Das Unglück hat einen Namen, und der lautet: Freizeit. Nichts treibt den Menschen so sehr um, nichts macht ihn so rammdösig und aggressiv zugleich wie dieses Problem: seine Freizeit zu ertragen – von wegen "gestalten", wie die lügnerische Vokabel der professionellen Freizeitfüllungsagenten lautet. Doch obwohl das Elend des verfreizeiteten Menschen schreiend deutlich und allgemein bekannt ist, haben Politiker und Gewerkschaftler kein Erbarmen: noch mehr Freizeit soll es sein – das ist das Ziel aller Kämpfe und Diskurse, die natürlich im Namen des gesellschaftlichen Fortschritts und der sozialen Gerechtigkeit geführt werden.
Aber mehr Freizeit wofür? Diese scheußliche Frage wird selten in ihrer existentiellen Tiefe gestellt. Statt dessen wird dann immer die Reihe mit den sogenannten Freizeitangeboten durchdekliniert: Museum, Theater, Bibliothek, Sinfoniekonzert, Oper und Ballett auf der einen Seite, Kirmes, Kino, Erlebnispark, Sportveranstaltung und Popkonzert auf der anderen – Hochkultur und Breitenkultur, um in der Sprache der Freizeitfüllungsagenten zu bleiben.
Bislang galt als ausgemacht, dass diese beiden Bereiche miteinander nichts zu tun haben. E- und U-Kultur ("Ernste" und "Unterhaltungs-Kultur") interessieren einfach nicht dasselbe Publikum. Doch, das tun sie, teilt nun das Hamburger B.A.T Freizeitforschungsinstitut mit. Dort hat Professor Horst Opaschowski kürzlich eine repräsentative Umfrage durchführen lassen, welche die im Grunde wenig sensationelle Erkenntnis erbrachte, dass Kulturkonsumenten mittlerweile Allesfresser sind. Das Bildungsbürgertum mit seinen festen Standards hat sich in Spaßgesellschaft, Wellnessmanagement und Eventprogrammen aufgelöst. Jetzt konkurrieren alle Veranstalter um dasselbe Geld- und Zeitbudget der irgendwie und im allerweitesten Sinn kulturinteressierten Kundschaft.
Mit Blick auf dieses Forschungsresultat gibt Opaschowski den Kulturbetriebsverantwortlichen nun einen zweifelhaften Rat: die Grenzen zwischen Hoch- und Breitenkultur sollten noch fließender werden, fordert er – jedenfalls bei der öffentlichen Förderung von Kulturangeboten. Das ist, als sollte künftig in jedem Nobelrestaurant auch Ketchup auf den Tisch gestellt werden, weil doch erwiesenermaßen immer mehr Leute Fast-Food fressen.
Auf einem von Überangebot geprägten Markt haben bekanntlich die Marketingexperten das Sagen. Das trifft für den Kulturbereich seit langem zu, das ist seine bittere Wahrheit. Doch in dieser langen Ära unausgesetzter Expansion unter dem Motto "Kultur für alle" sind wir an einen Punkt gelangt, wo man, statt die Menschen mit immer neuen Angeboten zu bedienen, zu verlocken, zu umgarnen, vielleicht einmal den Begriff "Kultur" als solchen überdenken sollte.
Kultur ist nämlich kein Produkt, das auf der einen Seite industriell erzeugt und auf der anderen massenhaft verbraucht werden kann. Um die grandiose Falschheit des Freizeitfüllungskonzeptes zu erkennen, braucht man sich bloß für einen Augenblick der obszönen Phantasie eines totalitär unterdrückten Kulturbetriebs hinzugeben. Stellen wir uns vor, Museen, Theater, Bibliotheken, Orchester und so weiter würden geschlossen und verboten. Stellen wir uns vor, der Staat würde mit allen Mitteln versuchen, Kultur zu verhindern statt zu fördern (wofür es ja in der Geschichte schreckliche Beispiele gibt). All diese kulturellen Aktivitäten würden mit einer Kraft, die stärker ist als jede Macht auf dieser Welt, im Untergrund gedeihen. Von wegen Angebot und Marketing, von wegen Kampf um Kunden, Nutzer und Besucher: Kultur ist etwas, das der Mensch macht, weil er es braucht – mit und ohne "Freizeit".
