings sehr stark im Auftrag der Kommunen - entsorgt, und der DIHT fordert deshalb, die Rolle der Kommunen neu zu definieren, neu zu organisieren: Was macht künftig eine Kommune, und was macht hier das private Entsorgungs-Unternehmen."
Eines der großen privaten Entsorgungsunternehmen ist die Firma Rethmann. Das Unternehmen aus Lünen entsorgt mittlerweile den Abfall zahlreicher Ruhrgebiets-Städte. Und es denkt daran, seinen Einzugsbereich auszuweiten, sagt Prokurist Jürgen Maute:
Wir sind weiterhin daran interessiert, unser Unternemhen regional aber auch überregional weiter nach vorne zu bringen, wir sehen da durchaus in den Märkten, wie sie sich darstellen, Chancen, unser Unternehmen weiter nach vorne zu bringen, und wir sehen insbesondere im Bereich der Privatisierung von Großstädten einen durchaus chancenreichen Markt, wir haben uns hier, gerade in Nordrhein-Westfalen, woe Sie im Augenblick eine Privatisierungswelle in den Großstädten vorfinden, haben wir uns an vielen Stellen mit der Verwaltung, mit der Politik, in die entsprechenden Gespräche begeben."
Die Privatisierungswelle führt Maute nicht nur auf die leeren öffentlichen Kassen zurück, sondern auch auf die leeren öffentlichen Müll-Anlagen:
"Die Abfallmärkte brechen aus ihrer lokalen Bedeutung heraus, das heißt also, Mengen- und Massenströme werden heute nicht mehr nur innerhalb von 25 Kilometern erarbeitet und überführt, sondern die Bedeutung der bestehenden Anlagen kann nur dadurch gewährleistet sein, indem man also auch hier über überregionale Massenströme verfügt. Und das Unternehmen Rethamnn ist überregional organisiert und könnte hier eben auch durch das ZurVerfügungstellen von Massenströmen aus anderen Gebieten durchaus ein interessanter Partner sein."
Die Firma Rethmann könnte sich gut vorstellen, den Haushaltsmüll demnächst eigenverantwortlich zu entsorgen - und nicht mehr als Auftragnehmer von Städten und Gemeinden. Eine Privatisierung der Abfallwirtschaft sei im Interesse der Verbraucher, sagt der private Müllunternehmer Jürgen Maute:
Wir haben in vielen Bereichen des täglichen Lebens, bei der Stromversorgung, demnächst im Gasbereich, im Telekommunikationsbereich, heute freie Märkte, das heißt der Bürger kann sich hier selbst entscheiden, wenn er das denn will, seine Dienstleistung frei am Markt über den Preis einzukaufen, und ich glaube, das wird auch zukünftig in diesem Bereich eines der entscheidenden Merkmale sein, denn es ist für viele Bürger nicht nachvollziehbar, warum er in der Kommune x 1200, 1300 DM an Abfallgebühren aufzuwenden hat, während er in einer Nachbarstadt, nur weil es ein anderer öffentlicher Entsorgungsträger ist, nur ein Drittel oder ein Viertel davon zu bezahlen hat. Das heißt also, diese unter Umständen vorhandenen Standortnachteile werden über kurz oder lang vom Bürger nicht mehr akzeptiert werden, ein Bürger in der Kommune xy will sich also wie im Telekommunikations-Bereich oder im Strommarkt nur noch am Marktpreis orientieren und gucken, welchen Weg er wählen will."
Dass der Bürger im Chor mit der Wirtschaft eine Liberalisierung wünschen könnte, meinen wohl auch die öffentlich-rechtlichen Entsorger. Auf ihren Wunsch hin fordertern die Landes-Umweltminister, das kommunale Hoheitsrecht auf Haushaltsmüll EU-weit zu sichern. Zur Begründung führen sie Sicherheitsbedenken an. Zwar stünde auch eine rein private Entsorgungswirtschaft unter staatlicher Überwachung. Das reiche aber nicht aus, meint zum Beispiel der Münchner Abfallamts-Leiter Markwardt:
"Also auf Kontrollen zu bauen, das ist alles andere als ein Königsweg. Kontrollen müssen natürlich sein, können aber immer nur die Größenordnung von Stichproben erreichen. Und man darf auch nie vergessen: Jede Kontrolle kostet etwas - und es geht uns bei dieser ganzen Thematik ja doch auch um Kostenbegrenzung."
