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Der Kronprinz

Seit drei Monaten ist er der zweitwichtigste Manager in der SPD Rheinland-Pfalz: Generalsekretär Alexander Schweitzer. Die Partei brauche vor allem glaubwürdige Typen, sagt er - und schweigt über seine eigenen Karrierepläne für die Zeit nach Ablauf der Ära des Landesvorsitzenden Kurt Beck.

Von Ludger Fittkau |
    Wahlparty der SPD im westpfälzischen Zweibrücken. Der örtliche Spitzenkandidat hat gerade die Wahl zum Oberbürgermeister der Stadt gewonnen, dementsprechend gelöst ist die Stimmung.

    "So, und jetzt versuche ich, das Mikrofon hochzugeben an unseren Alexander Schweitzer, den Generalsekretär der SPD Rheinland-Pfalz."

    Der eher kleine Moderator mit dem roten SPD-Aufnäher auf weißem Hemdkragen reicht das Mikro an einen Zwei-Meter-Mann im schwarzen Anzug. Der 37-jährige Alexander Schweitzer ist seit drei Monaten der wichtigste Manager der rheinland-pfälzischen SPD nach dem Landesvorsitzenden Kurt Beck. Schweitzer begrüßt am Tresen des Lokals, in dem auch Flaschenwein verkauft wird, die gut hundert zufriedenen Zweibrücker Genossinnen und Genossen:

    "Es sei mir als Generalsekretär der SPD erlaubt, dass ich euch darauf hinweise, dass es hier doch relativ trockene Luft hat für mich. Ja, das liegt vielleicht an der Höhe, und zweitens möchte ich darauf hinweisen, dass ich hier zwischen Weinflaschen stehe, die mehr Prozent haben, als die CDU-Kandidatin heute Abend erreicht hat."

    Es ist ein Heimspiel für Alexander Schweitzer, der selbst aus dem Süden, aus der Pfalz kommt. Im rheinischen Norden des Landes ist das anders, dort kennt sich der junge Hoffnungsträger der Landespartei noch nicht so aus, gibt er unumwunden zu. Ausgerechnet dort rebellierten in den ersten Wochen seiner Amtszeit die rheinischen Genossen – weil Kurt Beck das
    Oberlandesgericht Koblenz mit dem in Zweibrücken fusionieren will. Schweitzer suche nun bewusst die Diskussion mit den
    Basis-Sozialdemokraten im Norden, sagt er – hier im Süden, in der Pfalz:

    "Ich bin sehr dafür, offensiv mit den Dingen umzugehen. Ich habe das sehr bedauert, es hat mich sogar erschrocken, dass so eine Nord-Süd-Geschichte wieder aufkommt. Sicherlich auch gesteuert von interessierten Meinungsführern. Aber es ist natürlich eine unangenehme Geschichte. Dieses Land ist viel, viel besser zusammengewachsen, als jetzt diese jüngste Diskussion hat glauben machen."

    Immer wieder kommt aber auch am erfolgreichen Wahlabend in Zweibrücken das Gespräch auf den Widerstand der Koblenzer gegen die Zusammenlegung mit dem hiesigen Oberlandesgericht. Dabei fallen auch derbe Worte. Die Zweibrücker sehen sich von den Rheinländern als Bewohner von "Pfälzisch-Sibirien" verhöhnt. Alexander Schweitzer macht keinen Hehl daraus, auf wessen Seite er steht: auf der Seite der Pfälzer nämlich. Dass auch Kurt Beck in den letzten Wochen schlecht auf die Juristen aus dem rheinischen Norden und ihre sozialdemokratischen Unterstützer zu sprechen gewesen ist, kann der SPD-Generalsekretär gut nachvollziehen.

