Das Jugoslawientribunal am Churchhillplatz in Den Haag. Vor dem grauen Bürohochhaus plätschert wie immer der majestätische Springbrunnen, dahinter flattern blaue UNO-Fahnen im Nordseewind.
125 Angeklagten wurde hier bereits der Prozess gemacht, 36 weitere stehen derzeit vor Gericht. Nur noch zwei mutmaßliche Kriegsverbrecher sind auf der Flucht: der serbisch-kroatische Politiker Goran Hadzic und General Ratko Mladic. Seit 15 Jahren wird er wegen des Völkermordes in Srebrenica während des Bosnien-Krieges gesucht.
Von der Auslieferung dieser letzten beiden Angeklagten hatte Brüssel bislang den EU-Beitritt Serbiens abhängig gemacht. Allen voran die niederländische Regierung: Maxime Verhagen, bis vor kurzem noch Außenminister in Den Haag, hatte sich in dieser Frage ganz besonders unnachgiebig.
"Ich bin nicht Politiker geworden, um meine Prinzipien zu verramschen. Serbien kann schon morgen EU-Mitglied werden, ich gebe dafür umgehend meine Unterschrift – vorausgesetzt, alle Kriterien werden erfüllt, und dazu gehört die Auslieferung von Mladic. Aber das hängt nicht von mir ab, sondern von den Serben!"
Inzwischen stehen die Niederländer mit dieser Haltung in Brüssel allerdings alleine da. Denn Belgrad hat im Kosovo-Konflikt eingelenkt: Die Serben verweigern nicht länger den Dialog mit dem Kosovo, das sich unabhängig erklärt hat, aber von Serbien immer noch als Teil seines Staatsgebiets betrachtet wird. Anfang September hat die serbische Regierung zur Erleichterung von Brüssel einen umstrittenen Entwurf für eine Kosovo-Resolution vor den Vereinten Nationen abgeschwächt.
Dadurch hat sich der Widerstand der anderen 26 EU-Staaten gelegt. Im Gegensatz zu Den Haag wollen sie das EU-Beitrittsverfahren von Serbien nun vorantreiben – und das, obwohl der Chefankläger des Jugoslawientribunals Serge Brammertz erst im September noch kritisiert hatte, die Zusammenarbeit der Serben mit dem Tribunal lasse stark zu wünschen übrig. Chefankläger Brammertz:
"Was die laufenden Verfahren betrifft, ist die Zusammenarbeit mit Belgrad zwar zufriedenstellend. Aber was die beiden noch flüchtigen Angeklagten betrifft, haben wir große Bedenken geäußert. In Sachen Aufspüren und Ausliefern von Mladic und Hadzic sind wir alles andere als zufrieden, da muss weitaus mehr geschehen!"
Für das niederländische Parlament war das Grund genug, am niederländischen Standpunkt jetzt erst recht nicht zu rütteln: Es hat die neue Regierung unter dem rechtsliberalen Ministerpräsidenten Mark Rutte aufgerufen, in Brüssel Rückgrat zu beweisen. Europa müsse den nächsten Halbjahresbericht von Chefankläger Brammertz im Dezember abwarten. Erst wenn er die Zusammenarbeit von Belgrad mit dem Tribunal darin als zufriedenstellend bezeichne, könnten in Sachen EU-Beitritt von Serbien weitere Schritte unternommen werden.
Die unbeugsame Haltung der Niederländer kommt nicht von ungefähr: Schließlich waren es niederländische Blauhelme gewesen, die damals in Srebrenica den Mord an 8000 moslemischen Männern und Jungen nicht verhindern konnten.
"Für uns Niederländer ist Srebrenica zu einem nationalen Trauma geworden", erklärt Balkan-Experte Jair van de Lijn vom renommierten Institut für internationale Beziehungen Clingendael in Den Haag:
"Seitdem haben wir das Gefühl, etwas gutmachen zu müssen. Außerdem sehen wir uns traditionell als Hüter der Menschenrechte. Den Haag muss an sein Image als Welthauptstadt für Frieden und Gerechtigkeit denken."
Abzuwarten allerdings bleibt, ob sich der neue niederländische Außenminister Uri Rosenthal als genauso prinzipientreu erweist wie sein Vorgänger Verhagen.
Wobei Balkenexperte van de Lijn bezweifelt, ob die rigorose Haltung des niederländischen Parlaments in diesem Falle auch die beste ist:
"Hier ist ein politischer Drahtseilakt erforderlich, doch das ist unglaublich schwierig: Einerseits dürfen wir die Serben nicht zu sehr vor den Kopf stoßen und es Präsident Tadic nicht schwerer machen, seine pro-europäische Haltung den Wählern gegenüber zu verteidigen. Andererseits dürfen wir unsere Werte nicht verleugnen. Es geht um die Glaubwürdigkeit der EU, wir können nicht sagen: Was in Srebrenica passierte, ist Vergangenheit – Sand darüber!"