Doch Bedenken äußern nicht nur die Kommunen, die ein verständliches Interesse daran haben, sich gegen eine Liberalisierung zu wehren. Die Vorstellung eines freien Müll-Marktes missfällt auch Susanne Hempen vom Nabu:
"Wir halten das für eher bedenklich. Wenn ich mir vorstelle, dass jeder Haushalt einen anderen Entsorger hätte und einen anderen Vertrag, dann würden möglicherweise sieben, acht neun verschiedene Fahrzeuge durch den Ort fahren, zu einem Mehr an Transporten beitragen und auch zu einem Mehr an Unübersichtlichkeit. Wir halten also hier die kommunale Entsorgung für relativ wichtig."
Die Umweltschützerin bezweifelt zudem, dass die Verbraucher wirklich von einer Privatisierung profitieren würden.
"Wenn ich mir angucke, was es bei der Liberalisierung auf dem Strommarkt gibt, führt das Ganze einfach zunächst einmal zu einer großen Unsicherheit seitens der Verbraucher, und auch zu unklaren Abrechnungen, und...ich halte das einfach für sehr schwierig."
Ob eine Privatisierung den Bürgern Vorteile bringen würde, hält auch Petra May von der Kölner Initiative für Müllvermeidung und Müllverwertung für fraglich. Sie sieht eine andere Gefahr:
"Eine Handvoll Entsorger hat sich die Bundesrepublik schon aufgeteilt und macht sich keine Konkurrenz mehr. Das zeigt sich besonders deutlich an Köln: Alle Bereiche der Abfallwirtschaft - Bau der Müllverbrennungsanlage, sei es Teilbereiche wie die Öl- und Fettabscheidung oder sei es das Müll-Abholen und -Einsammeln selbst, wurden überhaupt nicht mehr europaweit ausgeschrieben, und nur dadurch hätte überhaupt Konkurrenz entstehen können. Das hat man nicht gemacht."
Das lag allerdings an der Stadt Köln. Die kommunale Verwaltung der Entsorgungswirtschaft ist also auch nicht immer im Sinne der Verbraucher. Aber wenn jeder seinen Entsorger selbst wählen könnte, wäre dann noch zu überblicken, wo der Müll schließlich landet? Wahrscheinlich trifft die Faustregel zu, die der Abfallamtsleiter der Stadt München, Axel Markwardt, aufstellt:
"Der Müll findet schon immer seinen Weg dorthin, wo es am billigsten ist."
"Während vor zehn Jahren noch insbesondere die Politik gegenüber der Wirtschaft sagte: `Wir ersticken im Müll´, gibt es heute einen Kampf um den Müll. Das heißt, derjenige, der Müll hat, verdient offensichtlich nicht schlecht daran."
"Die verdienen bestimmt nicht schlecht daran" - das sagen sich wohl auch viele Verbraucher, wenn sie ihre Gebührenrechnung sehen. Bis zu 970 Mark im Jahr muss zum Beispiel ein Vier-Personen-Haushalt in Nordrhein-Westfalen nach Berechnung des Bundes der Steuerzahler für seine Abfall-Entsorgung entrichten. Obwohl die Bürger fleißig Altpapier und Flaschen sammeln und Verpackungen wiederverwerten, sind die Gebühren in den vergangenen zehn Jahren bundesweit gestiegen. Ein wesentlicher Grund: Die in den achtziger und neunziger Jahren für teures Geld gebauten Entsorgungs-Anlagen vieler Kommunen sind nicht ausgelastet. Wie es dazu kommen konnte, schildert Susanne Hempen vom Naturschutzbund Deutschland:
Man muss hier von zwei Entwicklungen ausgehen, zum einen hat sicherlich im Zuge des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes eine Vermeidung von Müllmengen stattgefunden, parallel dazu gibt es aber eine andere Entwicklung, nämlich das Billig-Dumping von Müll, so dass in vielen hochwertigen Müllverbrennungsanlagen kaum noch Müll anfällt, weil er auf nicht abgedichtete Deponien gekippt wird."
