"Päng! (Junge:) Gewonnen!
(D. Hildebrandt:) Bäh!
(Junge:) Wenn du noch einmal 'bäh' sagst, hau ick dir die Rübe ab!
(Mädchen:) Na, das ist aber n blödes Spiel. Seit wann spielt ihr denn mit der Politik?
(D. Hildebrandt:) Mann Mädel, is doch Wahljahr, müssen wir doch alle ran."
Ein Ausschnitt aus einem Wahlwerbespot der 70er-Jahre. Ran an die Wahl und den Geschmacksnerv des Wählers ging ganz besonders einer: Harry Walter, Werbefachmann und damaliger Wahlkampfmanager der SPD. Mit seiner Agentur ARE sorgte der kreative Menschenkenner für eine radikale Modernisierung der Wahlwerbung in Deutschland.
"So, also habe ich gesagt: Kinder, ihr müsst euch mal eins im Kopf behalten: (...) der Wurm, den ich an die Angel mache, muss dem Fisch schmecken. Und nicht dem Angler. (...) Der Wähler ist meine Zielgruppe, nicht der Politiker."
Und so hieß Walters Motto: Vereinfachen statt komplizieren - bunte Bilder, knallige Farben und eine einprägsame Sprache. Noch heute erinnert man sich an seine Slogans wie "Willy wählen", "Stoppt Strauß" oder im Wahljahr 69:
"Das moderne Deutschland von morgen wird schöner sein. Die SPD hat die richtigen Männer, dieses moderne Deutschland zu schaffen. Hier sind sie: Georg Leber ... Herbert Wehner ...Dr. Alex Müller... Helmut Schmidt..."
"Wir schaffen das moderne Deutschland. (...) Der Slogan hatte natürlich eine Brisanz, die gewaltig war, die heute keiner spürt. (...) Zu der Zeit "Deutschland" zu sagen, war schon für Herbert Wehner ein "Albtraum". Der tobte rum und sagte: Es gibt kein Deutschland. Es gibt eine BRD und eine DDR!"
Der Genosse Walter setzte mutig noch einen drauf und ergänzte den Slogan durch die Farben Schwarzrotgold.
"Det war aber ein Riesenwagnis natürlich, den Deutschen auf einmal jetzt ein bisschen Nationalstolz wieder versteckt beizubringen."
Ein psychologisch gut durchdachtes Spiel mit den Farben. Walter ersetzte auch kurzerhand das ewige Rot der Sozialdemokraten durch ein frisches, modisches Orange.
"Rot ist out, was?"
"Also, wie bringe ich eine Partei dazu, ihr Rot, ihr Kampfrot, ihr proletarisches Rot, dieses brutale Rot, das zu verlassen in eine sympathische, feminine Farbe? Also, hehe. Det is ja nicht ganz einfach."
Für einen wie Harry Walter aber machbar.
"Und dann hab ich aus dem Nähkästchen meiner Frau, damals, die hatte da lauter bunte Stecknadeln drin, blaue, grüne, gelbe. Und auch ein paar Orangefarbene. Da hab ich die paar Orangefarbenen rausgenommen, bin in die Sitzung ins Präsidium gegangen. Und da hab ich jedem auf seine Serviette eine Orangenadel reingesteckt. Der Herbert Wehner hat gar nüscht gesagt. Der Alfred Nau, der Schatzmeister der SPD hat gesagt: Gelb mag ick nich. Willy Brandt hat gesagt: Das ist ja interessant, so ne Nadel..."
Helmut Schmidt brachte es mit Bezug auf Walters zündende Kommerz-Ideen und dessen damalige Körperfülle auf den Punkt: Der Dicke hat recht. Scheinbar unangemessen politikfern warb Walter auch in einer legendären "Testimonial"-Kampagne erfolgreich mit der Fernseh-Prominenz, die sich öffentlich zur SPD bekannte.
"Inge Meysel kam, die Schauspielerin aus Hamburg. (...) Und als die ersten Sachen erschienen sind, kam plötzlich eine Postkarte von Kulenkampff. (...) Und als Kulenkampff schrieb, rief auf einmal der Frankenfeld an und sagte: Wenn der mitmacht, mach ich auch mit."
Eine Zielgruppe, die Walter mit seinen Kampagnen ganz bewusst erreichte, war die der älteren Frauen. Sie waren in den 70ern die prototypischen CDU-Wäh-lerinnen. Harry Walter transportierte in seinen Spots und Anzeigen aber nicht nur Emotionen, sondern war auch für eine verständliche Vermittlung aktueller politischer Inhalte bekannt. Der Politikberater orientierte sich dabei an der "Oma mit der Plastiktüte", einer Kunstfigur des Wählers: Die sollten auch die Parteigenossen stets im Hinterkopf haben.
"Diese Figur hat eine ganz wichtige Funktion gehabt, in der Partei zu sagen: Ihr redet da ein Kauderwelsch, das keiner begreift. Erst mal müsst ihr sprachlich so sprechen, dass die Leute euch begreifen."
" (Sprecher:) Das ist Friedrich Gipser, 93 Jahre alt, selbstständiger Handwerksmeister aus Krefeld.
(Alter Mann:) "Adenauer hab ich sehr geschätzt. Aber diese Rosen sind für Willy Brandt, der uns den Weltfrieden bringt."
(Willy Brandt:) Vielen Dank für die Rosen und herzlichen Dank allen, die mir in diesen Wochen geholfen haben.""
Insgesamt hat der heute 84-jährige Königsmacher Harry Walter 15 Präsidenten beraten; von Österreich über Portugal bis Israel und Ecuador weltweit 80 Wahlkämpfe gemanagt – fast alle davon gewonnen.
