Jetzt ist er rum, wie man bei uns sagt, also vorbei, der
"Fasching."
Ein typisch bayerischer Ausdruck, hier aufgenommen südöstlich vom Chiemsee: Fasching ist hierzulande das, was im Rheinland Karneval heißt. Machma also die Probe mit ana kleinen akustischen Rundreise - nur durch den Bezirk Oberbayern. In Ramsau bei Berchtesgaden sagt man
"Fasching."
In der Nähe von Wasserburg am Inn
"Fosching."
Und 30 Kilometer weiter westlich, schon im Münchner S-Bahn-Bereich
"Fasching ... oder Fasenacht."
Ha? Da stellt es einem ja als Münchner die Fußnägel auf - Fasenacht! So redet man vielleicht in Schwaben, aber doch nicht in Oberbayern, oder? Weiter mit der Faschings-Rundreise:
"Foosat, Fosenacht oder Fosnacht, Fosnacht."
Miesbach, Wolfratshausen, Andechs, im Herzen von Altbaiern also - und überall heißt es Fasnacht.
"Das hat uns natürlich auch verblüfft, dass die Fasnacht, also das an sich schwäbisch-fränkische Wort so weit nach Osten geht,"
... staunt mit mir der Sprachforscher Werner König von der Uni Augsburg, ...
"und dass der Fasching eigentlich was Österreichisches ist, aber von Wien offensichtlich nach München gehüpft ist und da dann zu einem bayerischen Demonstrationswort fast geworden ist."
Stimmt: Wer als Münchner was auf sich hält, der würde nie zu einem Fasnachts-Umzug gehen. Überraschungen wie die mit dem Fasching, pardon: der Fasnacht, gibt es mehrere im "Sprechenden Sprachatlas". Sogar für den Werner König, der südlich von Augsburg aufgewachsen ist, da wo man schwäbisch redt in Bayern.
"Ich hab zum Beispiel nicht gewusst, dass man hier in unserer Gegend, ich kannte nur Gottesacker, aber da sagt man auch Freidhof. Das war die ältere Form, die ist dann plötzlich wieder aufgetaucht."
"Kirchhof. Gottsacker, später Friedhof. Gottsacker, Lorenzergütl sagt man bei uns. Der Freidhof. Der Kirchhof."
Der Friedhof in Bayerisch-Schwaben von Nord nach Süd. Wer glaubt, dass es in Bayern nur bayerisch, schwäbisch, und fränkisch gibt, der kann beim sprechenden Sprachatlas dazulernen. In Bayern redt man nämlich auch Hessisch bei Aschaffenburg:
"Mir läse die Zaidung."
Thüringisch bei Ludwigstadt in Oberfranken:
"Wänn er bloß ändlisch käm."
und Alemannisch am Bodensee:
"Är isch krank gsi."
Dazulernen kann man auch, dass die Grenzen von den Regierungsbezirken keine scharfen Sprachgrenzen sind. Im Fichtelgebirge in Oberfranken sagt man zum Beispiel genau wie in der bayerischsprachigen Oberpfalz:
"Kumm in de Stubn eina,"
während es sonst in Oberfranken heißt:
"Kumm in die Stubn rei."
Genauso fließend ist der Übergang zwischen Altbayerisch und Schwäbisch, nicht nur in Sachen Fasnacht. In Pasing zum Beispiel, heute ist das ein Stadtteil im Westen von München, da haben die Leute früher in der "Gaschtstube" gesessen und Rascht gemacht. Drum waren die Pasinger in den Ohren von den Münchnern ganz einfach Schwaben. 20 Kilometer westlich von Pasing, immer noch in Oberbayern, sind diese Herrschaften zu Hause: die Biermösl Blosn:
"Vielleicht woaß de oa oder da anda da herinn nicht, was a Dirndl is. A Dirndl is kein Kleidungsstück, sondern a Dirndl is des Gegenteil von am Buam, und a Bua is des Gegenteil von am Minischtranten. S Dirndl des hat glacht, hat Spassettln gmacht, kimmscht aufs Kammerfenschterl auf der Nacht."
König: "Wenn man die Biermösl anhört, die kommen aus der Gegend von Fürstenfeldbruck, und die sprechen auch noch dieses "sch" im Inlaut, was die Bayern eigentlich nicht tun. Die sagen Gascht und Hascht oder so etwas."
