Die sollen sofort aufhören. Ich kann doch nicht hingehen und Ortschaften kaputt machen, die Leute kaputt machen; ich habe Herzrhythmus -Störungen, wer gibt mir denn etwas, wenn ich tot umfalle ? Wenn wir in Reissbach den Abbau noch haben, der vorgesehen ist, werden in Schutt und Asche liegen. Es reicht nicht wenn man sagt, Ausstieg 2010, denn bis dahin sind unsere Häuser alle platt.
Hinzu kommt ein an der Saar verhältnismäßig neues Problem, das die Gemüter erhitzt: Erdbeben, respektive Erderschütterungen, verursacht durch den Bergbau. Im vergangen Jahr hat die Erde 199 Mal gebebt. Meldungen wie die folgende sind alltäglich an der Saar.
Rundschau Regional. Lebach: "Heute hat in Saarwellingen-Reissbach erneut die Erde gebebt. Das Beben erreichte nach Angaben der Freiburger Erdbebenwarte die Stärke von 2, 3 auf der nach oben offenen Richterskala.
Der Kohleabbau führt zu Spannungen im Gebirge, die sich unter besonderen tektonischen Voraussetzungen heftig entladen und über Tage als Erdbeben wahrgenommen werden. Diese Erschütterungen haben die Diskussion um eine Weiterführung des Bergbaus an der Saar stark emotionalisiert. Nikolaus Jung Bürgermeister der am meisten betroffenen Stadt Lebach.
Unsere Bürgerinnen und Bürger haben Angst bekommen, einmal, dass Schäden an ihren Häusern entstehen durch diese Erderschütterungen, was ja auch nachgewiesener Weise der Fall ist, und dass sie Schäden leiden an ihrer Gesundheit, Schlafstörungen und andere Erkrankungen sind zu verzeichnen.
Zwei Gutachter, die von der Landesregierung beauftragt wurden, kommen zu einem anderen Ergebnis. Die Erderschütterungen führten weder zu nennenswerten Schäden an Häusern, noch beeinträchtigten diese in irgendeiner Form die Gesundheit. Dr. Oswald Klingmüller von der Gesellschaft für Schwingungsuntersuchungen und dynamische Prüfmethoden in Mannheim.
Diese gesundheitlichen Effekte wie Bluthochdruck oder Herzbeschwerden, entstehen eher als mittelbarer Eindruck, einfach dadurch, dass mit den Erschütterungen Gefährdungen verbunden werden, die effektiv aber nicht da sind.
Diese Einschätzung der Gutachter, die sich zum großen Teil mit der Auffassung des Unternehmens deckt, ruft bei Betroffenen nichts als Unverständnis hervor.
Auf diese Erdbeben und die Auswirkungen auf den Menschen geht das Gutachten gar nicht ein oder nicht richtig ein. Das wird alles nur materiell gesehen, nur die materiellen Schäden und nicht die persönlichen Schäden. Ich habe zu Hause eine bewegungsbehinderte Frau, die alle 150 Erdbeben schon mitgemacht hat. Bei und kracht das Haus, bei uns sind Risse, bei uns hebt sich das Fertighaus und das Untergeschoss löst sich ab, weil die Häuser die horizontalen Bewegungen überhaupt nicht verkraften, denn dafür sind sie nicht gebaut. Die Auswirkungen der Beben sind ganz massiv, sie haben als Betroffener unheimlich Angst; sie trauen sich gar nicht mehr in ihrem Haus Arbeiten zu machen, zum Beispiel die Fassade zu reinigen, wenn sie auf eine Leiter klettern, sie bekommen einen Stoß, sie fallen runter und sind schwer verletzt. Also das beeinträchtigt in einer ungeheuer starken Form das tägliche Leben.
Der Versuch der Landesregierung, zwischen den widerstreitenden Interessen des Unternehmens, der Deutschen Steinkohle AG, auf der einen Seite und den Interessen der vom Bergbau Betroffenen auf der anderen Seite zu vermitteln, ist weitgehend gescheitert. Die Gegensätze sind zu fundamental. Für den christdemokratischen Lebacher Bürgermeister Nikolaus Jung alles andere als verwunderlich.
Die eine Seite, das sind die Bergbaugegner; sie wollen haben, dass morgen früh um sechs Uhr die Gruben zugesperrt werden. Die anderen, das sind die, die noch im Bergbau beschäftigt sind, wollen haben, dass sie - egal welchen Alters - wie das früher und auch heute noch der Fall ist zum Teil, in ihrem Beruf in den Ruhestand gehen. Und diese Interessenlagen von beiden Seiten sind nicht zusammen zu bringen. Es ist ein großer Dissens.
