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Der Kampf um die Macht

Chodorkwoskij plant nicht, in die Firma zurückzukehren. Die Firma zu verlassen, hatte er lange vor, nun kam es zu einer Beschleunigung seiner Pläne. Mich hat man nicht genommen, damit ich mich mit politischen Untersuchungen befasse. Man wählte mich aus, damit die Firma weiterhin internationaler Marktführer in der Ölindustrie ist.

Michael Braun / Brigitte Scholtes | 06.11.2003
    Semjon Kukes, der neue Vorstandsvorsitzende des russischen Yukos-Konzerns, spielt die Rolle desjenigen, der sich auf das beschränkt, was sein verhafteter Vorgänger Michail Chodorkowskij nicht mehr sein wollte, nicht mehr nur ein Unternehmensführer, nicht mehr nur ein russischer Ölbaron. Chodorkowskij finanzierte Schulen, unterstützte die liberale Opposition, gewann Einfluss auf die regionalen Regierungen und Parlamente, kurzum: Er schwächte die Macht des Kreml. Das kollidierte mit dem "System Putin”, mit einer Präsidialadministration also, die sich die Kontrolle über Exekutive, Legislative und Judikative, ja auch über die freie Presse angeeignet hat. Zumal in Wahlkampfzeiten vor der Parlamentswahl im Dezember und der Präsidentenwahl im März war das Treiben eines Chodorkowskij wohl zuviel für Präsident Putin. Aber er stellte die überfallartige Verhaftung des wichtigsten Ölindustriellen mit Einfluss auf ein Drittel der russischen Ölproduktion als Akt eines Rechtsstaates dar:

    Alle sollten ein für alle Male wissen, dass sie das Gesetz immer einhalten müssen und nicht erst, wenn man sie gepackt hat.

    Seitdem auch noch Yukos-Aktien beschlagnahmt wurden, ist die Unsicherheit groß über die Verlässlichkeit sämtlicher Investitionen in Russland. Und auch in deutschen Banken ist die Atmosphäre gespannt, keiner sagt ein kritisches Wort über das Land und die Verhaftung des Ölindustriellen. Man hat den Eindruck, das Engagement der westlichen Großindustrie und auch der Banken ist schon so groß, dass ein Rückzug nicht mehr möglich ist. Die Investitionswelle rollt. Diese Woche erst hat die Deutsche Bank bekannt gegeben, sie habe sich mit 40 Prozent an einer russischen Investmentbank beteiligt. Bedeutungsvoll geschwiegen wird, weil man unsicher geworden ist, ob Russland sich je den Regeln der Weltwirtschaft unterwerfen werde. Oliver Stönner, Experte für Wachstumsmärkte bei der Commerzbank, erinnert sich nach der Verhaftung des russischen Ölmanagers Chodorkowskij daran, dass die Verhandlungen zwischen Moskau und der Welthandelorganisation WTO nicht vom Fleck kommen:

    Man hat dort, insbesondere was eben die Öffnung der Märkte angeht, bislang nicht die Lösung gefunden, wie man das zum Beispiel mit China gefunden hat. Und jetzt, in der Wahlperiode, ist praktisch kein Näherklommen möglich. Aber auch da muss man nach den Präsidentschaftswahlen wieder ein Weg finden, um diese Verhandlung zum Abschluss zu bringen. Denn die WTO-Teilnahme ist ein wichtiger Schritt zur Integration Russlands in internationale Wirtschaft.