Biermösl: "Bin i mit meim Verlanga zum Herrn Bischof ganga: Derf i, derf is Diandl liabn? Naa, naa, sagt er, des waar a Schand - und schaut auf seinen Lieblings-Minischtrant."
Wer sich richtig hineinvertieft in den sprechenden Sprachatlas, der merkt: Eigentlich hat jedes von den 66 Dörfern, wo die Forscher Aufnahmen gemacht haben, seinen eigenen Dialekt. Kleinräumige Verteilung nennt das der Sprachforscher.
"Man muss davon ausgehen, dass vor tausend Jahren diese Vielfalt noch nicht so groß war. Vor 1000, 1200 Jahren sind die Leute gerade irgendwo sesshaft geworden, das Land wurde besiedelt, und dann haben sich die Dialekte auseinander entwickelt. Es war nicht so, dass wie heute so eine Mobilität der Bevölkerung da war."
Stimmt: Kaum jemand bleibt heute noch sein Lebtag im selben Dorf. Und in Radio und Fernsehen reden sie auch fast nur hochdeutsch. Da werden auch auf dem Land zum Beispiel die alten Wochentagsnamen bald vergessen sein. Eine Kostprobe aus jedem von den sieben Regierungsbezirken - angefangen mit Oberfranken ganz im Norden und dann im Uhrzeigersinn durchs altbayerische und schwäbische Gebiet zurück nach Mittel- und Unterfranken kann man im Internet lauschen.
Vielleicht ist der sprechende Sprachatlas also schon in einer Generation ein historisches Dokument. Heute ist es einfach, so ein Sprachmuseum im Internet einzurichten - und darum für Werner König selbstverständlich, dass seine Forschungsergebnisse nicht nur als teure Bücher erscheinen.
"Wenn man eineinhalb Jahrzehnte Geld bekommen hat vom Steuerzahler, um so etwas zu machen, besteht fast eine Verpflichtung, etwas draus zu machen, was den dann wieder interessiert. Das heißt, wir haben dem Volk etwas zurückgegeben, was es vorher uns gegeben hat, dass wir wissenschaftlich forschen konnten."
Wenn auch Sie in den sprechenden Sprachatlas von Bayern hineinhören wollen, können Sie das unter sprachatlas.bayerische-landesbibliothek-online.de
"Fasching."
Ein typisch bayerischer Ausdruck, hier aufgenommen südöstlich vom Chiemsee: Fasching ist hierzulande das, was im Rheinland Karneval heißt. Machma also die Probe mit ana kleinen akustischen Rundreise - nur durch den Bezirk Oberbayern. In Ramsau bei Berchtesgaden sagt man
"Fasching."
In der Nähe von Wasserburg am Inn
"Fosching."
Und 30 Kilometer weiter westlich, schon im Münchner S-Bahn-Bereich
"Fasching ... oder Fasenacht."
Ha? Da stellt es einem ja als Münchner die Fußnägel auf - Fasenacht! So redet man vielleicht in Schwaben, aber doch nicht in Oberbayern, oder? Weiter mit der Faschings-Rundreise:
"Foosat, Fosenacht oder Fosnacht, Fosnacht."
Miesbach, Wolfratshausen, Andechs, im Herzen von Altbaiern also - und überall heißt es Fasnacht.
"Das hat uns natürlich auch verblüfft, dass die Fasnacht, also das an sich schwäbisch-fränkische Wort so weit nach Osten geht,"
... staunt mit mir der Sprachforscher Werner König von der Uni Augsburg, ...
"und dass der Fasching eigentlich was Österreichisches ist, aber von Wien offensichtlich nach München gehüpft ist und da dann zu einem bayerischen Demonstrationswort fast geworden ist."
Stimmt: Wer als Münchner was auf sich hält, der würde nie zu einem Fasnachts-Umzug gehen. Überraschungen wie die mit dem Fasching, pardon: der Fasnacht, gibt es mehrere im "Sprechenden Sprachatlas". Sogar für den Werner König, der südlich von Augsburg aufgewachsen ist, da wo man schwäbisch redt in Bayern.
"Ich hab zum Beispiel nicht gewusst, dass man hier in unserer Gegend, ich kannte nur Gottesacker, aber da sagt man auch Freidhof. Das war die ältere Form, die ist dann plötzlich wieder aufgetaucht."
"Kirchhof. Gottsacker, später Friedhof. Gottsacker, Lorenzergütl sagt man bei uns. Der Freidhof. Der Kirchhof."
