Kersten Knipp: Das sieht fast so aus, als entstünde da eine neue Spekulationsblase. Frage an meinen Kollegen Stefan Koldehoff: Wie entstehen eigentlich derartige Kunstpreise?
Stefan Koldehoff: Eigentlich ist der Kunstmarkt die reinste Form des Kapitalismus. Es muss einen Anbieter geben, es muss einen Nachfrager geben, und es gibt den Vermittler in Form des Auktionshauses. Konkret hat mir der Starauktionator von Sotheby's, Tobias Meyer, mal gesagt, dass das meiste eigentlich schon getan ist in dem Augenblick, in dem er den Hammer in die Hand nimmt. Vorher nämlich wird den potenten Käufern, denen man zutraut, entsprechende Summen zu bezahlen, ein Bild vorgestellt, gesagt, wie viel der Verkäufer ungefähr dafür erwartet. Es wird abgecheckt, ob dann jemand bereit ist, so viel zu bieten. Es wird verraten, wie viel andere vielleicht für dieses Bild bieten würden. Man kann sich so ein Bild sogar für zwei, drei Tage ausleihen und zu Hause Probe hängen, selbst wenn es um 10-, 20-, 50-Millionen-Bilder geht.
Und in dem Augenblick, in dem dann die Auktion stattfindet, kommt es drauf an, dass der Auktionator den einen Interessenten gegen den anderen ausspielt. Wenn er nur einen hat, hat er Pech gehabt, dann wird er einen niedrigeren Preis erzielen. Aber in der Regel weiß er vorher, wer bereit ist, wie viel zu zahlen. Und so kommen solche Rekordpreise zustande. Denn es ist ungeheuer viel Geld im Moment im Umlauf, auch das bestätigt Tobias Meyer. Er sagt, er könne auf Anhieb 20, 30, sogar 40 Sammler nennen, die aus dem Stand in der Lage wäre, 50, 60 Millionen Dollar für ein Bild zu bezahlen.
Knipp: Herr Stefan Koldehoff, wer hat denn so viel Geld, aus welchen Kreisen kommen diese Käufer. Ich meine, es können kunstsinnige Menschen, es können aber auch schlicht Neureiche sein aus Emerging Markets beispielsweise oder aus den aufstrebenden jungen Industrieländern. Hat man da einen Überblick, aus welchen Kreisen sich diese Käufer und Interessenten rekrutieren?
Koldehoff: Die Auktionshäuser wissen das ziemlich genau, die verraten natürlich keine Namen, aber sie sagen beispielsweise schon, aus welchen Gegenden der Erde wie viel Prozent ihrer Käufer bei einer Auktion gekommen sind. Nach diesem Rekordpreis für den Picasso, der magischen 100-Millionen-Grenze, die Sie vorhin schon erwähnt haben, da war man der Meinung, es sind auf jeden Fall die Russen. Inzwischen hat sich das wieder so ein bisschen verschoben. Natürlich sind die Russen und auch die Chinesen starke Käufer, die konzentrieren sich im Augenblick aber mehr auf die Kunst aus ihren eigenen Ländern. Und erstaunlicherweise - in dieser Woche wird ja die zeitgenössische Kunst versteigert -, als es in der vergangenen Woche in New York um die Impressionisten und die klassische Moderne ging, da waren es weder die Russen noch die Chinesen noch übrigens die Amerikaner, da waren es überwiegend europäische Käufer.
Knipp: Also man könnte fast sagen eine klassische Klientel. Aber auf jeden Fall rüstet sich der Markt ja. Es ist jetzt zu beobachten, dass sich neue Strategien oder Allianzen auftun. Es gibt Auktionshäuser, die jetzt Galerien aufkaufen, es gibt Künstler, die exklusiv für Auktionshäuser malen. Sind das neue Strategien, die man da beobachten kann, gibt es neue Entwicklungen in dieser Hinsicht?