Die Gewerkschaft IGBCE hat inzwischen eine Image-Kampagne gestartet, um den negativen Meinungstrend zu stoppen. Geworben wird auf großflächigen Plakaten: Für die Kohle als sicherer heimischer Energieträger, für die Leistung des Bergmanns und für den Bergbau als Wirtschaftsfaktor. Positionen an die sich auch die Beschäftigten des deutschen Steinkohlenbergbaus klammern, denn alternative Arbeitsplätze sind rar.
Ich bin im Bergbau groß geworden, wenn ich dann höre, wie der Bergbau "runtergeballert" wird, dann stimmt mich das traurig. Es wird irgendwie weitergehen, es muss weiter gehen. Man muss den Bergmann als das sehen, was er in den vergangenen Jahren auch war, als Wirtschaftsfaktor. Und die haben auch die heimische Wirtschaft unterstützt, dadurch dass er Autos gekauft hat, dadurch, dass sei bei den heimischen Bäckern ihr Brot gekauft haben usw. Ich sehe immer noch die Kohle als Energieträger für die Bundesrepublik als ehr wichtig an. Denn wir haben sonst keine Energie und wären sonst von Importen, von Öl und Gas, abhängig und daher denke ich, dass wir Energiesicherheit haben sollten in Deutschland.
Doch diese Positionen werden von der CDU-geführten saarländischen Landesregierung längst nicht mehr vertreten. Ein Ärgernis für die 9.000 saarländischen Bergleute. Ernsthaft verunsichert aber haben die Bergleute, die sich im Saarland auf zwei Gruben, eine Verwaltungseinheit und einen technischen Beitrieb verteilen, die Gerichte. Erstmals in der Geschichte des deutschen Steinkohlenbergbaus hatte im vergangen Jahr das Verwaltungsgericht Saarlouis den Betrieb einer Zeche vorübergehend stillgelegt. Betroffen von dieser Entscheidung war die Grube Ensdorf. Die Hälfte der Beschäftigten wurde in Kurzarbeit geschickt. Für viele unvorstellbar, schwebte plötzlich das Damoklesschwert von Entlassungen in großem Stil über der nach wie vor leistungsfähigsten deutschen Zeche.
Das Urteil hatte jedoch nicht nur Unternehmen und Beschäftigte in Aufruhr versetzt sondern auch die Politik. Genehmigungen für industrielle Großprojekte werden in Deutschland regelmäßig vor Gericht angefochten. Der Bergbau bleibt davon nicht verschont. Jedes Abbauvorhaben wird beklagt. Nur verlief der Interessenausgleich bislang in aller Regel zugunsten der wirtschaftlichen Interessen und damit vielfach auch im Interesse der Beschäftigten. Nicht so das Urteil des Saarlouiser Verwaltungsgerichtes. In den Chefetagen von Unternehmen und Politik vor allem im Kohleland Nordrhein-Westfalen löste das Urteil deshalb große Verwunderung aus. Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Wolfgang Clement.
Es ist unverhältnismäßig, wenn ich auf die Klage eines Dritten, der befürchtet, betroffen zu sein, die Rechte von über tausend Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern außer Kraft setzte. Und deshalb bezeichne ich diese Gerichtsentscheidung als atemberaubend. Ich hab das nicht für möglich gehalten, ich glaube, sie ist auch ziemlich einzigartig in der deutschen Industriegeschichte. Und deshalb wehre ich mich, das ist nur das veränderte Klima gegenüber dem Bergbau. Daraus spricht ein Unverhältnis, ein nicht ausreichend entwickeltes Verhältnis zu sozialen Rechten, die es in Deutschland gibt, die ich jedenfalls durch die Verfassung geschützt sehe und deshalb bin ich entsetzt über die erste Entscheidung.
Doch das Entsetzen war nicht von langer Dauer. Zur Freude der Beschäftigten hob das Oberverwaltungsgericht die Eilentscheidung der ersten Instanz auf. Inzwischen ist auch in der Hauptsache entschieden: Der Kohleabbau darf weitergehen. Für die Gruppe der Bergbaugegner war es eine weitere Enttäuschung. Entmutigen lassen wollen sich die Mitglieder der Initiativen, die sich längst landesweit organisiert haben, dadurch jedoch nicht. Manfred Jost Vorsitzender der Bergbaugeschädigten an der Saar.
