Evolutionspsychologie
Der Kuss als Übrigbleibsel eines Pflegerituals?

Küssen ist bei uns Menschen weit verbreitet. Bis heute ist aber nicht klar, warum wir das eigentlich tun. Ein Evolutionspsychologe der Uni Warwick legt jetzt im Fachmagazin Evolutionary Anthropology jeine neue Theorie vor: Demnach hat sich das leichte Saugen an den Lippen aus einem Pflegeverhalten entwickelt.

    Nahaufnahme eines weiß gekleideten multirassischen Liebespaares, das sich zärtlich küsst und umarmt.
    Das Küssen könnte als Pflegeritual in der Evolution übrig geblieben sein. (picture alliance / imageBROKER / Unai Huizi)
    Unsere Vorfahren sollen die Lippen genutzt haben, um sich gegenseitig von Parasiten zu befreien. Das kann auch heute noch bei Menschenaffen beobachtet werden, die sich lausen. Ein Verhalten, das nicht nur der Reinigung, sondern auch der Bindung innerhalb der Gruppe dient. Als unsere Vorfahren ihr Körperfell verloren und die Pflegesitzungen kürzer wurden, sei das das abschließende leichte Saugen mit den Lippen erhalten geblieben - als Ausdruck von Nähe und Zuneigung.

    Auch Neanderthaler sollen schon geküsst haben

    Bisher gibt es viele verschiedene Theorien zum Küssen: Unter anderen, dass dadurch Bakterien ausgetauscht werden, die dem Immunsystem helfen oder dass es dadurch entstand, dass unsere Vorfahren so vorgekautes Essen weitergaben. Der Evolutionspsychologe sagt, dass dabei aber nicht die Lippen geschürzt und gesaugt werde, wie es beim Küssen üblich sei.
    Die frühesten schriftlichen Belege über das Küssen sind rund 4.500 Jahre alt. Es gibt aber Hinweise darauf, dass sich auch Neandertaler schon geküsst haben.
    Diese Nachricht wurde am 31.10.2024 im Programm Deutschlandfunk gesendet.