Der Friedhof in Bayerisch-Schwaben von Nord nach Süd. Wer glaubt, dass es in Bayern nur bayerisch, schwäbisch, und fränkisch gibt, der kann beim sprechenden Sprachatlas dazulernen. In Bayern redt man nämlich auch Hessisch bei Aschaffenburg:
"Mir läse die Zaidung."
Thüringisch bei Ludwigstadt in Oberfranken:
"Wänn er bloß ändlisch käm."
und Alemannisch am Bodensee:
"Är isch krank gsi."
Dazulernen kann man auch, dass die Grenzen von den Regierungsbezirken keine scharfen Sprachgrenzen sind. Im Fichtelgebirge in Oberfranken sagt man zum Beispiel genau wie in der bayerischsprachigen Oberpfalz:
"Kumm in de Stubn eina,"
während es sonst in Oberfranken heißt:
"Kumm in die Stubn rei."
Genauso fließend ist der Übergang zwischen Altbayerisch und Schwäbisch, nicht nur in Sachen Fasnacht. In Pasing zum Beispiel, heute ist das ein Stadtteil im Westen von München, da haben die Leute früher in der "Gaschtstube" gesessen und Rascht gemacht. Drum waren die Pasinger in den Ohren von den Münchnern ganz einfach Schwaben. 20 Kilometer westlich von Pasing, immer noch in Oberbayern, sind diese Herrschaften zu Hause: die Biermösl Blosn:
"Vielleicht woaß de oa oder da anda da herinn nicht, was a Dirndl is. A Dirndl is kein Kleidungsstück, sondern a Dirndl is des Gegenteil von am Buam, und a Bua is des Gegenteil von am Minischtranten. S Dirndl des hat glacht, hat Spassettln gmacht, kimmscht aufs Kammerfenschterl auf der Nacht."
König: "Wenn man die Biermösl anhört, die kommen aus der Gegend von Fürstenfeldbruck, und die sprechen auch noch dieses "sch" im Inlaut, was die Bayern eigentlich nicht tun. Die sagen Gascht und Hascht oder so etwas."
Biermösl: "Bin i mit meim Verlanga zum Herrn Bischof ganga: Derf i, derf is Diandl liabn? Naa, naa, sagt er, des waar a Schand - und schaut auf seinen Lieblings-Minischtrant."
Wer sich richtig hineinvertieft in den sprechenden Sprachatlas, der merkt: Eigentlich hat jedes von den 66 Dörfern, wo die Forscher Aufnahmen gemacht haben, seinen eigenen Dialekt. Kleinräumige Verteilung nennt das der Sprachforscher.
"Man muss davon ausgehen, dass vor tausend Jahren diese Vielfalt noch nicht so groß war. Vor 1000, 1200 Jahren sind die Leute gerade irgendwo sesshaft geworden, das Land wurde besiedelt, und dann haben sich die Dialekte auseinander entwickelt. Es war nicht so, dass wie heute so eine Mobilität der Bevölkerung da war."
Stimmt: Kaum jemand bleibt heute noch sein Lebtag im selben Dorf. Und in Radio und Fernsehen reden sie auch fast nur hochdeutsch. Da werden auch auf dem Land zum Beispiel die alten Wochentagsnamen bald vergessen sein. Eine Kostprobe aus jedem von den sieben Regierungsbezirken - angefangen mit Oberfranken ganz im Norden und dann im Uhrzeigersinn durchs altbayerische und schwäbische Gebiet zurück nach Mittel- und Unterfranken kann man im Internet lauschen.
Vielleicht ist der sprechende Sprachatlas also schon in einer Generation ein historisches Dokument. Heute ist es einfach, so ein Sprachmuseum im Internet einzurichten - und darum für Werner König selbstverständlich, dass seine Forschungsergebnisse nicht nur als teure Bücher erscheinen.
"Wenn man eineinhalb Jahrzehnte Geld bekommen hat vom Steuerzahler, um so etwas zu machen, besteht fast eine Verpflichtung, etwas draus zu machen, was den dann wieder interessiert. Das heißt, wir haben dem Volk etwas zurückgegeben, was es vorher uns gegeben hat, dass wir wissenschaftlich forschen konnten."
Wenn auch Sie in den sprechenden Sprachatlas von Bayern hineinhören wollen, können Sie das unter sprachatlas.bayerische-landesbibliothek-online.de