Die Leine, die das Unternehmen in der Vergangenheit aus dem juristischen Bereich so hatte, ist immer kürzer geworden, denn als ich 1990 aufgestanden bin 1990 und gesagt habe, im Bergbau muss eine Umweltverträglichkeitsprüfung gemacht werden, da hat sich die ganze Rechtsabteilung der Saarbergwerke damals kaputt gelacht und jeder hat mich beschimpft, als Idioten, der keine Ahnung hat, von rechtlichen Voraussetzungen, heut’ ist sie obligatorisch geworden, ganz einfach, weil dieser europäische Rechtsgedanke inzwischen greift. Das ist ein langer Weg. Wir sind die Pioniere, deshalb bekommen wir oft eine auf die Mütze. Deshalb sind wir manchmal etwas frustriert, aber der Kampfeswille ist nach wie vor da.
Vor kurzem waren Saarländer und Nordrhein - Westfalen gemeinsam in Brüssel, um ihre Sorgen der für Energiepolitik zuständigen Kommissarin, Loyola de Palacio, vorzutragen. Während sich der nordrhein-westfälische Ministerpräsident bei der EU-Kommission um eine Absicherung des Deutschen Steinkohlenbergbaus bemüht. Denn verkaufen lässt sich in Deutschland geförderte Steinkohle nur dann, wenn sie auf Weltmarktpreis herab subventioniert wird. Mehrere Milliarden Mark, die jährlich aus Steuermitteln für den Deutschen Steinkohlenbergbau ausgegeben werden, sind genehmigungspflichtig. Sie dürfen nur dann gezahlt werden, wenn Brüssel dazu " ja" sagt. Doch die EU-Kommission pocht auf weitere spürbare Abstriche bei den Subventionen für die deutsche Steinkohle. Keine einfache Situation für Unternehmen und Beschäftigte. Karl Starzacher Vorstandsvorsitzender der Ruhrkohle AG.
Die eigentliche Intention der EU-Kommission ist, den Steinkohlenbergbau nach Möglichkeit bis zum Jahr 2010 zu beenden, das kann keine Perspektive sein, mit der wir als Unternehmen, und ich kann das genauso für den Sozialpartner und die Politik sagen, mit der wir einverstanden sein können.
Die Positionen der Politik sind jedoch nicht so einheitlich, wie es sich das Unternehmen wünschen würde. Sie variieren zwischen der Landesregierung in Nordrhein - Westfalen und dem Saarland. Wolfgang Clement wird nicht müde, darauf hinzuweisen, dass es darum gehe, den deutschen Steinkohlenbergbau langfristig zu sichern.
Der Steinkohlenbergbau muss auf einem Förderniveau aufrechterhalten werden, das einen angemessenen Beitrag zur Energieversorgung leistet und technische Entscheidungen weiterhin möglich macht. Darin unterscheiden wir uns Herr Kollege Müller. Ein Auslaufbergbau oder gar ein Museumsbergbau könnte das auf keinen Fall leisten, wir wollen den nicht. Zum Zweiten, die Bergbau treibenden Unternehmen und die Bergleute ahben einen Anspruch auf Planungssicherheit. Das heißt, wir brauchen vernünftige Planungsräume über 2007, nach meiner Auffassung auch über 2010 hinaus....
Unbeeindruckt von der Position des größten Revierlandes, Nordrhein-Westfalen, wird an der Saar immer häufiger vom Ausstieg und von zeitlich begrenzten Perspektiven für den deutschen Steinkohlenbergbau gesprochen. Ministerpräsident Peter Müller.
Die Situation des Steinkohlenbergbaus an der Ruhr ist eine andere Situation als die Situation des Steinkohlenbergbaus an der Saar. Es gibt bei uns noch zwei Bergwerke mit ganz spezifischen Bedingungen mit Blick auf die Lagerstätte und die Kosten. Die saarländische Landesregierung ist vor diesem Hintergrund der Auffassung, dass nicht nur lagerstättenbedingt das Auslaufen des Steinkohlenbergbaus an der Saar unvermeidlich ist.
Die Haltung des Ministerpräsidenten sei nicht eindeutig, argumentiert die Opposition im Land. Peter Müller jongliere ohne Not mit dem für das Land nach wie vor wichtigen Thema, gebe Positionen preis. Der SPD-Oppositionsführer im saarländischen Landtag Heiko Maas.
Das Saarland ist strukturpolitisch nicht mehr vom Bergbau abhängig. Aber, der Bergbau ist ein wesentlicher Wirtschaftsfaktor, und deshalb ist es wirtschaftspolitisch notwendig, der Bergbau ist ein Industriezweig, den wir zukunftssicher machen müssen, energiepolitisch sowieso.
Jahrzehntelang herrschte zwischen den beiden großen Parteien Konsens darüber, dass zur Absicherung der Beschäftigung im Land die Kohle gestützt werden müsse. Damit ist es jedoch vorbei. Bereits vor der letzten Landtagswahl verabschiedete sich die CDU von diesem Grundkonsens und weckte damit Erwartungen bei jenen, die schon immer für einen schnellen Ausstieg aus dem Bergbau eintraten. Doch nach der Wahl ist bekanntlich nicht automatisch vor der Wahl und so blieb es bislang bei Ankündigungen, was Bergbaugegner wie Befürworter gleichermaßen verärgert. Ein politischer Spagat, der aus Sicht der Opposition nicht gelingen kann. Heiko Maas.
