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Der Kampf ums weiße Gold

Monatelang hat die Europäische Kommission um eine Reform der Zuckermarktordnung gerungen. Ein kompliziertes Regelwerk, das es seit 1968 gibt. Es wurde geschaffen, um den europäischen Rübenbauern Absatzgarantien zu festen Preisen zu gewähren. Und dafür zu sorgen, den europäischen Zuckermarkt gegenüber dem Weltmarkt abzuschotten.

Von Ursula Mense | 12.12.2005
    Die europäische Zuckermarktordnung war lange vielen Entwicklungsländern und der Welthandelsorganisation WTO ein Dorn im Auge. Bis Brasilien, einer der größten Agrarexporteure, Klage einreichte bei der WTO und gewann. Im Frühjahr erhielten die Europäer die Auflage, bis Mai 2006 ihre Zuckermarktordnung zu ändern und die Subventionen abzubauen. Morgen beginnt in Hongkong die nächste Ministerkonferenz der Welthandelsorganisation. Nach dem Scheitern der vorherigen Konferenz in Cancun lastet ein enormer Erfolgsdruck auf dem Treffen. Bei den Verhandlungen geht es um verbesserte Marktzugänge für die Entwicklungsländer auch im Agrarsektor. Zucker wird dort eines der Produkte sein, für das ein besserer Marktzugang vereinbart werden soll.

    Die Zeit während der Monate dauernden Auseinandersetzungen in der EU über den Reformvorschlag der EU-Kommission haben Bauern wie Zuckerproduzenten fleißig genutzt. Mit Demonstrationen in Berlin und Brüssel, regionalen Kundgebungen und Informationsveranstaltungen in Gegenden, in denen der Großteil der Bevölkerung von der Zuckerwirtschaft lebt, haben die Betroffenen ihre Ängste artikuliert und das Gespenst der Arbeitslosigkeit beschworen.

    "Wir sind alle, sowohl die Belegschaften hier der Fabriken, aller Fabriken, wie der Landwirte, wie der Industrie bestrebt, möglichst ein humanes Ergebnis zu bekommen. Dass wir auch davon leben können. Für uns Landwirte, da wird mancher auf der Strecke bleiben. Der das dann nicht mehr kann. Und es gibt keine Alternativen. Die Angestellten hier der Zuckerfabriken haben auch keine."

    Zuckerfabrik Euskirchen vor einigen Wochen. Eine von vier deutschen Produktionsstätten der Firma Pfeifer & Langen. Hier entsteht Kölner Zucker. Der mit den zwei Zuckerhüten. Logo einer Firma, die damit ihre Nähe zur Domstadt dokumentiert. In Köln hat sie ihren Hauptsitz. Mit Nord- und Südzucker gehört das inzwischen über 130 Jahre alte Unternehmen zu den Großen in Europa. Hier sind gut 900 Menschen beschäftigt – ohne zusätzliche Hilfskräfte, die während der Rübenkampagne gebraucht werden. Bisher ermöglichte der sichere Arbeitsplatz ihnen ein gutes Leben. Jetzt treibt sie die Frage um, wie und ob es weitergeht.

    "Wir sind jung verheiratet, Haus gebaut, da müssen wir schon sehen, dass es weiter rundgeht. Müssen wir abwarten, was da kommt."

    Inzwischen hat das Warten ein Ende. Vor zwei Wochen haben sich die EU-Agrarminister auf eine Reform der 37 Jahre alten Zuckermarktordnung geeinigt. Kurz zuvor schon hatte sich der neue Verbraucher- und Landwirtschaftsminister Horst Seehofer beeindruckt von den Ängsten und Klagen gezeigt und versucht, die beteiligten Parteien zu beruhigen.

    "Preissenkungen müssen so gestaltet werden, dass dieser Reformprozess von den Bauern und den Zuckerfabriken auch verkraftet werden kann. Es ist die Kunst, die Reform so zu machen, dass sie rentabel ist für die Bauern und für die Zuckerwirtschaft. "

    Das ist offenbar gelungen. Und nun sind über Nacht alle existenzbedrohenden Ängste verflogen, Arbeitslosigkeit und Betriebsaufgaben in Deutschland jedenfalls kein Thema mehr.

    "Wir können den Zuckerrübenanbau in Deutschland aufrechterhalten, "

    sagte Bauernpräsident Gerd Sonnleitner sichtlich zufrieden nach der entscheidenden Sitzung in Brüssel. Und bekräftigte, was man immer schon wusste, angesichts der aufgebrachten Bauern aber schon fast wieder vergessen hatte.

