Fischer: Den Medienwissenschaftler Dietrich Leder habe ich vor der Sendung gefragt, bedeutet diese phantasievolle Finanzierung von Fernsehformaten jetzt auch eine neue Form des Journalismus?
Leder: Ja, wir sind durch diese Affäre aufmerksam gemacht worden, dass schon seit Jahren, wenn nicht Jahrzehnten Agenturen, PR-Leute dabei sind, die Nachrichtenkanäle, die Nachrichtenströme zu instrumentalisieren. Das beginnt durch kleine Veranstaltungen, über die man berichten lässt. Das geht weiter, dass man Logos entwickelt, die man im Hintergrund überall drauf pappt. Das endet vielleicht auch bei Themensetzung durch Skandalisierungen, durch Effekte, durch Aktionen, mit der man dann automatisch in die Nachrichten rückt. Das ist ein Verfahren, das die ganze Gesellschaft erfasst hat und natürlich dann auch und vielleicht primär das Fernsehen.
Fischer: Aber wenn jetzt auch gemeinnützige Institutionen in Verruf geraten, entweder weil sich herausstellt, dass sie mit Spendengeldern Schleichwerbung bezahlt hätten oder weil sie sich von den Produktionsfirmen aufgefordert fühlten, sich doch mal im angemessenen Licht zu präsentieren. Was ist das denn dann, eine andere Form von Lobbyismus, von Werbung, Veruntreuung von Spendengeldern? Und kann man das alles überhaupt noch voneinander abgrenzen?
Leder: Zunächst muss ich daran erinnern, dass vor allem die Hilfsorganisationen immer wieder mal in Verruf geraten sind, inklusive übrigens der Hilfsorganisation namens politische Parteien, dass sie ihre Spendengelder mitunter obskur hereingewirtschaftet haben, indem sie beispielsweise die Werber hochgradig bezahlt haben. Das heißt, das beginnt schon im Grunde auf der Akquisition der einfachen Spendengelder und geht natürlich dann einen Schritt weiter in dem Medium zentral, das wie wir wissen, Werbegelder en masse organisieren kann. Und dass man natürlich nachdenkt, wie man da am besten hineinkommt, ist glaube ich fast legitim, weil die Kosten, die man dann hätte, werden ja um das x-fache durch die Mehreinnahmen wieder wett gemacht.
Die Frage ist eine moralische an solche Hilfsorganisationen, diese müssten eigentlich eine bessere Moral haben, als die Verkäufer für Staubsauger, oder wie eine politische Partei oder wie auch immer. Und es ist eine Frage an die Medien, was ist alles denn überhaupt noch verkaufbar? Wir leben doch in einer Welt, in der wir permanent umzingelt werden von Interessen, die sich auch ästhetisch zeigen. Also wenn man aus jedem Kleidungsstück das Logo der jeweiligen Herstellerfirma raustrennt, dann liefe man rum, wie ein durchlöcherter Käse. Das heißt, da fängt ja schon die Präsenz der Markenartikel an. Und wenn man eine Flasche mit ins Studio nimmt, dann sieht man der Flaschenform bereits an, welchen Gegenstand sie ausdrückt. Das setzt sich fort über die Kraftfahrzeuge et cetera.
Fischer: Und Sie haben es ja vorher schon erwähnt, das Agentur- und sozusagen Werbewesen hat mittlerweile auch in die Politik Einzug gehalten, so wie man es sich vor 10, 15 Jahren noch nicht hätte denken können.
Leder: Weil die Politik natürlich um diese knappe Ressource der Aufmerksamkeit von uns allen genauso mitkämpft. Sie haben bemerkt, dass ganz bestimmte Themen gesetzt werden können, dass durch häufiges Erwähnen von Themen nicht die Meinung durchgesetzt wird, sondern dass man als Zuschauer auch geneigt ist, darüber nachzudenken oder sich darüber zu unterhalten. Das ist natürlich ein Verfahren, wo dann alle gesagt haben, lass uns das doch mal probieren, es kostet ja auch nicht viel. Man muss ja auch mal sehen, dass diese Summen, die da gezahlt werden pro Placement, ob das Themenplacement oder Product Placement war, viel billiger sind, als ein Werbespot, den man auch hätte schalten können.