Aber mehr Freizeit wofür? Diese scheußliche Frage wird selten in ihrer existentiellen Tiefe gestellt. Statt dessen wird dann immer die Reihe mit den sogenannten Freizeitangeboten durchdekliniert: Museum, Theater, Bibliothek, Sinfoniekonzert, Oper und Ballett auf der einen Seite, Kirmes, Kino, Erlebnispark, Sportveranstaltung und Popkonzert auf der anderen – Hochkultur und Breitenkultur, um in der Sprache der Freizeitfüllungsagenten zu bleiben.
Bislang galt als ausgemacht, dass diese beiden Bereiche miteinander nichts zu tun haben. E- und U-Kultur ("Ernste" und "Unterhaltungs-Kultur") interessieren einfach nicht dasselbe Publikum. Doch, das tun sie, teilt nun das Hamburger B.A.T Freizeitforschungsinstitut mit. Dort hat Professor Horst Opaschowski kürzlich eine repräsentative Umfrage durchführen lassen, welche die im Grunde wenig sensationelle Erkenntnis erbrachte, dass Kulturkonsumenten mittlerweile Allesfresser sind. Das Bildungsbürgertum mit seinen festen Standards hat sich in Spaßgesellschaft, Wellnessmanagement und Eventprogrammen aufgelöst. Jetzt konkurrieren alle Veranstalter um dasselbe Geld- und Zeitbudget der irgendwie und im allerweitesten Sinn kulturinteressierten Kundschaft.
Mit Blick auf dieses Forschungsresultat gibt Opaschowski den Kulturbetriebsverantwortlichen nun einen zweifelhaften Rat: die Grenzen zwischen Hoch- und Breitenkultur sollten noch fließender werden, fordert er – jedenfalls bei der öffentlichen Förderung von Kulturangeboten. Das ist, als sollte künftig in jedem Nobelrestaurant auch Ketchup auf den Tisch gestellt werden, weil doch erwiesenermaßen immer mehr Leute Fast-Food fressen.
Auf einem von Überangebot geprägten Markt haben bekanntlich die Marketingexperten das Sagen. Das trifft für den Kulturbereich seit langem zu, das ist seine bittere Wahrheit. Doch in dieser langen Ära unausgesetzter Expansion unter dem Motto "Kultur für alle" sind wir an einen Punkt gelangt, wo man, statt die Menschen mit immer neuen Angeboten zu bedienen, zu verlocken, zu umgarnen, vielleicht einmal den Begriff "Kultur" als solchen überdenken sollte.
Kultur ist nämlich kein Produkt, das auf der einen Seite industriell erzeugt und auf der anderen massenhaft verbraucht werden kann. Um die grandiose Falschheit des Freizeitfüllungskonzeptes zu erkennen, braucht man sich bloß für einen Augenblick der obszönen Phantasie eines totalitär unterdrückten Kulturbetriebs hinzugeben. Stellen wir uns vor, Museen, Theater, Bibliotheken, Orchester und so weiter würden geschlossen und verboten. Stellen wir uns vor, der Staat würde mit allen Mitteln versuchen, Kultur zu verhindern statt zu fördern (wofür es ja in der Geschichte schreckliche Beispiele gibt). All diese kulturellen Aktivitäten würden mit einer Kraft, die stärker ist als jede Macht auf dieser Welt, im Untergrund gedeihen. Von wegen Angebot und Marketing, von wegen Kampf um Kunden, Nutzer und Besucher: Kultur ist etwas, das der Mensch macht, weil er es braucht – mit und ohne "Freizeit".