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Der Künstler als Kurator

Eine selbstgehängte Ausstellung hat Gerhard Richter nun Gelegenheit gegeben, auf Werke zurückzublicken, die er im Laufe von vier Jahrzehnten geschaffen hat. Für die Schau im Baden-Badener Museum Frieder Burda hat er 60 Werke aus mehreren Privatsammlungen ausgewählt.

Interview mit Stefan Koldehoff | 21.01.2008
    Doris Schäfer-Noske: "Ich verfolge keine Absichten, kein System, keine Richtung, ich habe kein Programm, keinen Stil, kein Anliegen", das hat der Künstler Gerhard Richter schon Mitte der 60er-Jahre von sich gesagt, und der Kunstkritiker Robert Storr hat den Versuch, Gerhard Richters Werk in den Griff zu bekommen, mal verglichen mit dem Bemühen, aus einem zerbrochenen Becher ausgelaufenes Quecksilber einzufangen. Richters Werk ist also schwer einzuordnen. Nun hat sich der Künstler in Baden-Baden selbst als Kurator versucht.

    "Wenn die gut sind, ist man überrascht und erfreut, dass sie sich so gut gehalten haben, noch was sagen und nicht Müll geworden sind. Und dann gibt's halt auch weniger gute, die sind auch ganz nett. In dem Fall hier ist es sogar eins, was besonders beliebt ist, und das mag ich überhaupt nicht und bereue es, dass ich es jemals abgegeben habe. "Die Party", das ist mir zu durchsichtig, zu didaktisch, deshalb kommt es auch so gut an. "

    Stefan Koldehoff, ist denn der Künstler Gerhard Richter auch sein bester Kurator?

    Stefan Koldehoff: Tja, wenn man eingestehen will, dass tatsächlich Künstler ihr Werk am besten kennen, dann muss man wohl sagen, ja, Gerhard Richter ist selbst sein bester Kurator, allerdings mit einer großen Einschränkung, ihm stand nicht sein gesamtes Oeuvre von rund 2.700, 2.800 Bildern zur Verfügung. Es stand im Vorfeld schon fest, dass diese Ausstellung in Baden-Baden im Wesentlichen aus drei großen, privaten Sammlungen gespeist werden sollte, der Sammlung Ströher, die früher einmal die Sammlung Grote im Bonner Kunstmuseum war, der Sammlung Böckmann, einer Privatsammlung aus Berlin, und eben der Sammlung von Frieder Burda selbst, der sehr früh angefangen hat, sich für Richter zu interessieren und ihn auch zu sammeln. Das heißt also, es gab schon eingeschränkte Möglichkeiten, aus denen sich Gerhard Richter selbst bedienen kann. Dass es ihm daraus aber tatsächlich gelungen ist, eine so gut wie vollständige Retrospektive, also, einen Rückblick auf alle wesentlichen Werkgruppen seiner Karriere zwischen 1963 und 2007 zu konstruieren, das zeigt dann eben auch, wie gut nicht nur der Kurator Gerhard Richter, sondern wie gut auch seine Sammler sind.

    Schäfer-Noske: Wie hat er das denn gemacht? Ist er in Baden-Baden gewesen die ganze Zeit?

    Koldehoff: Na ja, nachdem feststand, dass er das Ganze machen würde, hat er sich ein maßstabgetreues Modell der Ausstellungsräume in Baden-Baden bauen lassen und hat dann mit Verkleinerungen seiner Bilder gearbeitet und geschaut, wie man das Ganze vernünftig hängen kann, also insofern kann man schon sagen, er hat das alles selbst gehängt. Das ist übrigens ein Verfahren, das Gerhard Richter seit einer großen Ausstellung Anfang der 80er-Jahre in Düsseldorf so praktiziert. Er ist jemand, der einfach gerne die Kontrolle auch über die Präsentation und sicherlich auch über die Interpretation seiner Werke behalten möchte.

    Schäfer-Noske: Wo setzt er denn Schwerpunkte? Welche Werke stehen im Mittelpunkt?

