Dienstag dieser Woche vor dem Pariser "Palais de Justice", dem Justizpalast: Anwalt Jean-Louis Chalanset hastet die breite, steile Treppe hinauf zur marmornen Eingangshalle. Er hat einen wichtigen Termin: die Anhörung seines Mandanten Jean-Marc Rouillan, Gründungsmitglied der "Action Directe". Nach 20 Jahren Gefängnis hat dieser einen Antrag auf Freigang gestellt und wird heute dazu via Videokonferenz von den Pariser Richtern gehört. Es ist bereits sein zweiter Antrag auf Freigang: Der erste wurde 2005 abgelehnt, und auch diesmal stünden die Chancen schlecht, beklagt sein Verteidiger nach der Anhörung:
"Auf Rouillan, der immer als Chef der 'Action Directe' galt, reagiert die französische Justiz mit besonderer Härte. Das Gericht geht davon aus, dass ein Rückfallrisiko besteht. Die Arbeit bei einem Verlag, die er als Freigänger antreten will, wird nicht anerkannt, obwohl sie seriös ist. Das zeigt, dass die französische Justiz grundsätzlich gegen den Freigängerstatus ist. Aber wir werden sehen und das Urteil am 25. September abwarten."
Vier "Action Directe"-Gründungsmitglieder werden 1986 festgenommen und knapp drei Jahre später zu lebenslänglichen Strafen mit mindestens 18 Jahre Sicherheitsgewahrsam verurteilt - unter anderem wegen Mordes an Renault-Chef Georges Besse und General René Audran. Davon sitzen heute, nach über 20 Jahren, noch immer drei, darunter Nathalie Ménigon, seit August dieses Jahres Freigängerin. Nur eine Insassin wurde 2004 wegen eines Gehirntumors wenige Wochen vor ihrem Tod endgültig freigelassen. Anwalt Jean-Louis Chalanset, Rechtsbeistand der drei Häftlinge, kritisiert denn auch, dass sich der französische Staat gegenüber den linksextremistischen Terroristen besonders inhuman zeige. Den französischen Politikern, links wie rechts, wirft er gar Rachsucht vor:
"Es ist der Versuch, sich zu rächen. So haben meine Mandanten zum Beispiel zehn lange Jahre in Isolationshaft verbracht. Es wurde und wird so gut wie keine Rücksicht auf den Gesundheitszustand der Häftlinge genommen. Vergleicht man das mit dem französischen Nazikollaborateur Maurice Papon, der wurde bereits drei Jahre nach seiner Verurteilung 1998 wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit wieder aus dem Gefängnis entlassen - aufgrund einer leichten Erkrankung."
Die "Action Directe" formiert sich Ende der 70er Jahre aus extremlinken Gruppierungen der marxistisch-anarchistischen Szene Frankreichs.: Bank- und Raubüberfälle, Anschläge auf staatliche und besonders militärische Einrichtungen, und zwei gezielte Morde. Doch die französische Terrororganisation verfügt über geringere Mittel und auch weniger Unterstützung. Denn im Gegensatz zu Deutschland oder Italien bleiben der "bewaffnete Kampf" und das Blutvergießen der "Action Directe" an der linksextremistischen Basis sehr umstritten. Eine Zurückhaltung, die sich unter anderem auch mit dem kulturellen Erbe der französischen Revolution erklären lässt, glaubt Sophie Wahnich, Historikerin und Forschungsbeauftragte am Nationalen Forschungs- und Wissenschaftszentrum, kurz CNRS:
"In der Vorstellung der Franzosen gilt: Die Revolution triumphiert nur dann, wenn sie die Gesellschaftsform ohne Blutvergießen verändert. Gewalt wird als Scheitern erlebt. So distanzieren sich selbst jene Gruppen von 'Action Directe', aus deren Reihen die Mitglieder stammen. Anstatt, dass die Bewegung wächst, verliert sie sehr schnell ihre Sympathisanten. Nicht zuletzt deswegen sind ihre Aktionen weniger zahlreich."
Doch in einem weiteren Punkt unterscheidet sich die Geschichte der Terrorgruppe von anderen linken Terrororganisationen in Europa. Während der Staat in Deutschland sofort mit Autorität auf die ersten Anschläge der RAF reagiert, setzt die sozialistische Regierung unter Staatspräsident Mitterand auf Deeskalation: Kurz nach dem Machtantritt Mitterands 1981 - einige 'Action Directe'-Mitglieder sitzen bereits für erste Taten in Haft - werden sie als politische Gefangene amnestiert und freigelassen. Doch nur wenig später greift der harte Kern der Organisation wieder zu den Waffen und begeht seine ersten politischen Morde. Für den damaligen Staatschef Mitterand und seine Sozialisten ein unverzeihlicher Verrat, der bis heute nachwirkt. Sophie Wahnich vom Pariser Forschungszentrum CNRS:
"Frankreichs Sozialisten fühlten sich verraten, reingelegt und benutzt. Von da an demonstrierten die Sozialisten eine besondere Härte gegenüber den Mitgliedern der 'Action Directe'. Eine politische Starrheit, die bis heute wirkt und eine Diskussion der Sozialisten um eine neue Amnestie bis heute quasi ausschließt."