Fischer: Es ist ja dann auch nicht schwer nachzuvollziehen, wenn die Süddeutsche Zeigung vermutet, auf den Listen mit Auftraggebern von Schleichwerbung könnte zum Beispiel auch die Bundesregierung stehen. Es soll eine Marienhofausgabe geben, in der ein türkischer Gemüsehändler relativ offen, nämlich vor einer Schulklasse, für den EU-Beitritt der Türkei wirbt. Das nennt sich dann Political Placement und wird ja irgendwie entsprechend lanciert worden sein.
Leder: Sicher. Und die Frage ist, wer steckt dahinter. Genauso wäre ja auch das Gegenteil möglich gewesen, dass man eine andere Figur das auch artikulieren lässt. Daran sieht man ja auch, was das Hauptproblem war in der Auseinandersetzung mit den Gegenständen. Wir haben vielleicht als Zuschauer diese Zweifel mitunter gehabt. Die haben wir vielleicht bei den Themenplacements weniger als bei den Product Placements, wo wir auf einmal voller Überraschung gesehen haben, dass die Logos eines Computers oder eine Automarke besonders idyllisch ins Bild gerückt worden sind. Wir haben das aber nie beweisen können. Und was jetzt passiert, ist dass auf einmal ein klassischer Dialogsatz nicht ein Dialog ist, indem eine Figur eine Meinung artikuliert, sondern es ist eine direkt von jemand Drittem an uns adressierte Meinungsaussage, die uns als Zuschauer irgendwie vorbereiten soll auf eine politische Stellungnahme.
Fischer: Und das war Dietrich Leder, Fernsehwissenschaftler an der Kunsthochschule für Medien in Köln. Danke für das Gespräch. Das Hilfswerk Misereor hat übrigens klar gestellt, dass es solche entsprechenden Angebote damals abgelehnt hat.
Leder: Ja, wir sind durch diese Affäre aufmerksam gemacht worden, dass schon seit Jahren, wenn nicht Jahrzehnten Agenturen, PR-Leute dabei sind, die Nachrichtenkanäle, die Nachrichtenströme zu instrumentalisieren. Das beginnt durch kleine Veranstaltungen, über die man berichten lässt. Das geht weiter, dass man Logos entwickelt, die man im Hintergrund überall drauf pappt. Das endet vielleicht auch bei Themensetzung durch Skandalisierungen, durch Effekte, durch Aktionen, mit der man dann automatisch in die Nachrichten rückt. Das ist ein Verfahren, das die ganze Gesellschaft erfasst hat und natürlich dann auch und vielleicht primär das Fernsehen.
Fischer: Aber wenn jetzt auch gemeinnützige Institutionen in Verruf geraten, entweder weil sich herausstellt, dass sie mit Spendengeldern Schleichwerbung bezahlt hätten oder weil sie sich von den Produktionsfirmen aufgefordert fühlten, sich doch mal im angemessenen Licht zu präsentieren. Was ist das denn dann, eine andere Form von Lobbyismus, von Werbung, Veruntreuung von Spendengeldern? Und kann man das alles überhaupt noch voneinander abgrenzen?
Leder: Zunächst muss ich daran erinnern, dass vor allem die Hilfsorganisationen immer wieder mal in Verruf geraten sind, inklusive übrigens der Hilfsorganisation namens politische Parteien, dass sie ihre Spendengelder mitunter obskur hereingewirtschaftet haben, indem sie beispielsweise die Werber hochgradig bezahlt haben. Das heißt, das beginnt schon im Grunde auf der Akquisition der einfachen Spendengelder und geht natürlich dann einen Schritt weiter in dem Medium zentral, das wie wir wissen, Werbegelder en masse organisieren kann. Und dass man natürlich nachdenkt, wie man da am besten hineinkommt, ist glaube ich fast legitim, weil die Kosten, die man dann hätte, werden ja um das x-fache durch die Mehreinnahmen wieder wett gemacht.