    "Die rheinischen Zuckerrübenanbauer sind die wettbewerbsstärksten in der EU."

    Hat hier vielleicht eine gut funktionierende Lobby mal wieder stark getrommelt - im Endeffekt mit Erfolg? Auf jeden Fall ist der Kompromiss der EU im Vergleich zum Kommissions-Vorschlag besser ausgefallen – zumindest für die deutschen Rübenbauern. Tatsache ist: sie werden für ihre Rüben weniger Geld bekommen. Allerdings sind die Preissenkungen nicht so hoch ausgefallen, wie anfangs vorgeschlagen. Außerdem erfolgen sie in Schritten und beginnen erst in vier Jahren. Die angekündigten Ausgleichszahlungen wurden erhöht. Zuckerfabriken, die ihre Produktion einstellen wollen, erhalten aus einem von der Zuckerindustrie finanzierten Fond zwei Jahre lang 730 Euro pro Tonne.

    "Das finden wir insgesamt ein recht intelligentes Modell. Es bleibt abzuwarten, wie das funktioniert…"

    …freute sich darüber schon früh Dieter Langendorf von der Wirtschaftlichen Vereinigung Zucker. Und Marian Fischer-Boel, die EU-Agrar-Kommissarin, bemerkte fast entschuldigend:

    "Das Geld kann von der Zuckerindustrie nicht einfach nur eingesteckt werden. Sie können es nicht auf den Bahamas ausgeben, sondern dieses Geld ist dazu gedacht, dass die Fabriken stillgelegt werden und zwar, dass dies umweltgerecht geschieht mit sozialer Unterstützung für die Beschäftigten."

    Von den Umstrukturierungshilfen werden vor allen wettbewerbsschwache Regionen wie der Süden oder der Norden Europas Gebrauch machen. Sie werden in Zukunft keinen Zucker mehr produzieren, die Produktionsmenge in der EU wird damit zurückgehen. Das ist Sinn und Zweck der Reform, sagt Renate Nikolai, Mitglied im Kabinett des Handelskommissars Peter Mandelson.

    "Wir leben in einem Binnenmarkt. Lebensmittelsicherheit kann man auch sicherstellen, wenn man nicht dasselbe Produkt in allen Mitgliedsstaaten produziert. Klimatisch ist es ja ohnehin schon so, dass wir nicht alle Produkte in allen Mitgliedsstaaten produzieren. Zucker ist insofern nicht anders. Wenn einige das effizienter und wettbewerbsstärker können, warum soll es nicht diesen Wandel geben?"

    Mit der Reform hat die EU nun ihre Hausaufgaben vor Beginn der Konferenz in Hongkong gemacht. Ob sie mit den Vorstellungen der Entwicklungsländer über einen freien Zugang zum europäischen Zuckermarkt konform geht, wird sich zeigen. Um zu verstehen, warum ein Scheitern in Hongkong auch für die Europäer problematisch werden könnte, ein Blick in die Geschichte.

    Um sich vom Zuckerrohr aus den Überseegebieten unabhängig zu machen, begannen mit der Kontinentalsperre Napoleons die Europäer Zuckerrüben anzubauen. Das war auch der Beginn einer immer noch anhaltenden Nord-Süd-Konkurrenz. Über 150 Jahre lang wurde die Zuckerrübe in Europa hochgepäppelt. Heute ist der Rübenanbau ein wichtiger Produktionszweig in der Europäischen Landwirtschaft, obwohl EU-weit nur vier Prozent der Landwirte Rübenbauer sind. Allein in Deutschland hängen 48.000 landwirtschaftliche Betriebe und 26 Zuckerfabriken vom Rübenanbau ab. Sie produzierten im vergangenen Jahr insgesamt 4,3 Millionen Tonnen Zucker. EU-weit sind es etwa 20 Millionen Tonnen. Davon verbrauchen die Europäer selbst rund 16 Millionen. Der Rest wird exportiert. Der Grund für diese Erfolgsgeschichte ist die 1968 geschaffene Zuckermarktordnung. Denn nur sie konnte den europäischen Rübenanbau durch Absatzgarantien und hohe Zölle vor der Weltmarktkonkurrenz schützen. Rudolf Buntzel-Cano ist Beauftragter für Welternährungsfragen beim Evangelischen Entwicklungsdienst.