    Dabei wird Russland als Produzent für den wichtigsten Rohstoff der industrialisierten Wirtschaft gebraucht, für das Öl. Die russische Ölproduktion wächst mit einer Jahresrate von elf Prozent, 8,8 Millionen Fass sind es derzeit täglich, etwa soviel wie Saudi-Arabien fördert. Doch während am Persischen Golf zwar zwei Drittel der Welt-Öl-Reserven lagern, dort aber nur vier Prozent verbraucht werden, braucht Russland mehr als die Hälfte seiner Produktion selbst. Freilich wäre die russische Ölproduktion deutlich steigerbar, mindestens wieder auf die zehn bis zwölf Millionen Barrel pro Tag, die Ende der achtziger Jahre beim Zusammenbruch der Sowjetunion gefördert wurden. Roland Beck, Russland-Spezialist der Deutschen Bank Research:

    Man muss dazu sagen, das die russische Ölwirtschaft ein Jahrzehnt hinter sich hat, in dem zu wenig investiert wurde. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion ist die Produktion stark zurückgegangen. Man hat auch weniger neue Förderquellen entdeckt als man von den verfügbaren Ölreserven abgebaut hat. Insofern ist ständig zu wenig investiert worden. Das hat sich nach der Russlandkrise 1998 geändert. Die russische Wirtschaft hat stark von hohen Preisen profitiert, was natürlich den Anreiz zu investieren erhöht hat. Es hat sich das Interesse von ausländischen Investoren in diesem Jahr stark erhöht.

    Das ist aus zwei Gründen so: Die Weltwirtschaft bleibt abhängig vom Öl, aber sie will weniger abhängig werden vom Nahen Osten.

    Allen Sparappellen zum Trotz sagt die Internationale Energieagentur in Paris voraus, die Nachfrage nach Öl werde weiter steigen: Nordamerika werde 2010 fünf Prozent, Europa 13 Prozent und Asien 30 Prozent mehr Öl verbrauchen als derzeit. In Asien steigt vor allem die Nachfrage in China. Nicolas Schlotthauer, Chinaexperte der Deka-Bank, ist gerade von einer Reise nach China zurückgekehrt. Man sehe überall, sagt er, dass Kohle die Energiebasis der Vergangenheit ist:

    Davon will China wegkommen, muss es auch wegkommen, und dementsprechend hat natürlich auch gerade im Zuge der Motorisierung der Gesellschaft Öl eine sehr viel größere Bedeutung gewonnen. Das ist auf zwei Punkte zurückzuführen. Einerseits werden in China sehr viel mehr Automobile umgesetzt. Dieses Jahr sind es 60 Prozent mehr als im Vorjahr. Andererseits baut China auch seine strategischen Ölreserven aus, weil es durch die politischen Konflikt überall auf der Welt gesehen hat, wie wichtig es ist, dass man eine strategische Ölversorgung im Land gesichert hat. Und darum werden die Ölreserven im Laufe dieses Jahres vervierfacht gegenüber dem Niveau vom Dezember 2002. Das hat natürlich zu einem massiven Anstieg der Ölnachfrage auch in China geführt.

    Russisches Öl spielt eine wichtige Rolle, wenn diese Nachfrage gedeckt werden soll. Das wäre sicher auch mit dem steigerbaren Ertrag der nahöstlichen Quellen möglich. Aber die politische Lage im Nahen Osten ist jetzt schon explosiv und dürfte auf Dauer noch schwieriger, die Ölbasis dort also noch unsicherer werden. Denn die autokratisch verfassten Ölstaaten am Golf können auf Dauer nicht mehr so weiterleben wie bisher. Volker Perthes, Nahost-Experte der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin, schildert die Lage:
    Sie haben politisch davon gelebt, politisch ihre Legitimität, aber auch ihre Stabilität davon gehabt in den letzten Jahrzehnten, dass sie die Öleinnahmen, die zentral dem Staat zugeflossen sind, teilweise an die Bevölkerung weitergegeben haben und damit einem großen Teil der Bevölkerung gewissermaßen den politischen Schneid abgekauft haben. Auch in den Ölmonarchien selber, in Saudi-Arabien, wird es schwieriger, weil die Basis dessen, was zu verteilen ist, also die Öleinnahmen, immer geringer wird, aber die Bevölkerungszahl gestiegen ist. Das heißt, das, was man pro Kopf der Bevölkerung verteilen kann vom Staat aus, ist weniger als es noch vor zehn Jahren und sehr viel weniger als es vor 30 Jahren war.