Das allerdings ist völlig legal. Denn diese Deponien dürfen noch bis zum Jahr 2005 genutzt werden. Danach ist es mit der klassischen Müllhalde vorbei. Abfälle sollen nicht mehr einfach abgekippt, sondern vorbehandelt werden. Das bedeutet, sie werden verbrannt oder verrotten kontrolliert in eigens dafür gebauten Mechanisch-Biologischen Anlagen. Der Vorteil: Die Asche und die Rückstände, die schließlich auf die Deponie wandern, geben weder giftige Gase an die Luft ab, noch Schadstoffe ans Grundwasser. Ein Fortschritt, meint Susanne Hempen:
"Sonst haben wir es hier mit einer Zeitbombe zu tun, mit einer Chemiezeitbombe. Wenn man sich so vorstellt, was alles auf einer Deponie landet, dann kann man sich vorstellen, dass das ein Chemiecocktail ist, der reagieren kann, der sowohl Emissionen in die Luft als auch ins Wasser ablässt, und das soll eben vermieden werden."
Die entsprechende Gesetzesvorschrift wurde bereits 1993 erlassen - mit der langen Übergangsfrist bis 2005. Diese wird nun von einigen Kommunen genutzt, um ihre alten Deponien noch schnell aufzufüllen. Andere Gemeinden bauten sofort teure Müllverbrennungsanlagen - das erklärt die gewaltigen Unterschiede zwischen den Gebühren verschiedener Städte und Landkreise:
Es gibt eben Kommunen, die haben gesagt: Wir wollen uns umwelt-freundlich verhalten, wir investieren in die neue Technologie - damals war das eben die Müllverbrennungstechnologie - wir bauen hochwertige, sichere Anlagen. Das kostet ne Menge Geld. Dieses Geld hat man sich von den Bürgern zurückgeholt, das heißt: Jede Tonne Müll, die dort verbrannt wird, hat seinen Preis. Dareden wir so um die 300 Dm pro Tonne. Andere Kommunen haben gesagt: Wir nutzen den Zeitraum bis 2005 aus und kippen das in die Deponie. Unbehandelt und ohne die Deponie abzudichten. Das hat zu einem Preis-Leistungsgefälle geführt. Das heißt, wir haben Kommunen, die nur teure, aber sichere Müll-Entsorgung anbieten, auf der anderen Seite haben wir Kommunen, die eine billige, aber nicht umweltfreundliche Entsorgung anbieten. Das hat dazu geführt, dass viele Kommunen unter dem sogenannten Müllnotstand leiden.
Allein in Nordrhein-Westfalen reicht die Preis-Spanne für einen Vier-Personen-Haushalt von 189 Mark bis 970 Mark jährlich.
Als eine der Haupt-Ursachen dafür macht der Bund der Steuerzahler die 16 Müllverbrennungsanlagen im Land aus. Diese Überkapazitäten waren vermeidbar, meint Petra May von der Kölner Initiative zur Müllvermeidung und Müllverwertung. Sie setzte sich schon in den frühen 90er Jahren gegen den Bau einer Müllverbrennungsanlage in Köln ein:
"Bereits 1993 war klar, dass eine Anlage in dieser Kapazität sich nicht lohnt. Es gibt ein Gutachten aus dem Jahre `93, die ITU-Analyse, die von einem Vermeidungs- und Verwertungspotential des Kölner Hausmülls in Höhe von 66 Prozent ausging. Darüber hinaus haben sich in den folgenden Jahren große Überkapazitäten in Müllverbrennungsanlagen abgezeichnet, zum Beispiel in Bonn, aber auch in Aachen-Weisweiler, die heute mit Müll aus der Niederlande und Belgien bestückt wird."