(D. Hildebrandt:) Bäh!
(Junge:) Wenn du noch einmal 'bäh' sagst, hau ick dir die Rübe ab!
(Mädchen:) Na, das ist aber n blödes Spiel. Seit wann spielt ihr denn mit der Politik?
(D. Hildebrandt:) Mann Mädel, is doch Wahljahr, müssen wir doch alle ran."
Ein Ausschnitt aus einem Wahlwerbespot der 70er-Jahre. Ran an die Wahl und den Geschmacksnerv des Wählers ging ganz besonders einer: Harry Walter, Werbefachmann und damaliger Wahlkampfmanager der SPD. Mit seiner Agentur ARE sorgte der kreative Menschenkenner für eine radikale Modernisierung der Wahlwerbung in Deutschland.
"So, also habe ich gesagt: Kinder, ihr müsst euch mal eins im Kopf behalten: (...) der Wurm, den ich an die Angel mache, muss dem Fisch schmecken. Und nicht dem Angler. (...) Der Wähler ist meine Zielgruppe, nicht der Politiker."
Und so hieß Walters Motto: Vereinfachen statt komplizieren - bunte Bilder, knallige Farben und eine einprägsame Sprache. Noch heute erinnert man sich an seine Slogans wie "Willy wählen", "Stoppt Strauß" oder im Wahljahr 69:
"Das moderne Deutschland von morgen wird schöner sein. Die SPD hat die richtigen Männer, dieses moderne Deutschland zu schaffen. Hier sind sie: Georg Leber ... Herbert Wehner ...Dr. Alex Müller... Helmut Schmidt..."
"Wir schaffen das moderne Deutschland. (...) Der Slogan hatte natürlich eine Brisanz, die gewaltig war, die heute keiner spürt. (...) Zu der Zeit "Deutschland" zu sagen, war schon für Herbert Wehner ein "Albtraum". Der tobte rum und sagte: Es gibt kein Deutschland. Es gibt eine BRD und eine DDR!"
Der Genosse Walter setzte mutig noch einen drauf und ergänzte den Slogan durch die Farben Schwarzrotgold.
"Det war aber ein Riesenwagnis natürlich, den Deutschen auf einmal jetzt ein bisschen Nationalstolz wieder versteckt beizubringen."
Ein psychologisch gut durchdachtes Spiel mit den Farben. Walter ersetzte auch kurzerhand das ewige Rot der Sozialdemokraten durch ein frisches, modisches Orange.
"Rot ist out, was?"
"Also, wie bringe ich eine Partei dazu, ihr Rot, ihr Kampfrot, ihr proletarisches Rot, dieses brutale Rot, das zu verlassen in eine sympathische, feminine Farbe? Also, hehe. Det is ja nicht ganz einfach."
Für einen wie Harry Walter aber machbar.
"Und dann hab ich aus dem Nähkästchen meiner Frau, damals, die hatte da lauter bunte Stecknadeln drin, blaue, grüne, gelbe. Und auch ein paar Orangefarbene. Da hab ich die paar Orangefarbenen rausgenommen, bin in die Sitzung ins Präsidium gegangen. Und da hab ich jedem auf seine Serviette eine Orangenadel reingesteckt. Der Herbert Wehner hat gar nüscht gesagt. Der Alfred Nau, der Schatzmeister der SPD hat gesagt: Gelb mag ick nich. Willy Brandt hat gesagt: Das ist ja interessant, so ne Nadel..."
Helmut Schmidt brachte es mit Bezug auf Walters zündende Kommerz-Ideen und dessen damalige Körperfülle auf den Punkt: Der Dicke hat recht. Scheinbar unangemessen politikfern warb Walter auch in einer legendären "Testimonial"-Kampagne erfolgreich mit der Fernseh-Prominenz, die sich öffentlich zur SPD bekannte.
"Inge Meysel kam, die Schauspielerin aus Hamburg. (...) Und als die ersten Sachen erschienen sind, kam plötzlich eine Postkarte von Kulenkampff. (...) Und als Kulenkampff schrieb, rief auf einmal der Frankenfeld an und sagte: Wenn der mitmacht, mach ich auch mit."
Eine Zielgruppe, die Walter mit seinen Kampagnen ganz bewusst erreichte, war die der älteren Frauen. Sie waren in den 70ern die prototypischen CDU-Wäh-lerinnen. Harry Walter transportierte in seinen Spots und Anzeigen aber nicht nur Emotionen, sondern war auch für eine verständliche Vermittlung aktueller politischer Inhalte bekannt. Der Politikberater orientierte sich dabei an der "Oma mit der Plastiktüte", einer Kunstfigur des Wählers: Die sollten auch die Parteigenossen stets im Hinterkopf haben.
"Diese Figur hat eine ganz wichtige Funktion gehabt, in der Partei zu sagen: Ihr redet da ein Kauderwelsch, das keiner begreift. Erst mal müsst ihr sprachlich so sprechen, dass die Leute euch begreifen."
" (Sprecher:) Das ist Friedrich Gipser, 93 Jahre alt, selbstständiger Handwerksmeister aus Krefeld.
(Alter Mann:) "Adenauer hab ich sehr geschätzt. Aber diese Rosen sind für Willy Brandt, der uns den Weltfrieden bringt."
(Willy Brandt:) Vielen Dank für die Rosen und herzlichen Dank allen, die mir in diesen Wochen geholfen haben.""
Insgesamt hat der heute 84-jährige Königsmacher Harry Walter 15 Präsidenten beraten; von Österreich über Portugal bis Israel und Ecuador weltweit 80 Wahlkämpfe gemanagt – fast alle davon gewonnen.