    Selbst Saudi-Arabien, mit 262 Milliarden Fass größter Besitzer von Ölreserven, gilt nicht mehr als sicherer Lieferant, seitdem selbst die saudische Königsfamilie in den Verdacht geraten ist, die Terrororganisation Al Kaida unterstützt zu haben. Volker Perthes:

    Es hat solche Kräfte in Saudi-Arabien gegeben, die Al Kaida unterstützt haben, finanzielle Unterstützung, die in den einen oder anderen Fonds weitergeleitet worden ist, an Terroristen. Was wichtiger und auch als Vorwurf an die saudische Regierung schwerwiegender ist, ist, dass die Saudis in den letzten 20 Jahren, etwa seit Beginn des Afghanistankrieges gegen die Sowjetunion damals noch, innere Unzufriedenheit, Gewaltbereitschaft exportiert haben. Das heißt, sie haben eigenen potentiell gewaltbereiten islamistischen, potentiell terroristischen Gegnern die Chance gegeben, ihren Glaubenskampf oder Befreiungskampf im Ausland zu führen. Gegen Afghanistan und die Sowjetunion zuerst, dann in den innerafghanischen Bürgerkriegen und letztlich gegen wen auch immer, auch gegen die Amerikaner. Man wollte das Problem lösen und hat es exportiert, hat es auch ein Stück weit ignoriert. Erst in jüngster Zeit, nach dem es auch erneut Bombenanschläge in Riad gegeben hat, haben die Saudis erkannt, dass sie hier ein echtes Problem in ihrer Gesellschaft haben. Und dies hat sich zu verstärkter Bereitschaft zur Kooperation mit westlichen Sicherheitskräften hin entwickelt.

    Deshalb versuchen die großen westlichen Demokratien, die demokratischen Strömungen zu unterstützen im Nahen Osten.

    Benzin und Heizöl – das sind zwei der Produkte, mit denen die Konsumenten im Alltag in Berührung kommen. Die Preisschwankungen führen sie aber vor allem auf die heimische Steuerpolitik zurück.

    Also, die kleineren Schwankungen liegen meistens am Ölpreis, am Weltölpreis. Meistens steigen die Benzinpreise früher als man vermutet. Aber der Großteil liegt natürlich an den Steuern.

    Das steht für mich in keiner Relation. Auch wenn man auf die französischen Seite schaut, da sieht der Benzinerpreis ganz anders aus. Was meinen Sie, wie erklären Sie sich Preisveränderung und Preiszusammensetzung? Ich denke schon, dass über das Benzin besonders leicht Steuern einzuholen sind. Und wir fahren alle gerne Auto, die Deutsche sparen daran nicht gern.

    Also ich spüre die Veränderung des Ölpreises nicht direkt. Zu Hause heizen wir mit Gas. Sicherlich kriegt man mit, dass der Gaspreis ebenfalls steigt, wenn der Ölpreis steigt. Was das Tanken angeht: Ich habe einen Firmenwagen, insofern merke ich die Erhöhung auch nicht direkt. Ich tanke einfach. Ich bin eben glücklich in der Lage, das tun zu können, insofern spüre ich die Veränderung nicht direkt.