Mittlerweile laufen Musterklagen von Bürgern, die nicht dafür bezahlen möchten, dass ihre Gemeinde in derzeit überflüssige Anlagen investiert. Doch Überkapazitäten gibt es selbst in Städten, die auf die abnehmenden Abfallmengen reagierten. Die Stadt München zum Beispiel legte 1990 die Pläne für eine dritte Müllverbrennungs-Anlage auf Eis, eine weitere wurde 1997 geschlossen. Die noch verbliebene Anlage wird gerade mal voll. Der Leiter des Münchner Abfall-Amtes, Axel Markwardt, erläutert, warum ihm der Rückgang der Müll-Massen nicht nur Freude macht:
"Das stellt deswegen vor allen Dingen deswegen ein Problem dar, weil die Kapazitäten, mit denen diese Anlagen geplant worden sind, das sind Kapazitäten aus den 70er und 80er Jahren, natürlich mit diesem dramatischen Rückgang nicht gerechnet haben, und deshalb haben wir zunächst mal Überkapazitäten gehabt."
Das Problem ist zum Teil dadurch entstanden, dass die kommunalen Entsorger nicht mehr alle Gewerbe-Abfälle bekommen. Denn die Unternehmen dürfen seit 1996 die Abfälle, die wiederverwertbar sind, selbst recyclen lassen - oder von einem privaten Entsorger. Da das oft billiger ist, sinkt die Abfallmenge in den kommunalen Anlagen. Deren Betriebe werden jetzt größtenteils von den Privat-Haushalten finanziert.
Um diesem Problem zu begegnen, bietet zum Beispiel die Stadt München den Unternehmen Sonderkonditionen an: Sie können ihre Abfälle in der Müllverbrennungsanlage "verwerten" lassen. Das heißt, auch dieser Müll wird verbrannt. Weil dabei aber Energie entsteht, ist diese Form von Verwertung im Gesetz durchaus vorgesehen - entscheidend ist dabei der "Heizwert" des Abfalls. Nur: Damit die Unternehmen dieses Angebot wahrnehmen, kostet die Verbrennung ihrer verwertbaren Abfälle weniger als das Einäschern normalen Mülls. Und damit bezahlen sie auch weniger als der Normalverbraucher, dessen gesamter Haushaltsmüll zum Einheitspreis verbrannt wird - egal, ob Teile davon verwertbar sind.
"Unterm Strich ist das für den Münchner Gebührenzahler natürlich ein schlechtes Geschäft, denn diese Einnahmen aus der energetischen Verwertung sind allenfalls Kostendeckungs-Beiträge, sie decken aber nicht die Gesamtkosten."
Um die kommunalen Anlagen zu füllen, haben die Landes-Umweltminister gefordert, alle gemischten Abfälle wieder der städtischen Müll-Abfuhr zu überlassen. Damit handelten sie sich heftige Kritik aus der Wirtschaft ein. Armin Rockholz vom Deutschen Industrie- und Handelstag:
"Man kann nicht umweltpolitisch fordern, dass einerseits die Unternehmen mehr vermeiden und verwerten sollen, und andererseits sich jetzt die Kommunen darüber beschweren, dass jetzt ihre kommunalen Anlagen unterversorgt sind. Der DIHT ist der Ansicht, dass es hier weniger um Umweltpolitik, sondern um öffentlich-rechtliches Geschäftsinteresse geht."
In der Tat scheint die Forderung der Länder umweltpolitisch fragwürdig. Für die Umwelt müsste es doch gut sein, wenn die Unternehmen den Abfall, den sie produzieren, selbst verwerten müssen. Das entspricht dem Verursacher-Prinzip. Doch die Kommunen vermuten, dass sich hinter dem Etikett "Verwertung" teilweise etwas ganz anderes verbirgt. Axel Markwardt vom Münchner Abfall-Amt:
"Völlig im Dunkeln liegt die Menge, die gar nicht unsere Anlage erreicht, also die Abfälle, die aus München heraus irgendwo in Billigdeponien, nach Thüringen, irgendwo in Ostdeutschland vebracht werden oder in andere sogenannte Substandard-Anlagen. Hierüber haben wir keine gesicherten Erkenntnisse, wir können nur aus der Abfallmengen-Entwicklung schließen, dass eine ganz, ganz große Zahl dieser Mengen in Substandard-Anlagen tatsächlich geht."