125 Angeklagten wurde hier bereits der Prozess gemacht, 36 weitere stehen derzeit vor Gericht. Nur noch zwei mutmaßliche Kriegsverbrecher sind auf der Flucht: der serbisch-kroatische Politiker Goran Hadzic und General Ratko Mladic. Seit 15 Jahren wird er wegen des Völkermordes in Srebrenica während des Bosnien-Krieges gesucht.
Von der Auslieferung dieser letzten beiden Angeklagten hatte Brüssel bislang den EU-Beitritt Serbiens abhängig gemacht. Allen voran die niederländische Regierung: Maxime Verhagen, bis vor kurzem noch Außenminister in Den Haag, hatte sich in dieser Frage ganz besonders unnachgiebig.
"Ich bin nicht Politiker geworden, um meine Prinzipien zu verramschen. Serbien kann schon morgen EU-Mitglied werden, ich gebe dafür umgehend meine Unterschrift – vorausgesetzt, alle Kriterien werden erfüllt, und dazu gehört die Auslieferung von Mladic. Aber das hängt nicht von mir ab, sondern von den Serben!"
Inzwischen stehen die Niederländer mit dieser Haltung in Brüssel allerdings alleine da. Denn Belgrad hat im Kosovo-Konflikt eingelenkt: Die Serben verweigern nicht länger den Dialog mit dem Kosovo, das sich unabhängig erklärt hat, aber von Serbien immer noch als Teil seines Staatsgebiets betrachtet wird. Anfang September hat die serbische Regierung zur Erleichterung von Brüssel einen umstrittenen Entwurf für eine Kosovo-Resolution vor den Vereinten Nationen abgeschwächt.
Dadurch hat sich der Widerstand der anderen 26 EU-Staaten gelegt. Im Gegensatz zu Den Haag wollen sie das EU-Beitrittsverfahren von Serbien nun vorantreiben – und das, obwohl der Chefankläger des Jugoslawientribunals Serge Brammertz erst im September noch kritisiert hatte, die Zusammenarbeit der Serben mit dem Tribunal lasse stark zu wünschen übrig. Chefankläger Brammertz:
"Was die laufenden Verfahren betrifft, ist die Zusammenarbeit mit Belgrad zwar zufriedenstellend. Aber was die beiden noch flüchtigen Angeklagten betrifft, haben wir große Bedenken geäußert. In Sachen Aufspüren und Ausliefern von Mladic und Hadzic sind wir alles andere als zufrieden, da muss weitaus mehr geschehen!"
Für das niederländische Parlament war das Grund genug, am niederländischen Standpunkt jetzt erst recht nicht zu rütteln: Es hat die neue Regierung unter dem rechtsliberalen Ministerpräsidenten Mark Rutte aufgerufen, in Brüssel Rückgrat zu beweisen. Europa müsse den nächsten Halbjahresbericht von Chefankläger Brammertz im Dezember abwarten. Erst wenn er die Zusammenarbeit von Belgrad mit dem Tribunal darin als zufriedenstellend bezeichne, könnten in Sachen EU-Beitritt von Serbien weitere Schritte unternommen werden.
Die unbeugsame Haltung der Niederländer kommt nicht von ungefähr: Schließlich waren es niederländische Blauhelme gewesen, die damals in Srebrenica den Mord an 8000 moslemischen Männern und Jungen nicht verhindern konnten.
"Für uns Niederländer ist Srebrenica zu einem nationalen Trauma geworden", erklärt Balkan-Experte Jair van de Lijn vom renommierten Institut für internationale Beziehungen Clingendael in Den Haag:
"Seitdem haben wir das Gefühl, etwas gutmachen zu müssen. Außerdem sehen wir uns traditionell als Hüter der Menschenrechte. Den Haag muss an sein Image als Welthauptstadt für Frieden und Gerechtigkeit denken."
Abzuwarten allerdings bleibt, ob sich der neue niederländische Außenminister Uri Rosenthal als genauso prinzipientreu erweist wie sein Vorgänger Verhagen.
Wobei Balkenexperte van de Lijn bezweifelt, ob die rigorose Haltung des niederländischen Parlaments in diesem Falle auch die beste ist:
"Hier ist ein politischer Drahtseilakt erforderlich, doch das ist unglaublich schwierig: Einerseits dürfen wir die Serben nicht zu sehr vor den Kopf stoßen und es Präsident Tadic nicht schwerer machen, seine pro-europäische Haltung den Wählern gegenüber zu verteidigen. Andererseits dürfen wir unsere Werte nicht verleugnen. Es geht um die Glaubwürdigkeit der EU, wir können nicht sagen: Was in Srebrenica passierte, ist Vergangenheit – Sand darüber!"