    Die Benzinpreise an der Tankstelle sind tatsächlich von verschiedenen Faktoren beeinflusst. An jeder Zapfsäule kann man ablesen, dass pro Liter Benzin 73 Cent an den Fiskus fließen. Die Preisschwankungen, die man aber in den letzten Wochen an den Tankstellen beobachten konnte, sind auf andere Faktoren zurückzuführen: Auf die Währung, denn Öl wird in Dollar abgerechnet, und da hat es in den letzten Wochen heftige Turbulenzen gegeben, vor allem aber auf den Ölpreis selbst. So hat Ende September die Opec den Märkten einen kräftigen Schock versetzt, als sie überraschend eine Kürzung ihrer Förderquoten beschloss: Seit vergangenen Samstag fördern die der Opec angeschlossenen Länder nur noch 24,5 Millionen Barrels pro Tag, das sind 900.000 weniger als zuvor. Ein Barrel entspricht 159 Liter, dabei meint man meist Rohöl der Marke Brent. Das schlug sich recht schnell in steigenden Preisen nieder, die aber weniger eine Folge eines plötzlichen Nachfrageanstiegs nach Öl waren. Vielmehr hatte die Opec die Spekulanten an den Terminmärkten auf dem falschen Fuß erwischt, erläutert Wolfgang Wilke, Rohstoffexperte der Dresdner Bank:

    Neben dem physischen Angebot in der Nachfrage nach Öl muss man natürlich immer die Situation an den Terminmärkten beachten. Ein großer Teil, ein durchaus relevanter Teil wird an der Terminbörse abgewickelt. Hier geht es in erster Linie um Differenzgeschäfte. In diesem Markt tummeln sich überwiegend Leute, die in der Liquidität mitschwimmen, aber nicht unbedingt an der Lieferung von Öl interessiert sind.

    Es sind also Spekulanten, die die Preisbildung wesentlich mitbestimmen:

    Die setzen im Prinzip auf Differenzgeschäfte. Die schauen sich zuerst mal an, ob es eine erhebliche Lücke zwischen Angebot und Nachfrage gibt und wenn die ausgeprägt ist, dann versucht man in dieser Richtung verstärkend seine Positionen einzugehen, und deswegen ist auch die Volatilität an diesem Markt so enorm hoch.

    Vor der Ölkrise im Winter 1973/74 wurden 95 Prozent der Ölproduktion auf der Basis von langfristigen Verträgen verkauft. Da sich das in der Krise als zu unflexibel erwies, entwickelte sich der so genannte Spotmarkt: In diesem Handelssystem kann man auch täglich noch die gewünschten Mengen Öl handeln, in den 90er Jahren waren das mehr als 50 Prozent der Mengen. Zudem hat sich ein Futuremarkt entwickelt: Mit Futures auf Öl meint man standardisierte Verträge, die über ein Jahr laufen können, sie sind jederzeit handelbar – und damit eben auch offen für Spekulanten an den Weltmärkten, Futures werden in New York, London, Singapur oder Tokio gehandelt. Während man so zwar virtuell Nachfrage und Angebot steuern kann, ist das in der Wirklichkeit nicht so leicht möglich, erklärt Wolfgang Wilke:

    Das ist bei Rohöl nicht so ganz einfach, weil die Ölquelle verhält sich nicht wie ein Wasserhahn. Sie können nicht einfach auf- und abschalten. Wenn man die Quantität zu stark nach unten regelt, dann versanden die Quellen und man benötigt eine gewisse Zeit, um sie wieder aufzuschließen. Insofern ist das Angebot sehr unelastisch.

    Für die Branchen, die ohne Rohöl nicht produzieren könnten, sind die Preisschwankungen eine besondere Schwierigkeit, so etwa für die Chemie. Sie verbraucht 15 Prozent des Rohölangebots am deutschen Markt, 85 Prozent davon als Rohstoff für ihre Produkte. Sie spürt Preisveränderungen besonders stark, sagt Henrik Meincke, Leiter Volkswirtschaft beim Verband der chemischen Industrie:

    In dreierlei Hinsicht: Zum einen, in der Tat, verteuern sich unsere Rohstoffkosten, mit entsprechend negativen Implikationen. Auf der anderen Seite sind wir eine energieintensive Branche, und wenn sich das Rohöl verteuert, verteuern sich insgesamt die Energiekosten, also da sind wir auch noch getroffen. Und dann, das sollte man auch nicht vernachlässigen, wenn der Rohölpreis je Barrel um ein Dollar steigt, dann heißt es für die Bundesrepublik Deutschland, dass wir insgesamt 750 Millionen Dollar mehr zahlen müssen für unseren Ölverbrauch pro Jahr, und das geht uns natürlich an Kaufkraft hier verloren. Es hat also dann konjunkturell negative Implikationen.

