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Der letzte Baustein für eine Selbstverwaltung

Es soll die letzte Etappe sein auf dem langen Weg des nordirischen Friedensprozesses. Die Übergabe der Verantwortung für Polizei und Justiz. Bislang ist noch die Zentralregierung in London zuständig. Künftig aber soll sie in den Händen der Nordiren liegen. Doch dies könnte sich nun als Stolperstein erweisen, denn die Koalitionsregierung in Belfast zeigt sich tief zerstritten.

Von Martin Zagatta |
    "Wir werden nicht weichen", singen die Delegierten. Der Parteitag der protestantischen DUP fordert damit den eigenen Koalitionspartner heraus, die katholische Sinn Fein. Die droht schon seit Wochen, sich aus der nordirischen Regionalregierung zurückzuziehen, eine Ankündigung, auf die Peter Robinson, der DUP- und Regierungschef, mit harschen Worten reagiert:

    "Die Institutionen zu bedrohen, ist destabilisierend. Der DUP zu drohen, ist einfach bescheuert", verkündet Robinson unter dem Beifall seiner Parteifreunde. Seit mehr als zwei Jahren hält das Bündnis der einstigen Todfeinde. Ihre gemeinsame Regierung ist auf der Grundlage des sogenannten Karfreitagsabkommens gebildet worden, das dem Bürgerkrieg mit seinen mehr als dreieinhalbtausend Todesopfern ein Ende gemacht hat. Sie haben sich zusammengerauft, die DUP, die für den Verbleib der Unruheprovinz im Vereinigten Königreich eintritt, und die Sinn Fein, die politische Vertretung der früheren Untergrundorganisation IRA, die für den Anschluss Nordirlands an die Republik Irland kämpft. Jetzt aber wollen sich die Katholiken nicht länger hinhalten lassen und drängen darauf, dass die derzeit noch von London ausgeübte Kontrolle über die Polizei und Justiz endlich wie vereinbart den Nordiren übertragen wird.

    "Wenn uns bis Weihnachten kein Zeitpunkt genannt wird für die Übergabe der Polizei- und Justizhoheit zu Beginn des neuen Jahres, kommen wir in eine unhaltbare Position", klagt der stellvertretende Regierungschef Martin McGuinness. Seine Sinn Fein steht unter Druck aus dem eigenen Lager, seit sie sich dazu durchgerungen hat, die lange als Besatzungsinstrument angesehene nordirische Polizei offiziell anzuerkennen. Die IRA hat inzwischen ihrem bewaffneten Kampf abgeschworen, doch Splittergruppen wie die, die sich "Real IRA" nennt, die "wirkliche IRA" , setzen noch immer auf Gewalt. Sie haben im Frühjahr zwei Soldaten und einen Polizisten ermordet. Erst vor drei Wochen ist ein Anschlag mit einer 200-Kilo-Bombe auf das Gebäude der Polizeiaufsicht in Belfast gescheitert.

    "Da geht es nicht nur darum, die Sicherheitskräfte anzugreifen. Das ist auch ein Angriff aus dem Lager der Republikaner heraus auf die Friedensstrategie der Sinn-Fein-Chefs Adams und McGuinness, denen diese Dissidenten Verrat vorwerfen", erklärt Brian Rowan, der für den "Belfast Telegraph" schreibt. Nach Informationen der "Sunday Times" planen die Terroristen einen spektakulären Anschlag in den nächsten Wochen.

    In dieser angespannten Lage ihrem Koalitionspartner entgegenzukommen, dazu ist die DUP aber nur bedingt bereit. So hat sie im Regionalparlament der Übernahme der Polizei- und Justizhoheit schon zugestimmt. Einen Zeitpunkt dafür festzusetzen, weigert sich Regierungschef Robinson aber immer noch, weil es dem Protestanten schwerfällt, die Sicherheitskräfte damit auch voll und ganz der Kontrolle ihrer ehemaligen Feinde, ehemaliger Terroristen, zu unterstellen.
    "Wir wollen, dass die Polizei- und Justizgewalt übertragen wird. Aber nur unter der Bedingung, dass die Bevölkerung dem auch Vertrauen entgegenbringt. Da tickt keine Uhr, da kann es kein Ultimatum geben. Wir werden das machen, wenn die Zeit reif ist und die Voraussetzungen stimmen."