    "Was ich an Kurt Beck schätze, ist, dass er seit vielen Jahren in der Politik ist und trotzdem kein Pokerface hat. Dass er trotzdem keiner ist, der abgebrüht ist, dem die Dinge sozusagen den Buckel runterrutschen können. Sondern er macht sich Gedanken und ist auch noch emotional bei den Dingen dabei. Und er ist aber auch jemand, der ein feines Näschen hat. Dass er deshalb gesagt hat, wir müssen jetzt die Diskussion über die Fusion der beiden Oberlandesgerichte auf eine neue Grundlage stellen und ergebnisoffen in einer Expertenkommission tagen und beraten – das ist Kurt Beck, so kennt man ihn dann eben auch."

    Er selbst wende die Hälfte seiner Arbeitszeit dafür auf, an der Parteibasis Gespräche zu führen, sagt Alexander Schweitzer. Auch Mitglieder anderer Parteien bescheinigen ihm, ein angenehmer Gesprächspartner zu sein. Fred Konrad, Zweibrücker Landtagsabgeordnete der Grünen, ist zwar bei verschiedenen Themen wie dem defizitären Regionalflughafen oder dem Straßenausbau anderer Meinung als Schweitzer. Aber:

    "Er ist im Ton verbindlich und in der Sache kompetent. War auch bei den Podiumsdiskussionen über Infrastrukturprojekte, die wir hier hatten, immer gut vorbereitet. In der Sache kompetent und auch immer anderen gegenüber respektvoll und sachlich, da habe ich keine Klagen."

    Am Wahlparty-Tresen in Zweibrücken drückt Alexander Schweitzer immer wieder auf die Tasten seines Smartphones. Er twittert in die Welt, was er gerade in der Westpfalz erlebt. Er tauscht sich auch mit der rheinland-pfälzischen CDU-Spitzenfrau Julia Klöckner regelmäßig per Kurznachricht aus:

    "Ja, ist gerade gestern wieder vorgekommen. So ist das dann eben. Wir sind auch eine Generation, insofern ist das nicht verwunderlich."

    Noch etwas teilen Julia Klöckner und Alexander Schweitzer: Beide haben mit Mitte 30 in Berlin und Mainz einen gut dotierten Staatssekretärsposten aufgegeben, weil sie für die Parteiarbeit gebraucht wurden. Kein Wunder, dass in Rheinland-Pfalz schon mancher darüber spekuliert, dass die beiden in ein paar Jahren in direkte Konkurrenz treten könnten: im Wettbewerb um die Nachfolge des Ministerpräsidenten Kurt Beck, der sich definitiv in seiner letzten Amtszeit befindet.

    Vorerst aber wird Alexander Schweitzer nicht müde zu betonen, dass die Politik vor allem glaubwürdige Typen brauche. Typen wie den schwergewichtigen neuen Zweibrücker Bürgermeister Kurt Pirmann. Der sei schon als Verwaltungschef einer Umlandgemeinde ein "unermüdlicher Kümmerer" gewesen. Dieses von Kurt Beck in Jahrzehnten geschaffene Polit-Ideal ist auch für die Twitter-Generation der rheinland-pfälzischen SPD weiter gültig:

    "Ich glaube schon, grundsätzlich ist es wichtig, dass man authentische Persönlichkeiten anbietet. Jemand, der aussieht, als käme er gerade aus einer Roland Berger- oder McKinsey-Kaderschule und hat sich von einem Typ-Berater dreimal rumdrehen lassen, das merken die Menschen. Das riechen die Leute, dass so einer nicht authentisch ist. Dass so einer vielleicht auch nur eigene Karriereziele im Kopf hat."

    Also: Auch wenn Alexander Schweitzer Karriereziele im Kopf hätte – in Zweibrücken spricht er nicht darüber. Sondern verabschiedet sich am Ende der Wahlparty kurz und bündig vom Wahlsieger Kurt Pirmann und den Basisgenossen:

    "Ich wünsche euch allen einen schönen Abend, lieber Kurt, du hast das gut gemacht, auf gute Zusammenarbeit."