Ich kann nicht auf der einen Seite denen, die vom Bergbau betroffen sind, glauben machen, dass es keine Auswirkungen gibt auf ihre Grundstücke, obwohl ich genau weiß, dass im Saarland vornehmlich unter bebautem Gebiet abgebaut wird. Und auf der anderen Seite den Bergleuten glauben machen, dass ihre Zukunft gesichert ist.
Doch nicht die Zukunft des saarländischen Bergbaus sondern den sozialverträglichen Ausstieg aus dem Bergbau will die Landesregierung sichern. Das ist ihr erklärtes Ziel. Ministerpräsident Peter Müller.
Ziel muss es sein, auch weiterhin betriebsbedingte Kündigungen zu vermeiden. Jeder Arbeitsplatz im Steinkohlenbergbau hat ein Gesicht. Hinter jedem Arbeitsplatz steht ein Mensch... Dies ist zu berücksichtigen und deshalb ist die Sozialverträglichkeit im Anpassungsprozess ein hoher Wert.
In den vergangenen acht Jahren ist es gelungen, jährlich etwa 1000 Arbeitsplätze im saarländischen Steinkohlenbergbau abzubauen, ohne dass Kündigungen ausgesprochen werden mussten. Großzügige Vorruhestandsregelungen sowie erfolgreiche Versuche des Unternehmens und der beteiligten Arbeitsämter die jüngeren Beschäftigten umzuschulen, damit sie außerhalb des Bergbaues einen neuen Arbeitsplatz finden, haben sich ausgezahlt. Dieser Prozess aber benötigt Zeit, denn der saarländische Arbeitsmarkt ist nicht mehr so aufnahmefähig. Die Zahl der an Drittfirmen vermittelten Bergleute sank von 676 im Jahr 2000 auf nur noch 400 im vergangenen Jahr. Darüber hinaus hat sich die Landesregierung auch von der Vorstellung verabschiedet, dass auf stillgelegten Bergbauflächen schnell neue Arbeitsplätze entstehen werden. Die Entwicklung und Vermarktung der Flächen liegt inzwischen in den Händen einer landeseigenen Gesellschaft die andere Ziele verfolgt, als Ersatzarbeitsplätze zu schaffen. Der Geschäftsführer der Gesellschaft für IndustrieKultur Saar Karl Kleineberg.
Hier haben bis vor zwei Jahren 3 ½ Tausend Menschen gearbeitet, die meisten davon unter Tage und das Gelände reicht nicht aus, 3 ½ tausend Arbeitsplätze wieder entstehen zu lassen. Gleichwohl hat das, was der Bergbau uns hinterlassen hat, ungeheuren Charakter und großes Flair, dass ich mir gut vorstellen kann, dass sich Menschen dafür interessieren. Unsere Aufgabe ist es daher, den Standort attraktiver zu machen. Ich könnte mir vorstellen, dass in 10 Jahren 200, 300 vielleicht auch 500 Menschen hier wohnen und arbeiten....Also wir werden keine Arbeitsplätze schaffen für die Bergleute, die hier früher einmal gearbeitet haben. Das ist aus meiner Sicht auch nicht notwendig, weil für sie gesorgt ist. Wir wollen Arbeitsplätze schaffen für die Kinder und die Kindeskinder dieser Bergleute, das ist unsere wichtigste Aufgabe.
Zeit, die beim Anpassungsprozess im Bergbau benötigt wird, will aber auch die EU-Kommission in Brüssel den Deutschen nicht in erforderlichem Maße lassen. Da im Sommer die Grundlage für die Finanzierung der Deutschen Steinkohle, der Europäische Vertrag für Kohle und Stahl, ausläuft, bedarf es einer Nachfolgeregelung. Auf dem Tisch liegt ein Vorschlag, der die Subventionierung deutscher Steinkohle zunächst auf das Jahr 2007 begrenzt. Allerdings räumt der Vorschlag die Option ein, die Beihilfen für die deutsche Steinkohle für weitere drei Jahre bis zum Jahr 2010 zu verlängern. Anfang Juni auf einem Treffen der europäischen Wirtschafts- und Energieminister wird dieser Vorschlag diskutiert werden. Sie werden letztendlich darüber entscheiden, in welcher Höhe und wie lange die Deutschen den Steinkohlenbergbau in Nordrhein-Westfalen und dem Saarland noch mit Steuermitteln unterstützen dürfen.