Koldehoff: Ja, das ist in jedem Fall so, und das liegt sicherlich mit daran, dass es so einen Boom am Kunstmarkt, wie wir ihn jetzt seit drei Jahren erleben, schon mal gegeben hat, Ende der 80er, Anfang der 90er Jahre. Da war das Ganze getragen hauptsächlich von einer Käuferschicht, nämlich den Japanern, die damals auch einen wirtschaftlichen Boom hatten. Und als dieser Boom zu Ende war, da platzte die Blase und der Kunstmarkt brach in sich zusammen. Man geht jetzt eher auf Nummer Sicher, man sichert sich ab, indem man diese Allianzen schmiedet, die Sie gerade beschrieben haben. Man versucht, marktfrische Ware zu bekommen, also über den Ankauf von Galerien direkten Zugriff auf Künstler zu haben, sodass man gar nicht mehr den Umweg über die Galerie, die fremde Galerie gehen muss, sondern quasi direkt im Atelier bei Damien Hirst und bei wem auch immer einkaufen kann. Damit versucht man, den Markt am Leben zu halten, und seit drei Jahren hat diese Strategie Erfolg.
Knipp: Noch direkter wäre ja der Weg über das Internet, und den versucht momentan der britische Sammler Charles Saatchi zu bestreiten, der ein neues virtuelles Auktionshaus angeboten hat - "Your Gallery" heißt das, also "deine Galerie" -, wo man eben Kunst auf virtuellem Wege kaufen kann. Welche Chancen räumen Sie diesem Projekt ein? Kann man im Internet Kunst verkaufen?
Koldehoff: Das ist der einzige Aspekt am momentanen Boom, bei dem ich sehr skeptisch bin. Ich glaube, dass die Blase so schnell nicht platzen wird. Was das Internet angeht, bin ich deswegen skeptisch, weil es schon ganz viele Versuche gegeben hat, so etwas zu machen. In den 90er Jahren haben auch die großen Auktionshäuser Millionenbeträge ins Internet-Business gepumpt - ohne Erfolg. Und das liegt, glaube ich, daran, dass es eben beim Auktionsmarkt der Kunst dann doch um Unikate geht. Sie kaufen vielleicht ein Auto im Internet, vielleicht noch eine teure Armbanduhr, aber den Cézanne oder den van Gogh oder den Picasso, den wollen Sie doch vorher im Original gesehen haben und vielleicht sogar ein Gläschen Champagner im Separee gereicht bekommen, bevor Sie dafür dann 60 Millionen auf den Tisch bieten.
Stefan Koldehoff: Eigentlich ist der Kunstmarkt die reinste Form des Kapitalismus. Es muss einen Anbieter geben, es muss einen Nachfrager geben, und es gibt den Vermittler in Form des Auktionshauses. Konkret hat mir der Starauktionator von Sotheby's, Tobias Meyer, mal gesagt, dass das meiste eigentlich schon getan ist in dem Augenblick, in dem er den Hammer in die Hand nimmt. Vorher nämlich wird den potenten Käufern, denen man zutraut, entsprechende Summen zu bezahlen, ein Bild vorgestellt, gesagt, wie viel der Verkäufer ungefähr dafür erwartet. Es wird abgecheckt, ob dann jemand bereit ist, so viel zu bieten. Es wird verraten, wie viel andere vielleicht für dieses Bild bieten würden. Man kann sich so ein Bild sogar für zwei, drei Tage ausleihen und zu Hause Probe hängen, selbst wenn es um 10-, 20-, 50-Millionen-Bilder geht.
Und in dem Augenblick, in dem dann die Auktion stattfindet, kommt es drauf an, dass der Auktionator den einen Interessenten gegen den anderen ausspielt. Wenn er nur einen hat, hat er Pech gehabt, dann wird er einen niedrigeren Preis erzielen. Aber in der Regel weiß er vorher, wer bereit ist, wie viel zu zahlen. Und so kommen solche Rekordpreise zustande. Denn es ist ungeheuer viel Geld im Moment im Umlauf, auch das bestätigt Tobias Meyer. Er sagt, er könne auf Anhieb 20, 30, sogar 40 Sammler nennen, die aus dem Stand in der Lage wäre, 50, 60 Millionen Dollar für ein Bild zu bezahlen.
Knipp: Herr Stefan Koldehoff, wer hat denn so viel Geld, aus welchen Kreisen kommen diese Käufer. Ich meine, es können kunstsinnige Menschen, es können aber auch schlicht Neureiche sein aus Emerging Markets beispielsweise oder aus den aufstrebenden jungen Industrieländern. Hat man da einen Überblick, aus welchen Kreisen sich diese Käufer und Interessenten rekrutieren?