Susanne Hempen vom deutschen Naturschutzbund wird deutlicher:
"Es gibt da einen ganz wilden Müllhandel, das ist ja nach dem Kreislaufwirtschaftsgesetz so, Gewerbeabfälle können über die Kommune entsorgt werden, können aber auch an private Dritte weitergegeben werden zur Entsorgung. Und da sucht sich natürlich der Gewerbetreibende die billigere Möglichkeit aus, das heißt: Er kann sagen, mein Abfall ist ein Abfall zur Verwertung, und ich gebe das ab an einen Müllverwerter. Da gibt es solche Beispiele: Da finden Sie an bestimmten Deponien Sortierbänder. Die sortieren aber gar nicht, sondern das läuft einfach nur einmal drüber. Damit ist sozusagen dem Gesetz Genüge getan, es ist sortiert worden, deshalb ist es ein Abfall zur Verwertung und deswegen kann´s dann gleich auf die Mülldeponie gekippt werden. Ist billiger!"
Obwohl diese Tricks bekannt sind, sei es schwer, die Schummelei zu unterbinden, meint die Umweltschützerin.
"Ganz schwierig. Erstens haben die Kontrollen nachgelassen, zum Zweiten handelt es sich häufig um sogenannte mobile Sortier-Anlagen, das heißt, die sind sozusagen zusammenklappbar und können also vor, hinter oder auf die nächste Deponie gefahren werden. Das heißt, wir haben also erstmal einen Müllhandel, der kreuz und quer durch die Bundesrepublik fährt, und kreuz und quer irgendwas sortiert, und eine Kontrolle ist sehr schwierig. Grundsätzlich halten wir es für wichtig, dass es zu einer sogenannten Renaissance der Kontrolle kommt, dass wir wieder verstärkt kontrollieren. Also wir haben grundsätzlich nichts dagegen, wenn eine Kommune einen privaten Auftragnehmer beauftragt mit bestimmten Bereichen der Abfallbeseitigung. Es ist enfach ne Frage, wie akkurat arbeitet ne Kommune, da gibt es auch solche und solche, das ist genau wie bei den privaten Betreibern. Wichtig ist eben, das also in den staatlichen Kontrollbehörden wieder vermehrt mal nachgeschaut wird."
Das Volumen dieses unkontrollorierbaren Müllhandels schätzt der Nabu auf fünf Millionen Tonnen im Jahr. Doch selbst da, wo die Kontrollen greifen, ist umstritten, welche Abfälle verwertbar sind und welche nicht. Diese Frage hat schon mehrfach die Gerichte beschäftigt. Die einmütige Kritik aller Beteiligten lautet: Die gesetzlichen Kriterien sind zu schwammig. Das hat unangenehme Folgen auch für die Unternehmen, beklagt der Deutsche Industrie- und Handelstag. Noch einmal Armin Rockholz:
"Rechtssicherheit ist entscheidend für die Unternehmen, denn je nachdem, ob es sich um Abfall zur Verwertung oder Abfall zur Beseitigung handelt, gehört der Abfall den Kommunen oder gehört der Abfall den Unternehmen. Und dabei geht es bekanntlich um sehr viel Geld."
Die Forderung des Wirtschaftsverbandes lautet deswegen:
"Wir sind für eine sehr klare gesetzliche Abgrenzung, wir sind aber auch für eine einfache gesetzliche Abgrenzung. Die jetzigen Kriterien des Kreislaufwirtschaftsgesetzes sind kaum justitiabel, das hängt sicherlich hauptsächlich damit zusammen, dass damals das Kreislaufwirtschaftsgesetz im Vermittlungsausschuss ein wenig hopplahopp verabschiedet wurde."
