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Der Krieg, die Soldaten und die Menschenrechte

Andreas Zumach im Gespräch |
    Zumach: Die amerikanischen Gefangenen sind offensichtlich nicht nur gefangen, sondern sind auch eingeschüchtert, haben Angst. Das ist aus den Gesichtern der Menschen deutlich zu entnehmen, man sieht ja auch, dass sie mit Fragen malträtiert werden. Es ist offensichtlich so, dass die Menschen eingeschüchtert werden über ihre Zur-Schau-Stellung als Gefangene hinaus. Die irakischen waren nicht, jedenfalls nicht erkennbar, eingeschüchtert. Sie waren aus größerer Entfernung aufgenommen, man konnte zwar ihre Identität gut erkennen, aber keine Spuren von Angst und auch nicht erkennen, dass ihre Bewacher, die amerikanischen Soldaten, sie in irgendeiner Weise einschüchtern oder anderswie unwürdig behandeln.

    Schmitz: Worin besteht nun der strategische Unterscheid?

    Zumach: Im Falle der US-Gefangenen in irakischer Hand ist ganz klar der Welt und übrigens auch dem eigenen Volk zu zeigen, dass man sich hier erfolgreich wehrt, dass die militärische Übermacht USA hier erste Verluste hinzunehmen hat und nicht alles so glatt läuft und es hat zweitens das Ziel, beim amerikanischen Heimatpublikum für Demoralisierung zu sorgen, in guter Erinnerung daran, dass auf diese Weise während des Vietnamkrieges die Stimmung gekippt wurde in den 60erjahren.

    Schmitz: Wenn wir an die völkerrechtliche Dimension denken, die ja nicht so eindeutig ist, ein Münchener Völkerrechtler sagte, dass die Konventionen nicht unbedingt auf Meiden zu übertragen seien; aber übertragen wir sie auf die Medien: Da heißt es nämlich, dass es insbesondere darum geht, die Gefangenen vor Gewalttätigkeiten zu schützen., vor Einschüchterungen, Beleidigungen und öffentlicher Neugier. Wenn Sie nun die amerikanischen und irakischen Bilder vergleichen, wer verstößt hier gegen Völkerrecht?

    Zumach: Beide Seiten haben gegen Völkerrecht verstoßen, die diese Gefangenen präsentiert haben. Natürlich sind die Genfer Konventionen aus dem Jahre 1949 in dem damaligen historischen Kontext entstanden, als es kaum Fernsehen gab, es gab andere Medien, die aber Menschen wenigstens akustisch darstellen konnten. Nur wenn diese Genfer Konventionen heute irgendeinen Sinn machen sollen, macht natürlich der von Ihnen zitierte Paragraph öffentliche Neugier nur Sinn im Kontext von Zur-Schau-Stellung gegenüber Medien. Es ist ja nicht mehr so, dass Gefangene wie im Mittelalter auf Marktplätzen ausgestellt werden. Der Verstoß ist im Grundsatz auf beiden Seiten gleichermaßen da und auch die Medien, die diese Bilder veröffentlicht haben, haben verstoßen. Er ist im irakischen Fall deswegen schwerer, weil offensichtlich, das entnehmen wir den Bildern, die Gefangenen zusätzlich zu ihrer Zurschaustellung auch noch eingeschüchtert wurden.

    Schmitz: Wo ist denn die Linie zu sehen zwischen Information und Zurschaustellung, wie würden Sie das beschreiben?

    Zumach: Der britische Guardian hat in seiner Sonntagsausgabe ein Bild eines US-amerikanische Gefangenen gezeigt, hat den aber bewusst so unkenntlich gemacht, dass er nicht erkennbar war, selbst nicht für die engsten Familienangehörigen, und der Guardian hat diese Unkenntlichmachung dem Zuschauer in der Bildzeile auch erklärt: Das ist das korrekte Vorgehen und das ist in den Konventionen vereinbart.

    Schmitz: Alte Schlachtenbilder, wenn wir in die Ikonographie des Krieges über mehrere Jahrhunderte zurückschauen, zeigen eher Schlachten, tote, sterbende, kämpfende Soldaten, aber so gut wie keine Gefangennahmen, vielleicht noch der römische Arapacis, in dem die Germanen als gefangen im Halbrelief gezeigt worden sind, die da auch erniedrigt zur Schau gestellt werden, vielleicht auch von Rodin die Bürger von Calais, aber im Grunde erst seit dem ersten Weltkrieg möglicherweise werden Soldaten als Gefangene gezeigt mit erhobenen Händen. Welche Strategien und Wirkungen sind hier, wenn man das so sagen kann, anvisiert?

    Zumach: Zunächst mal das Motiv der Erniedrigung, was durchgehend auch im Mittelalter, römischen Reich, auch schon bei den Griechen das Motiv war, das findet man heute zum Teil wieder, die Bilder etwa von den amerikanischen Gefangenen in Somalia 1992 bei diesem schrecklich missglückten UNO-Einsatz, wo Gefangene und halbtote Gefangene durch die Straßen, durch den Dreck buchstäblich geschleift wurden und an Autos gebunden waren, ganz klar die Absicht Erniedrigung und hat auch ganz klar diese Wirkung gehabt mit der Folge, dass die USA gesagt haben: Nie mehr wird ein amerikanischer Soldat im UNO-Auftrag in Afrika oder sonst wo auftreten. Die Bilder der sich ergebenden Soldaten sollen ganz klar demonstrieren: eigene militärische Überlegenheit und das meistens von Staaten, die zunächst als die Underdogs gelten, das hat dann den Aha-Effekt, den es ja auch im Moment ganz aktuell hat, seit es diese Bilder gab, hat sich die Berichterstattung auch verändert, sind die ganzen Erfolgsmeldungen, mit denen uns das Pentagon von der ersten Kriegsminute an überhäuft hat, auf skeptische Nachfragen der Journalisten gestoßen.

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