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Der Klang der Steine

Archäologie. - Der Steinring von Stonehenge ist nach wie vor ein großes Rätsel. Weder weiß man, wie die untergegangene Steinzeitkultur die Megalithen zusammengetragen und aufgerichtet hat, noch welchem Zweck die Anlage diente. Ein Akustik-Forscher untersucht jetzt die Wirkung der Steine auf die Wahrnehmung von Musik.

Von Guido Meyer | 17.02.2012
    iPhone-Nutzer schrecken jetzt womöglich zusammen und greifen schnellstens zu ihrem Handy. "Xylophon" nennt sich dieser Klingelton, der genau dieses Instrument imitiert: Klöppel schlagen auf Holzstäbe und erzeugen Töne. Damit gehört das Xylophon zu den Idiophonen, den Selbsttönern. So heißen Instrumente, die als Ganzes schwingen und bei denen keine Tasten, Saiten oder Membranen den Klang erzeugen. Wie so oft stand die Natur Pate. Dort heißen solche Klangkörper Lithophone.

    Und das, das ist kein Holz sondern Stein. Genauer: Es sind die Megalithen von Stonehenge, jener kreisförmigen Gesteinsformation in England. Einige dieser Steine nämlich haben kleine Vertiefungen, die einen Klang erzeugen, wenn man sie anschlägt. Archäologen bezeichnen sie deswegen auch als Ringing Rocks, als 'klingelnde Steine'. Der amerikanische Akustik-Forscher Steven Waller hat sich die Gesteinsbrocken in Südengland näher angesehen und ist dabei noch auf andere Auffälligkeiten gestoßen.

    "Stonehenge ist uns nach wie vor ein Rätsel. Warum haben unsere Vorfahren vor 5000 Jahren Unmengen schweren Gesteins zu dieser merkwürdigen Struktur zusammengetragen? Ich wollte herausfinden, ob die Akustik vielleicht zur Lösung dieses Rätsels beitragen kann. Es scheint nämlich eine Verbindung zwischen der Anordnung der Steine und dem Interferenz-Muster von Geräuschen zu geben."

    Von Interferenzen sprechen Akustiker, wenn sich zwei Schallquellen verstärken oder aber gegenseitig auslöschen. Steven Waller hat zwei Flötenspieler im Freien nebeneinander gestellt und sie spielen lassen. Bewegt sich eine dritte Person nun kreisförmig um die beiden Musikanten herum, wird sie die Flötentöne an einigen Stellen des Kreises lauter, an anderen leiser wahrnehmen.

    "Ich habe daraufhin einigen Probanden die Augen verbunden und sie im Kreis um ein Paar Flötenspieler herumgeführt. Sie sollten danach zeichnen, was sie zwischen sich und der Geräuschquelle vermutet haben, welche Kraft oder Masse also die Musik mal lauter und mal leiser werden ließ. Sie haben Säulen gemalt, Pfeiler und Gesteinsträger. Ihr Zeichnungen entsprachen ziemlich genau der Anordnung der Steine in Stonehenge."

    Und so machte Steven Waller die Gegenprobe: Befindet sich in der Mitte der Stonehenge-Stein-Kreise eine Musikquelle und bewegt sich eine Person außen um den Gesteinszirkel herum, entsteht exakt der gleiche akustische Eindruck wie beim Interferenz-Muster zweier Instrumente. Die Megalithen lassen mal mehr, mal weniger Schall durch.

    "Wenn unsere Vorfahren um Flötenspieler herumgetanzt sind und dabei die Lautstärken-Schwankungen vernommen haben, konnten sie diese nicht erklären. Interferenzen waren zur damaligen Zeit noch unbekannt. Ihnen muss es so vorgekommen sein, als befänden sich massive, unsichtbare Strukture in einem Ring zwischen der Geräuschquelle und ihnen. Sie konnten diesen Effekt nicht erklären. Und alles, was nicht erklärbar war, galt als magisch und übernatürlich. Dies dürfte sie animiert haben, eine Gesteinsformation entsprechend ihrer akustischen Wahrnehmung zu errichten."

    Diese Theorie will Akustik-Forscher Waller in den kommenden Monaten an weiteren historischen Stätten daraufhin überprüfen, ob diese womöglich auch klingen.