Mit dieser Forderung trifft der DIHT auch bei Umweltverbänden und öffentlich-rechtlichen Entsorgern auf offene Ohren. Eine Einigung auf klarere Kriterien zur Unterscheidung zwischen den Abfall-Arten scheint also möglich - den Streit um den Müll wird sie auf die Dauer allerdings kaum beenden. Denn die Entsorgungswirtschaft will auch an den Hausmüll heran. Schon jetzt holen private Unternehmen ihn in vielen Städten ab - aber nur als Auftragnehmer der Gemeinden. Das sollte sich ändern, meint Armin Rockholz:
"Ich glaube, es ist höchste Zeit, dass man auch in der kommunalen Daseinsvorsorge im Bereich der Abfall-Entsorgungswirtschaft neu überlegt: Was muss eine Kommune künftig für Aufgaben übernehmen, und was kann die private Entsorgungswirtschaft künftig tun. Inzwischen wird ja über die Hälfte ohnehin durch private Entsorgungsunternehmen - allerdings sehr stark im Auftrag der Kommunen - entsorgt, und der DIHT fordert deshalb, die Rolle der Kommunen neu zu definieren, neu zu organisieren: Was macht künftig eine Kommune, und was macht hier das private Entsorgungs-Unternehmen."
Eines der großen privaten Entsorgungsunternehmen ist die Firma Rethmann. Das Unternehmen aus Lünen entsorgt mittlerweile den Abfall zahlreicher Ruhrgebiets-Städte. Und es denkt daran, seinen Einzugsbereich auszuweiten, sagt Prokurist Jürgen Maute:
Wir sind weiterhin daran interessiert, unser Unternemhen regional aber auch überregional weiter nach vorne zu bringen, wir sehen da durchaus in den Märkten, wie sie sich darstellen, Chancen, unser Unternehmen weiter nach vorne zu bringen, und wir sehen insbesondere im Bereich der Privatisierung von Großstädten einen durchaus chancenreichen Markt, wir haben uns hier, gerade in Nordrhein-Westfalen, woe Sie im Augenblick eine Privatisierungswelle in den Großstädten vorfinden, haben wir uns an vielen Stellen mit der Verwaltung, mit der Politik, in die entsprechenden Gespräche begeben."
Die Privatisierungswelle führt Maute nicht nur auf die leeren öffentlichen Kassen zurück, sondern auch auf die leeren öffentlichen Müll-Anlagen:
"Die Abfallmärkte brechen aus ihrer lokalen Bedeutung heraus, das heißt also, Mengen- und Massenströme werden heute nicht mehr nur innerhalb von 25 Kilometern erarbeitet und überführt, sondern die Bedeutung der bestehenden Anlagen kann nur dadurch gewährleistet sein, indem man also auch hier über überregionale Massenströme verfügt. Und das Unternehmen Rethamnn ist überregional organisiert und könnte hier eben auch durch das ZurVerfügungstellen von Massenströmen aus anderen Gebieten durchaus ein interessanter Partner sein."
Die Firma Rethmann könnte sich gut vorstellen, den Haushaltsmüll demnächst eigenverantwortlich zu entsorgen - und nicht mehr als Auftragnehmer von Städten und Gemeinden. Eine Privatisierung der Abfallwirtschaft sei im Interesse der Verbraucher, sagt der private Müllunternehmer Jürgen Maute:
Wir haben in vielen Bereichen des täglichen Lebens, bei der Stromversorgung, demnächst im Gasbereich, im Telekommunikationsbereich, heute freie Märkte, das heißt der Bürger kann sich hier selbst entscheiden, wenn er das denn will, seine Dienstleistung frei am Markt über den Preis einzukaufen, und ich glaube, das wird auch zukünftig in diesem Bereich eines der entscheidenden Merkmale sein, denn es ist für viele Bürger nicht nachvollziehbar, warum er in der Kommune x 1200, 1300 DM an Abfallgebühren aufzuwenden hat, während er in einer Nachbarstadt, nur weil es ein anderer öffentlicher Entsorgungsträger ist, nur ein Drittel oder ein Viertel davon zu bezahlen hat. Das heißt also, diese unter Umständen vorhandenen Standortnachteile werden über kurz oder lang vom Bürger nicht mehr akzeptiert werden, ein Bürger in der Kommune xy will sich also wie im Telekommunikations-Bereich oder im Strommarkt nur noch am Marktpreis orientieren und gucken, welchen Weg er wählen will."