    Koldehoff: Das kann man sogar nicht sagen, weil sie schon numerisch völlig gleich gehängt sind. Man kommt unten in dieses Museum hinein, in die große Eingangshalle, die so große Formate zulässt wie kaum ein anderes Museum in Deutschland, und sieht dort riesige Abstraktionen, man sieht die Vermalungen, also Bilder, auf denen er einfach Farbe hin- und hergemalt hat, ohne irgendeinen Gegenstand vor Augen zu haben. Man sieht seine Experimente mit der Farbe Grau, also riesige Leinwände, auf denen er mal mit der Tapetenrolle, mal mit dem Pinsel, mal fast gesprüht, schaut, welche Wirkung nur Farbe ohne jedes Motiv haben kann. Schraubt sich dann nach oben über die Rampen in diesem Museum, kommt vorbei an den fotorealistischen Bildern, kommt vorbei an den Farbfeldmalereien aus den 70er-Jahren, die er jetzt für das Kirchenfenster im Kölner Dom wieder neu aufgegriffen und neu interpretiert hat. Kommt vorbei an den Kerzen- und Totenschädelbildern, den Vanitas-Motiven, und hat eigentlich wirklich einen kompletten Überblick über das Werk von Gerhard Richter in nur 60 Bildern.

    Schäfer-Noske: Es sind ja auch einige Bilder aus seinem Privatbesitz dabei. Welche Bilder hat er denn von sich behalten?

    Koldehoff: Er verrät es selbst natürlich nicht. Er sagt es im Übrigen auch ganz offen, dass er viele Bilder nur deswegen behalten habe, weil sie ihm nicht gut genug für Ausstellungen oder für Sammler erschienen, also keineswegs die Crème de la Crème, die da im Hause Richter geblieben ist. Es gibt aber ein ganz berühmtes Foto, das der Fotokünstler Thomas Struth von Familie Richter zu Hause im Wohnzimmer gemacht hat, und da sieht man zum Beispiel, dass an der Wand ein Kerzenbild und ein Totenschädel, also die fotorealistischen Bilder, hängen. Daraus jetzt aber rückzuschließen, was er selbst hat, wäre sicherlich unzulässig.

    Schäfer-Noske: Gerhard Richter zeigt sich ja sonst wenig der Öffentlichkeit, war aber bei dieser Ausstellungspräsentation dabei, hat dort auch gesagt, dass er selbst nicht so viel Geld für seine Bilder bezahlen würde. Wie hat er auf Sie gewirkt?

    Koldehoff: Er wirkt erstaunlich offen im Zusammenhang mit dieser Ausstellung. Ich kenne ihn aus anderen Begegnungen auch eher skeptisch, gerade was das Auftreten in der Öffentlichkeit angeht, weil er sagt, in dem Augenblick, in dem ich über meine Bilder rede, gebe ich ihnen schon einen bestimmten Sinn, eine bestimmte Bedeutung, und das möchte ich eigentlich nicht. Und er hat eine sehr, sehr große Hochachtung vor dem Wort, vor der Gültigkeit des Wortes, und deswegen redet er so ungern über sich selbst und über seine Bilder. Es scheint so zu sein, dass er ein bisschen Scheu verloren hat, vielleicht auch, weil er in dieser Ausstellung so gut die Kontrolle über alles behalten konnte. Sie haben ja vorhin diesen sehr schönen O-Ton schon eingespielt, dieses Bild, das er da beschrieben hat, "Die Party", ist ein Bild aus der Sammlung Burda und Herr Burda selbst hätte es natürlich in seinem Museum gerne viel, viel prominenter gehängt. Tatsächlich hängt es jetzt im Keller zwischen Garderobe und Toiletten, und dass so was möglich ist, freut dann natürlich einen Künstler wahrscheinlich auch.

    Schäfer-Noske: Stefan Koldehoff war das über eine Gerhard Richter-Ausstellung, kuratiert von ihm selbst, zu sehen im Museum Burda in Baden-Baden.