    "Die Zuckermarktordnung hat als Ziel, die Mengen der Zuckerproduktion in Europa zu steuern, und dazu ist das komplizierte System eingerichtet worden von einer Kontingentierung der Produktion, so dass jedes Land, jede Fabrik und Bauer eine ganz bestimmte Quote vorgegeben hat, die produzieren darf. "

    Für den so genannten A-Zucker, der die EU versorgen soll, erhält der Landwirt eine volle Absatzgarantie, für B-Zucker ebenfalls, allerdings mit einer stark beschränkten Preisgarantie. C-Zucker wird nicht gestützt und darf zum Weltmarktpreis exportiert werden. Für Buntzel-Cano schon ein Fehler im System. Denn in den vergangenen Jahren haben die europäischen Bauern von der jeweiligen A-Quote 150 Prozent C-Zucker produziert.

    "Die Zuckerwirtschaft hat immer argumentiert, bei Zucker lässt sich die Produktionsmenge nicht immer eindeutig bestimmen, weil Witterungseinflüsse den Zuckergehalt in der Rübe ändern, so dass Schwankungen aufgefangen werden müssen. Deshalb hat man damals, neben dem A-Kontingent, das den Binnenmarkt abdeckte, zugestanden eine bestimmte Flexibilität, dass man auch mal überproduzieren darf. Das war die so genannte B-Quote. Und dann ist man auf die Idee gekommen, weil Zucker so vorzüglich wurde, ach, wir könnten ja noch mehr Zucker produzieren. Und den Zucker, den wir dann überproduzieren, den verkaufen wir zum Weltmarktpreis, und die Bauern kriegen auch den Weltmarktpreis. Und deswegen nannte sich der auch nicht Quote, sondern C-Zucker. Damit hat man mächtig die Produktion angefacht und den Export expandiert."

    Was der Hauptgrund für Brasilien und Australien war, die EU zu verklagen. Denn die EU-Bauern können – besser gesagt konnten bisher - ihren C-Zucker nur deshalb auf dem Weltmarkt verkaufen, weil sie auf dem europäischen Binnenmarkt für ihren A- und B-Zucker das Dreifache bekamen. Eine Art Quersubventionierung, die mit den internationalen Handelsregeln nicht in Einklang steht. Auch nach der Reform der Zuckermarktordnung wird der Zuckerpreis in der EU immer noch doppelt so hoch sein wie der Weltmarktpreis. Damit das – aus europäischer Sicht - so bleibt, müssen in Hongkong zwei Bedingungen erfüllt werden, sagt Buntzel-Cano.

    "Wenn die EU es schafft, Zucker zu einem so genannten sensiblen Produkt zu erklären bei der WTO, denn für sensible Produkte muss die zukünftige Zollreduktion geringer ausfallen als für den Durchschnitt. Die zweite Bedingung ist, dass wir die so genannte Schutzklausel aufrechterhalten. Diese spezielle Schutzklausel haben wir immer angewandt im Zuckerbereich, um uns gegen billigen Importzucker noch zusätzlich zu schützen. "

    Diese Schutzklausel ermöglicht es einigen wenigen Industrieländern, von hohen Zöllen Gebrauch zu machen. Derweil liegt der so genannte Mischzoll für Zucker bei 300 bis 350 Prozent. Ein weiterer Grund dafür, warum es für Länder außerhalb Europas fast unmöglich ist, ihren Zucker in der EU zu verkaufen. Mit einer Ausnahme: Bestimmte Länder Afrikas, der Karibik und des Pazifiks, die so genannten AKP-Staaten, dürfen eine festgelegte Menge Zucker in die EU exportieren.

    "Die sind an die EU gebunden durch den Vertrag von Cotonou, das ist die Hauptstadt von Benin. Der Vertrag hat viele Aspekte. Innerhalb des kleinen Teils gibt es verschiedene Protokolle. Das eine ist das Zuckerprotokoll. Das Zuckerprotokoll war ursprünglich mal Teil vom Vorläufer des Cotonou Vertrags, nämlich Lomé, aber hat dann eine eigene völkerrechtliche Wirksamkeit bekommen. Während der Cotonouvertrag bis zum Jahr 2019 geht, ist das Zuckerprotokoll unbegrenzt wirksam. Es kann nur unter schwierigen Bedingungen gekündigt werden."