Koldehoff: Die Auktionshäuser wissen das ziemlich genau, die verraten natürlich keine Namen, aber sie sagen beispielsweise schon, aus welchen Gegenden der Erde wie viel Prozent ihrer Käufer bei einer Auktion gekommen sind. Nach diesem Rekordpreis für den Picasso, der magischen 100-Millionen-Grenze, die Sie vorhin schon erwähnt haben, da war man der Meinung, es sind auf jeden Fall die Russen. Inzwischen hat sich das wieder so ein bisschen verschoben. Natürlich sind die Russen und auch die Chinesen starke Käufer, die konzentrieren sich im Augenblick aber mehr auf die Kunst aus ihren eigenen Ländern. Und erstaunlicherweise - in dieser Woche wird ja die zeitgenössische Kunst versteigert -, als es in der vergangenen Woche in New York um die Impressionisten und die klassische Moderne ging, da waren es weder die Russen noch die Chinesen noch übrigens die Amerikaner, da waren es überwiegend europäische Käufer.
Knipp: Also man könnte fast sagen eine klassische Klientel. Aber auf jeden Fall rüstet sich der Markt ja. Es ist jetzt zu beobachten, dass sich neue Strategien oder Allianzen auftun. Es gibt Auktionshäuser, die jetzt Galerien aufkaufen, es gibt Künstler, die exklusiv für Auktionshäuser malen. Sind das neue Strategien, die man da beobachten kann, gibt es neue Entwicklungen in dieser Hinsicht?
Koldehoff: Ja, das ist in jedem Fall so, und das liegt sicherlich mit daran, dass es so einen Boom am Kunstmarkt, wie wir ihn jetzt seit drei Jahren erleben, schon mal gegeben hat, Ende der 80er, Anfang der 90er Jahre. Da war das Ganze getragen hauptsächlich von einer Käuferschicht, nämlich den Japanern, die damals auch einen wirtschaftlichen Boom hatten. Und als dieser Boom zu Ende war, da platzte die Blase und der Kunstmarkt brach in sich zusammen. Man geht jetzt eher auf Nummer Sicher, man sichert sich ab, indem man diese Allianzen schmiedet, die Sie gerade beschrieben haben. Man versucht, marktfrische Ware zu bekommen, also über den Ankauf von Galerien direkten Zugriff auf Künstler zu haben, sodass man gar nicht mehr den Umweg über die Galerie, die fremde Galerie gehen muss, sondern quasi direkt im Atelier bei Damien Hirst und bei wem auch immer einkaufen kann. Damit versucht man, den Markt am Leben zu halten, und seit drei Jahren hat diese Strategie Erfolg.
Knipp: Noch direkter wäre ja der Weg über das Internet, und den versucht momentan der britische Sammler Charles Saatchi zu bestreiten, der ein neues virtuelles Auktionshaus angeboten hat - "Your Gallery" heißt das, also "deine Galerie" -, wo man eben Kunst auf virtuellem Wege kaufen kann. Welche Chancen räumen Sie diesem Projekt ein? Kann man im Internet Kunst verkaufen?
Koldehoff: Das ist der einzige Aspekt am momentanen Boom, bei dem ich sehr skeptisch bin. Ich glaube, dass die Blase so schnell nicht platzen wird. Was das Internet angeht, bin ich deswegen skeptisch, weil es schon ganz viele Versuche gegeben hat, so etwas zu machen. In den 90er Jahren haben auch die großen Auktionshäuser Millionenbeträge ins Internet-Business gepumpt - ohne Erfolg. Und das liegt, glaube ich, daran, dass es eben beim Auktionsmarkt der Kunst dann doch um Unikate geht. Sie kaufen vielleicht ein Auto im Internet, vielleicht noch eine teure Armbanduhr, aber den Cézanne oder den van Gogh oder den Picasso, den wollen Sie doch vorher im Original gesehen haben und vielleicht sogar ein Gläschen Champagner im Separee gereicht bekommen, bevor Sie dafür dann 60 Millionen auf den Tisch bieten.