Unterstützung für eine vorgezogene Entlassung der Exterroristen sei weder von den Sozialisten noch von den konservativen Parteien Frankreichs zu erwarten, meint denn auch Anwalt Jean-Louis Chalanset. Er setzt darauf, dass die französische Justiz ein Einsehen hat, dass jede Strafe ein Ende haben muss und sich ein Rechtsstaat vor allem im humanen Umgang mit seinen Feinden von damals beweist.
"Die Bereitschaft dazu findet man in diesem Fall eher bei den Richtern als bei französischen Politikern."
"Auf Rouillan, der immer als Chef der 'Action Directe' galt, reagiert die französische Justiz mit besonderer Härte. Das Gericht geht davon aus, dass ein Rückfallrisiko besteht. Die Arbeit bei einem Verlag, die er als Freigänger antreten will, wird nicht anerkannt, obwohl sie seriös ist. Das zeigt, dass die französische Justiz grundsätzlich gegen den Freigängerstatus ist. Aber wir werden sehen und das Urteil am 25. September abwarten."
Vier "Action Directe"-Gründungsmitglieder werden 1986 festgenommen und knapp drei Jahre später zu lebenslänglichen Strafen mit mindestens 18 Jahre Sicherheitsgewahrsam verurteilt - unter anderem wegen Mordes an Renault-Chef Georges Besse und General René Audran. Davon sitzen heute, nach über 20 Jahren, noch immer drei, darunter Nathalie Ménigon, seit August dieses Jahres Freigängerin. Nur eine Insassin wurde 2004 wegen eines Gehirntumors wenige Wochen vor ihrem Tod endgültig freigelassen. Anwalt Jean-Louis Chalanset, Rechtsbeistand der drei Häftlinge, kritisiert denn auch, dass sich der französische Staat gegenüber den linksextremistischen Terroristen besonders inhuman zeige. Den französischen Politikern, links wie rechts, wirft er gar Rachsucht vor:
"Es ist der Versuch, sich zu rächen. So haben meine Mandanten zum Beispiel zehn lange Jahre in Isolationshaft verbracht. Es wurde und wird so gut wie keine Rücksicht auf den Gesundheitszustand der Häftlinge genommen. Vergleicht man das mit dem französischen Nazikollaborateur Maurice Papon, der wurde bereits drei Jahre nach seiner Verurteilung 1998 wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit wieder aus dem Gefängnis entlassen - aufgrund einer leichten Erkrankung."
Die "Action Directe" formiert sich Ende der 70er Jahre aus extremlinken Gruppierungen der marxistisch-anarchistischen Szene Frankreichs.: Bank- und Raubüberfälle, Anschläge auf staatliche und besonders militärische Einrichtungen, und zwei gezielte Morde. Doch die französische Terrororganisation verfügt über geringere Mittel und auch weniger Unterstützung. Denn im Gegensatz zu Deutschland oder Italien bleiben der "bewaffnete Kampf" und das Blutvergießen der "Action Directe" an der linksextremistischen Basis sehr umstritten. Eine Zurückhaltung, die sich unter anderem auch mit dem kulturellen Erbe der französischen Revolution erklären lässt, glaubt Sophie Wahnich, Historikerin und Forschungsbeauftragte am Nationalen Forschungs- und Wissenschaftszentrum, kurz CNRS:
"In der Vorstellung der Franzosen gilt: Die Revolution triumphiert nur dann, wenn sie die Gesellschaftsform ohne Blutvergießen verändert. Gewalt wird als Scheitern erlebt. So distanzieren sich selbst jene Gruppen von 'Action Directe', aus deren Reihen die Mitglieder stammen. Anstatt, dass die Bewegung wächst, verliert sie sehr schnell ihre Sympathisanten. Nicht zuletzt deswegen sind ihre Aktionen weniger zahlreich."
Doch in einem weiteren Punkt unterscheidet sich die Geschichte der Terrorgruppe von anderen linken Terrororganisationen in Europa. Während der Staat in Deutschland sofort mit Autorität auf die ersten Anschläge der RAF reagiert, setzt die sozialistische Regierung unter Staatspräsident Mitterand auf Deeskalation: Kurz nach dem Machtantritt Mitterands 1981 - einige 'Action Directe'-Mitglieder sitzen bereits für erste Taten in Haft - werden sie als politische Gefangene amnestiert und freigelassen. Doch nur wenig später greift der harte Kern der Organisation wieder zu den Waffen und begeht seine ersten politischen Morde. Für den damaligen Staatschef Mitterand und seine Sozialisten ein unverzeihlicher Verrat, der bis heute nachwirkt. Sophie Wahnich vom Pariser Forschungszentrum CNRS:
"Frankreichs Sozialisten fühlten sich verraten, reingelegt und benutzt. Von da an demonstrierten die Sozialisten eine besondere Härte gegenüber den Mitgliedern der 'Action Directe'. Eine politische Starrheit, die bis heute wirkt und eine Diskussion der Sozialisten um eine neue Amnestie bis heute quasi ausschließt."
Unterstützung für eine vorgezogene Entlassung der Exterroristen sei weder von den Sozialisten noch von den konservativen Parteien Frankreichs zu erwarten, meint denn auch Anwalt Jean-Louis Chalanset. Er setzt darauf, dass die französische Justiz ein Einsehen hat, dass jede Strafe ein Ende haben muss und sich ein Rechtsstaat vor allem im humanen Umgang mit seinen Feinden von damals beweist.
"Die Bereitschaft dazu findet man in diesem Fall eher bei den Richtern als bei französischen Politikern."