Dass der Bürger im Chor mit der Wirtschaft eine Liberalisierung wünschen könnte, meinen wohl auch die öffentlich-rechtlichen Entsorger. Auf ihren Wunsch hin fordertern die Landes-Umweltminister, das kommunale Hoheitsrecht auf Haushaltsmüll EU-weit zu sichern. Zur Begründung führen sie Sicherheitsbedenken an. Zwar stünde auch eine rein private Entsorgungswirtschaft unter staatlicher Überwachung. Das reiche aber nicht aus, meint zum Beispiel der Münchner Abfallamts-Leiter Markwardt:
"Also auf Kontrollen zu bauen, das ist alles andere als ein Königsweg. Kontrollen müssen natürlich sein, können aber immer nur die Größenordnung von Stichproben erreichen. Und man darf auch nie vergessen: Jede Kontrolle kostet etwas - und es geht uns bei dieser ganzen Thematik ja doch auch um Kostenbegrenzung."
Doch Bedenken äußern nicht nur die Kommunen, die ein verständliches Interesse daran haben, sich gegen eine Liberalisierung zu wehren. Die Vorstellung eines freien Müll-Marktes missfällt auch Susanne Hempen vom Nabu:
"Wir halten das für eher bedenklich. Wenn ich mir vorstelle, dass jeder Haushalt einen anderen Entsorger hätte und einen anderen Vertrag, dann würden möglicherweise sieben, acht neun verschiedene Fahrzeuge durch den Ort fahren, zu einem Mehr an Transporten beitragen und auch zu einem Mehr an Unübersichtlichkeit. Wir halten also hier die kommunale Entsorgung für relativ wichtig."
Die Umweltschützerin bezweifelt zudem, dass die Verbraucher wirklich von einer Privatisierung profitieren würden.
"Wenn ich mir angucke, was es bei der Liberalisierung auf dem Strommarkt gibt, führt das Ganze einfach zunächst einmal zu einer großen Unsicherheit seitens der Verbraucher, und auch zu unklaren Abrechnungen, und...ich halte das einfach für sehr schwierig."
Ob eine Privatisierung den Bürgern Vorteile bringen würde, hält auch Petra May von der Kölner Initiative für Müllvermeidung und Müllverwertung für fraglich. Sie sieht eine andere Gefahr:
"Eine Handvoll Entsorger hat sich die Bundesrepublik schon aufgeteilt und macht sich keine Konkurrenz mehr. Das zeigt sich besonders deutlich an Köln: Alle Bereiche der Abfallwirtschaft - Bau der Müllverbrennungsanlage, sei es Teilbereiche wie die Öl- und Fettabscheidung oder sei es das Müll-Abholen und -Einsammeln selbst, wurden überhaupt nicht mehr europaweit ausgeschrieben, und nur dadurch hätte überhaupt Konkurrenz entstehen können. Das hat man nicht gemacht."
Das lag allerdings an der Stadt Köln. Die kommunale Verwaltung der Entsorgungswirtschaft ist also auch nicht immer im Sinne der Verbraucher. Aber wenn jeder seinen Entsorger selbst wählen könnte, wäre dann noch zu überblicken, wo der Müll schließlich landet? Wahrscheinlich trifft die Faustregel zu, die der Abfallamtsleiter der Stadt München, Axel Markwardt, aufstellt:
"Der Müll findet schon immer seinen Weg dorthin, wo es am billigsten ist."