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Der Landwirt als Energiewirt

Immer mehr Landwirte in Deutschland setzen Biogasanlagen ein. Die Energie kann in einem kleinen Biogasnetz weitergeleitet werden, etwa zum nächsten Hallenbad oder zur nächsten Schule. Für diese dezentrale Energieversorgung machen sich die Deutsche Landwirtschaftsgesellschaft und der Verband der deutschen Maschinen- und Anlagebauer (VDMA) stark.

Von André Hatting | 11.12.2007
    Die wechselseitige Abhängigkeit ist der Grund für die verstärkte Zusammenarbeit: Der Bauer auf dem Feld oder in seinem Kuhstall erzeugt Biomasse. Die im Verband der deutschen Maschinen- und Anlagenbauer (VDMA) organisierten Unternehmen stellen die Anlagen her, mit denen Kuhdung in Biogas verwandelt werden kann.

    Nachwachsende Energieträger spielen eine große Rolle in der deutschen Landwirtschaft: 1997 betrug der Anteil 400.000 Hektar. In diesem Jahr sind es 2 Millionen. Die Zahl der von Landwirten eingesetzten Biogasanlagen ist auf 3.700 gestiegen. Und es können noch weitaus mehr werden. Die jetzt verabschiedeten Gesetzesnovellen bieten neue Anreize für Industrie und Landwirtschaft. Thorsten Herdan, Geschäftsführer der Branche Energiekraftwerke im VDMA:

    "Wo früher die Biogasanlage auf dem Hof des Bauern stand und der Bauer nun mal keinen Wärmebedarf hatte, wurde die Wärme verschenkt. Sie wurde zum Fenster rausgeblasen, nicht genutzt. Mit dem Thema Mikrogasnetze, was über das sogenannte Marktanreizprogramm mit gefördert wird, ist es jetzt möglich, ein bis zu zehn Kilometer langes kleines Biogasnetz zu bauen, um das auf dem Bauernhof produzierte Biogas zu einem Hallenbad, einer Schule, wohin auch immer, zu transportieren - nämlich genau dort, wo Wärme anfällt."

    Deutschland sei Marktführer bei der Entwicklung dezentraler Energieerzeugungsanlagen. Christof von Branconi von der Firma Tognum, die auf diese Systeme spezialisiert ist:

    "Was außer Zweifel steht, ist, dass die Gesetzgebung, die die Bundesregierung über die vergangenen Jahre gezeigt hat, natürlich Deutschland technologisch eine besondere Situation gegeben hat. Wir verkaufen in unseren Unternehmen heute mindestens die Hälfte der Gassysteme, die wir machen, aus Kraft-Wärme-Kopplung. Wir sind ein Unternehmen, das in der Brennstoffzellentechnologie aktiv ist. Und auch dort erkennen wir, dass die Zielsetzung, die formuliert ist, uns hilft, die Produkte in den Markt zu bringen."

    Zwei Schönheitsfehler hätten das überarbeitete Gesetz zur Förderung erneuerbarer Energien und das neue Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz trotzdem noch. Zum einen der Zeitpunkt des Inkrafttretens: Januar 2009, das sei zu spät und reiße eine Lücke, so Thorsten Herdan vom VDMA. Zum anderen würde auch das überarbeitete Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz, kurz KWK, nichts gegen die Vormachtsstellung der vier großen Energieerzeuger bewirken. Ein entscheidender Nachteil:

    "Das große Problem, das noch nicht gelöst ist, ist das strukturelle Problem beim Thema KWK. Was wir nach wie vor erkennen müssen, leider Gottes, ist, dass aufgrund der Oligopolstruktur im Energiemarkt nahezu jedes - das war vor fünf Jahren so, das ist heute noch so –, nahezu jedes Projekt in der Industrie von den Energieversorgern raus gekauft wird."

    Für die Landwirtschaft liegt dennoch die Zukunft in der dezentralen Energieerzeugung und der Verbindung von Energie- und Wärmegewinnung. Jochen Köckler, Geschäftsführer des Fachbereichs Ausstellungen in der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft, resümiert:

    "Grundsätzlich aus Agrarsicht hat das Thema natürlich zwei relevante Bereiche. Zum einen ist es eine gesellschaftliche Herausforderung, da Bioenergie, Biomasseproduktion, ohne Landwirtschaft nicht geht. Diese Herausforderung möchte die Landwirtschaft sehr gern angehen. Als zweites heißt es immer so schön: der Landwirt als Energiewirt. Hier ist es natürlich ein neuer Industriezweig, dem man sich stellen will, damit man ihn auch professionell gestalten kann. Deshalb möchte ich auch hier sagen, dass sicherlich der Landwirt als Energiewirt nachhaltig einen ökonomischen Betriebszweig aufbauen will."

    Im kommenden Jahr wollen sich VDMA und Deutsche Landwirtschaftsgesellschaft deshalb zum ersten Mal gemeinsam auf der Messe BioEnergy Europe in Hannover präsentieren.