    Zwar werden die Rohölpreise für die Mitgliedsländer der Europäischen Währungsunion derzeit abgefedert durch die Stärke des Euro, deshalb halten sich die konjunkturellen Auswirkungen noch in Maßen. Immer wieder gibt es aber aus politischen Gründen von den Öl produzierenden Ländern Drohungen oder Forderungen, man wolle den Ölabsatz in Euro abrechnen. Das hatte sowohl der ehemalige irakische Diktator Saddam Hussein vor Beginn des Irak-Kriegs verlauten lassen, ähnliche Forderungen hört man aber auch schon einmal aus Russland. Das aber hätte deutlich spürbare Auswirkungen auf den amerikanischen Dollar, meint Wolfgang Wilke von der Dresdner Bank:

    Das würde ich eher psychologisch werten. Die Marktteilnehmer würden doch ein gewisses Absinken des Nimbus der Leitwährung US-Dollar sehen, und das ist eher eine psychologische Angelegenheit. Das würde es leichter machen, wenn beispielsweise auf Eurobasis fakturiert würde, für die deutsche Wirtschaft, sie brauchte keine Absicherungsgeschäfte für die Schwankungen des US- Dollar. Aber im Großen und Ganzen berührt das auch die Frage der Stärke einer Währung und des Nimbus insgesamt.

    Noch aber werden täglich riesige Mengen verbraucht, beim weltgrößten Chemiekonzern BASF hat man in den letzten Jahren in so genannte Steamcracker investiert, das sind riesige Anlagen, die etwa in Antwerpen stehen, im texanischen Port Arthur oder im Stammwerk in Ludwigshafen. Wie so ein Steamcracker funktioniert, erklärt vor Ort Michael Widmann, er ist verantwortlich für den Einkauf von ölnahen Basisprodukten bei der BASF.

    Der Steamcracker ist im Prinzip das Herz unserer Chemieanlagen, in den Steamcracker hinein kommen Produkte wie Naphta.

    Wo kommt das Naphta her ?

    Im Prinzip müssen Sie sich das so vorstellen: Das Erdöl kommt in Raffinerien, wird in Raffinerien weiterverarbeitet, aus dem Erdöl entstehen Produkte wie Fahrbenzin, was wir in der Tankstelle kaufen oder Diesel oder schweres Heizöl oder schwere Heizöle, und eine dieser Fraktionen ist eben Naphta. Naphta ist ein Produkt, das vom Siedepunkt her in der Nähe vom Fahrbenzin liegt. Es handelt sich hierbei um sehr langkettige Kohlenwasserstoffe, die werden im Prinzip mit Energie und Dampf in kleine, einzelne Teile zerlegt, Ethylen-Propylen, und diese Einzelteile sind dann Ausgangsprodukt für Synthesen und die Weiterveredlung in der Chemie.

    Derzeit sind ja die Rohölpreise und damit wohl auch die Naphtapreise recht hoch. Rohöl ist ein Produkt, von dessen Preisgestaltung viel abhängt. Wie stimmen Sie den Preismix ab?

    Letztlich handelt es sich bei den Märkten für Ölderivate um funktionierende Märkte, die sehr stark auf Angebot und Nachfrage reagieren, das sieht man auch daran, dass wenn politische Ereignisse passieren, die das Öl verknappen oder verknappen könnten, reagiert der Ölpreis sehr schnell, das heißt, es sind also sehr schnell reagierende, volatile Märkte. Naphta hängt sehr stark vom Rohöl ab. Es hängt aber bis zu einer gewissen Weise auch davon ab, wie die anderen Komponenten, die aus dem Öl hergestellt werden, wie Diesel oder Fahrbenzin, wie sich da die Preise entwickeln oder nachfragen.