    Die AKP-Staaten exportieren im Jahr 1,7 Millionen Zucker in die Europäische Union. Da die EU von ihrer eigenen 20 Millionen-Produktion nur 16 Millionen selbst verbraucht, wird der AKP-Zucker als durchlaufender Posten wieder re-exportiert. Die notwendigen Ausfuhrerstattungen finanziert der EU-Agrarhaushalt mit jährlich etwa 830 Millionen Euro. Eine Verpflichtung, von der die EU nicht begeistert ist, glaubt Buntzel-Cano, die sie aber so leicht nicht loswird. Dabei könnten ihr jedoch die jetzt beschlossenen Preissenkungen ein willkommenes Hilfsmittel sein.

    "Sie haben das Recht zu liefern, aber ob sie das ökonomisch können, für 420 Euro die Tonne Weißzucker liefern können, Länder wie Mauritius, Fidschi können alle nicht mehr für 420 Euro liefern. Das heißt, deren Quoten verfallen. Sie können sie nicht bedienen. Und damit ist man die vertragliche Verpflichtung auf elegantem Weg los."

    Als "Keulenschlag" hat deshalb auch der Landwirtschaftsminister von Mauritius die EU-Beschlüsse bezeichnet. Das Land exportiert jährlich rund 550.000 Tonnen Zucker in die EU. Die Zuckerindustrie ist die tragende Säule der Wirtschaft von Mauritius, das die meisten Quoten der AKP-Staaten hat. Noch härter trifft die Reform der Zuckermarktordnung allerdings afrikanische Bauern und Bäuerinnen in Ländern wie Sambia, Mosambik oder Tansania. Auch in Mosambik profitiert die Gesellschaft von der Zuckerfabrik, sagt Dinis Matsolo. Er ist Generalsekretär des Nationalen Christenrats von Mosambik, Theologe und Landwirt.

    "Ohne Zweifel profitiert die Bevölkerung von der Zuckerindustrie. Nicht nur im Hinblick auf die vielen Arbeitsplätze, die sie geschaffen hat und die immer noch mehr werden. Sie ermutigt auch kleine Farmer Zuckerrohr anzubauen und den an die Fabriken zu verkaufen. So entwickelt sich jetzt in Regionen mit hoher Arbeitslosigkeit eine Generation mit stabilem Einkommen. Wir hatten sechs Zuckerfabriken in Mosambik. Der Bürgerkrieg hat sie alle zerstört. Aber in den vergangenen Jahren hat die Regierung vier davon wieder aufgebaut. Mit dem Zuckerverkauf ist die Regierung in der Lage, anderes zu finanzieren, was der Bevölkerung zugute kommt."

    Die AKP-Staaten haben bereits angekündigt, die WTO darum zu bitten, Zucker als so genanntes sensibles Produkt einzustufen. Besseres kann der EU eigentlich nicht passieren. Denn nur wenn sie es schafft, dass Zucker als sensibles Produkt eingruppiert wird, kann sie ihren Preis von etwa 420 Euro pro Tonne Zucker halten. Das heißt aber auch, dass die EU auf das positive Votum der AKP Staaten angewiesen ist.

    "Wenn AKP-Staaten gewillt sind, das Ganze zum Scheitern zu bringen, wegen dieser Themen, dann werden sie es schaffen."

    Sagt Renate Nikolai. Die im übrigen nichts davon hält, Entwicklungsländer dauerhaft durch besondere Marktzugänge abhängig zu machen. Gerade das verstehen viele dieser Länder oft anders. Buntzel-Cano

    "Das Interesse von diesen AKP-Ländern ist, möglichst viel ´rauszuschlagen. Natürlich sagen sie, sie wollen lieber Handel als Hilfe, also lieber hohe Preise in der EU. Aber sie haben eine Rückzugslinie. Ihre Forderung ist, wenn wir das nicht halten können, dann wollen wir aber die gleichen Kompensationen bekommen wie eure inländischen Produzenten, wir sind ja Teil eurer Zuckermarktordnung."