Die Frage ist eine moralische an solche Hilfsorganisationen, diese müssten eigentlich eine bessere Moral haben, als die Verkäufer für Staubsauger, oder wie eine politische Partei oder wie auch immer. Und es ist eine Frage an die Medien, was ist alles denn überhaupt noch verkaufbar? Wir leben doch in einer Welt, in der wir permanent umzingelt werden von Interessen, die sich auch ästhetisch zeigen. Also wenn man aus jedem Kleidungsstück das Logo der jeweiligen Herstellerfirma raustrennt, dann liefe man rum, wie ein durchlöcherter Käse. Das heißt, da fängt ja schon die Präsenz der Markenartikel an. Und wenn man eine Flasche mit ins Studio nimmt, dann sieht man der Flaschenform bereits an, welchen Gegenstand sie ausdrückt. Das setzt sich fort über die Kraftfahrzeuge et cetera.
Fischer: Und Sie haben es ja vorher schon erwähnt, das Agentur- und sozusagen Werbewesen hat mittlerweile auch in die Politik Einzug gehalten, so wie man es sich vor 10, 15 Jahren noch nicht hätte denken können.
Leder: Weil die Politik natürlich um diese knappe Ressource der Aufmerksamkeit von uns allen genauso mitkämpft. Sie haben bemerkt, dass ganz bestimmte Themen gesetzt werden können, dass durch häufiges Erwähnen von Themen nicht die Meinung durchgesetzt wird, sondern dass man als Zuschauer auch geneigt ist, darüber nachzudenken oder sich darüber zu unterhalten. Das ist natürlich ein Verfahren, wo dann alle gesagt haben, lass uns das doch mal probieren, es kostet ja auch nicht viel. Man muss ja auch mal sehen, dass diese Summen, die da gezahlt werden pro Placement, ob das Themenplacement oder Product Placement war, viel billiger sind, als ein Werbespot, den man auch hätte schalten können.
Fischer: Es ist ja dann auch nicht schwer nachzuvollziehen, wenn die Süddeutsche Zeigung vermutet, auf den Listen mit Auftraggebern von Schleichwerbung könnte zum Beispiel auch die Bundesregierung stehen. Es soll eine Marienhofausgabe geben, in der ein türkischer Gemüsehändler relativ offen, nämlich vor einer Schulklasse, für den EU-Beitritt der Türkei wirbt. Das nennt sich dann Political Placement und wird ja irgendwie entsprechend lanciert worden sein.
Leder: Sicher. Und die Frage ist, wer steckt dahinter. Genauso wäre ja auch das Gegenteil möglich gewesen, dass man eine andere Figur das auch artikulieren lässt. Daran sieht man ja auch, was das Hauptproblem war in der Auseinandersetzung mit den Gegenständen. Wir haben vielleicht als Zuschauer diese Zweifel mitunter gehabt. Die haben wir vielleicht bei den Themenplacements weniger als bei den Product Placements, wo wir auf einmal voller Überraschung gesehen haben, dass die Logos eines Computers oder eine Automarke besonders idyllisch ins Bild gerückt worden sind. Wir haben das aber nie beweisen können. Und was jetzt passiert, ist dass auf einmal ein klassischer Dialogsatz nicht ein Dialog ist, indem eine Figur eine Meinung artikuliert, sondern es ist eine direkt von jemand Drittem an uns adressierte Meinungsaussage, die uns als Zuschauer irgendwie vorbereiten soll auf eine politische Stellungnahme.
Fischer: Und das war Dietrich Leder, Fernsehwissenschaftler an der Kunsthochschule für Medien in Köln. Danke für das Gespräch. Das Hilfswerk Misereor hat übrigens klar gestellt, dass es solche entsprechenden Angebote damals abgelehnt hat.