    Können Sie mit Ihrer Einkaufspolitik dem ein bisschen vorbeugen?

    Im Prinzip ist es so, dass wir die absolute Höhe des Ölpreises nicht beeinflussen können. Was wir beeinflussen können, ist, die starken Schwankungen auszugleichen, dazu kann man langfristige Verträge oder über sogenannte Futures, Optionen und Swaps heute quasi Preise vereinbaren für ein Produkt, das in der Zukunft geliefert wird. Die absolute Höhe des Preises ist aber nicht beeinflussbar.

    Das heißt, Sie haben einen gewissen Einfluss auf den Preis. Können Sie denn, wenn es höhere Ölpreise gibt, diese auch weitergeben in den Verkaufspreisen in der Industrie?

    Typischweise ist es so, dass unsere Verkaufsprodukte nicht ganz so volatil in den Preisen sind wie Öl, insofern gibt es die Möglichkeit, mit einer gewissen Zeitverzögerung diese Preise weiterzugeben, wobei nicht immer gewährleistet ist, dass man sie hundertprozentig weitergeben kann.

    BASF ist stark an der Förderung in Russland durch ihre Tochtergesellschaft beteiligt. Welche Rolle wird Russland spielen?

    Russland generell ist der größter Gaslieferant auch zukünftig der Welt, auch eines der größten Ölförderländer, insofern wird Russland eine steigende Rolle spielen. Letztlich aber ist der Einfluss der Opec dominant und alle anderen Förderländer werden sich an dem Preis orientieren. Grundsätzlich ist zu erwarten, dass Länder wie Russland oder auch Venezuela, Nigeria versuchen, mehr Produkte zu vermarkten, zumindest bei den hohen Preisen.

    Seit drei Jahren schwankt der Ölpreis zwischen 17 und 34 Dollar für das Fass, schwerpunktmäßig um 26 Dollar. Der Jahresdurchschnittspreis dürfte in diesem Jahr auf 28 Dollar steigen, im nächsten Jahr auf mehr als 30 Dollar. Denn die Hoffnung, der Irak werde nach dem Krieg wieder nennenswert produzieren und exportieren, haben sich bisher nicht erfüllt. Russland fördert an der Kapazitätsgrenze und der Bedarf steigt: Drei Prozent Wachstum der Weltwirtschaft verlangen zwei Prozent mehr Öl. Die Opec-Länder, vor allem die des Nahen Ostens, werden liefern müssen und liefern wollen, was Russland nicht liefern kann. Denn trotz der politischen Krisen im Nahen Osten und trotz der Investitionsunsicherheiten nach der Yukos-Krise in Russland, gibt es eine Gewissheit auf den Märkten, wo Öl als Schmiermittel der Weltwirtschaft gehandelt wird. Volker Perthes von der Berliner Stiftung für Wissenschaft und Politik:

    Der Streit ums Öl ist sicherlich regelbar. Das ist eine Ware, die auf dem Weltmarkt einen Preis hat. Dieser Preis wird durch den Markt geregelt, und es gibt politische Eingriffe. Es gibt aber ein gegenseitiges Interesse von den wichtigsten Käuferstaaten und den wichtigsten Verkäufern, dass man eine gewisse Stabilität am Ölmarkt hat. Für die deutsche Industrie ist es beispielsweise nicht so wichtig, ob der Ölpreis ein paar Dollar höher oder niedriger ist, solange man Preisstabilität und Verlässlichkeit hat. Das Gleiche gilt für die Planer im Wirtschaftsministerium in Riad in Saudi-Arabien und in anderen Ölstaaten. Auch die brauchen Planungssicherheit, damit sie wissen, was sie im nächsten Jahr zu vereinnahmen haben. Das ist das gemeinsame Interesse, was ein Stück weit zur Beruhigung des Ölmarktes beiträgt.