    Kompensation ist ein Wort, das die EU-Kommission nicht mag, sagt Buntzel-Cano. Vielleicht wäre für das, was sie den AKP-Staaten anbietet, auch die Bezeichnung Trostpflaster besser. Aber immerhin: es ist geplant, der besonderen Verantwortung diesen Ländern gegenüber auch mit finanziellen Hilfen nachzukommen. Flankierende Maßnahmen im Rahmen eines so genannten Aktionplans. Das heißt, sie bekommen Geld nach einem bestimmten Verteilsystem. EU-Kommissionsmitglied Renate Nikolai:

    "Wir konnten auf jeden Fall sicherstellen 40 Millionen für das nächste Jahr. Wichtig in dem Zusammenhang ist, dass es nicht ein Programm für alle gibt, sondern, dass man sich individuell die Situation in den Ländern anschaut. Mauritius ist sicher ein Beispiel von einem Land, was aus meiner Sicht ein enormes Potential hat, aber was eine Monokultur von Zucker hat und man sich überlegen muss, ob das in Hinblick auf diese Weltmarktsituation und wie sie sich verändern wird auf die sehr starken Wettbewerbspartner Brasilien, es so zu belassen oder ob es nicht höchste Zeit ist für Mauritius, diese Begleitmaßnahmen zu nutzen, um in andere Bereiche zu gehen, was auch in dem Land durchaus möglich wäre."

    39 der AKP-Staaten gehören zur Gruppe der insgesamt 49 LDC-Staaten. Das sind die am wenigsten entwickelten Länder. Für sie wurden alle Zölle und Importquoten abgeschafft. Für alle Waren außer Waffen: - everything but arms - . Diese kurz EBA genannte Initiative soll Ländern mit einem Pro-Kopf-Einkommen von unter 500 US-Dollar eine bessere Entwicklungsmöglichkeit geben und sie in den Welthandel einbinden. Ab 2009 gilt das Abkommen auch für Zucker. Bis dahin gibt es Übergangsregelungen. Steigen die Zuckerexporte der EBA-Staaten in die EU ab 2009 allerdings um mehr als 25 Prozent, wird automatisch die Schutzklausel und damit der hohe Zoll wirksam. Die Zuckerindustrie fürchtet vor allem den Dreieckshandel, die so genannten Swap-Geschäfte. Der potente Erzfeind Brasilien hat auch hier die Nase vorn, glaubt Dieter Langendorf von der Wirtschaftlichen Vereinigung Zucker.

    "So wie das jetzt gestaltet wird, ist es möglich, Zucker aus einem Land wie Brasilien in ein weniger entwickeltes Land zu bringen, dort geringfügig zu verarbeiten und von dort dann praktisch zollfrei in die EU zu liefern. "

    Die EBA-Initiative zwar sieht vor, dass nur in den Ländern selbsterzeugter Zucker exportiert werden darf. Geringfügig verarbeitete Produkte, die aus anderen Ländern stammen, sollen aber ausgenommen werden können. Das ist das Schlupfloch. Und auch eine andere Variante ist noch möglich. Buntzel-Cano:

    "Dass die LDCs all ihren Zucker an uns liefern und den billigen brasilianischen Zucker für den Binnenmarkt nutzen, das ist eine Spekulation, die nur einigen wenigen Großen in dem Land helfen wird. Und diese Mittel, die dadurch regeneriert werden, würden mit Sicherheit nicht der Entwicklung, bzw. nur einer armutsorientierten dort zur Verfügung stehen. Deswegen sind wir auch überhaupt nicht für diesen Swaphandel und würden gern Maßnahmen sehen, die ergriffen werden, um den in den Griff zu kriegen."

    Auch das bleibt den Konferenzteilnehmern der nächsten Doha-Runde vorbehalten. Der von vielen Seiten schon wieder kaum mehr eine Chance eingeräumt wird. Der Protektionismus werde zunehmen, warnte EU-Handelskommissar Peter Mandelsons erst kürzlich und mahnte eindringlich, die Welthandelskonferenz in Hongkong nicht scheitern zu lassen. Die deutsche Zuckerindustrie hat unterdessen schon vorgesorgt. Südzucker soll angeblich in Brasilien die ersten Zuckerfabriken bauen. Namen bestätigte Dieter Langendorf nicht, aber…

    "Es gibt schon mehr als ein europäisches Unternehmen, das in Brasilien aktiv ist und dort in eine Zuckerfabrik einsteigt. Das muss nicht bedeuten, dass neue entstehen, sondern dass man in bestehende Unternehmen einsteigt in Brasilien und anderen Ländern."

    Damit ist klar- egal was die Konferenzteilnehmer in Hongkong entscheiden werden. Die Zuckerindustrie ist in jeden Fall auf Seiten der Gewinner.