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Der letzte der großen Publizisten

Der Journalist, Kommunikationswissenschaftler und Publizist Otto Roegele ist am Mittwoch 85-jährig in Bergisch Gladbach verstorben. Er sei "der letzte der großen Publizisten aus den Gründungsjahren der Bundesrepublik Deutschland" gewesen, sagt Wolfgang Bergsdorf, Rektor der Universität Erfurt und Nachfolger von Roegele als Herausgeber der Wochenzeitung Rheinischer Merkur.

Moderation: Michael Köhler |
    Michael Köhler: Mit Otto Roegele, dem Journalisten, Kommunikationswissenschaftler und Publizisten, ist im Alter von 85 Jahren am Mittwoch in Bergisch Gladbach ein deutscher Herausgeber gestorben, der so eine Art konservativ-katholischer Eugen Kogon war, also nicht links-katholisch, einer der wichtigen deutschen Herausgeber nach dem Krieg. Frage an Wolfgang Bergsdorf, Rektor der Universität Erfurt: Sie sind Herausgeber der Wochenzeitung Rheinischer Merkur, die Otto Roegele geleitet hat, dessen Herausgeber er bis zum Tod war. Seit wann war er denn dabei?

    Wolfgang Bergsdorf: Otto Roegele hat unmittelbar nach dem Kriegsende begonnen für den Rheinischen Merkur zu arbeiten. Und der Rheinische Merkur wurde damals von Franz Albert Kramer geleitet und ist 1946 wieder begründet worden. Und Kramer hat den damals jungen Otto B. Roegele, der als Arzt und Historiker doppelt promoviert war, davon überzeugen können, dass er als Publizist ungleich bessere Chancen haben würde, für seine Ideen in der Öffentlichkeit zu werben, denn als gelegentlich schriftstellender Arzt. Nach dem frühen Tod Kramers übernahm Roegele 1950 die Chefredaktion des Rheinischen Merkur und baute seine Zeitung zu jener qualifizierten Stimme in der Arena von Politik, Kultur und Wirtschaft aus, die von den Regierenden der Adenauer-Ära sehr sorgfältig beachtet wurde.

    Köhler: Sie haben damit einige wichtige Stichworte gesagt. Erstens: publizistische Tätigkeit in die Adenauer-Zeit hinein. Könnte man das eine katholisch, kritisch-freiheitliche Stimme nennen?

    Bergsdorf: Ja, ohne jede Frage. Man muss schon sagen, dass mit dem Tod von Otto Roegele der letzte der großen Publizisten aus den Gründungsjahren der Bundesrepublik Deutschland gestorben ist.

    Köhler: Er war Arzt, Publizist, Wissenschaftler, Sie haben es schon erwähnt, Doktor der Medizin und Philosophie, engagierte sich in der Jugendbewegung Bund Neudeutschland, übernahm dann 1963 nach dem Ende seiner Chefredakteurstätigkeit eine Professur für Zeitungswissenschaft in München und der junge Peter Glotz war sein Assistent!

    Bergsdorf: So ist es, ja. Das war eine sehr interessante Zeit für ihn. Er hat diese Professur ja nicht erlernen können, sondern Inhalt seiner Professur ist eben diese Herausgebertätigkeiten des Chefredakteurs Funktionen eingegangen. Und er war immer jemand, der zwischen der Theorie und der Praxis keine Differenz sah, der beides stemmte. Er hat in München sich um die Gründung des Instituts zur Förderung des publizistischen Nachwuchs gekümmert. Er hat 20 Jahre lang die Münchner Hochschule für Film und Fernsehen geleitet und gehört auch zu den Gründungsmitgliedern der deutschen Gesellschaft für Publizistik und Kommunikationswissenschaft in der alle Kommunikationswissenschaftler in Deutschland sich zusammengefunden haben.

    Köhler: Wie haben Sie ihn erlebt? Ich meine Sie waren ja selber Chef des Bundespresseamtes, sind Rektor der Uni, sind Kommunikationswissenschaftler. War er so ein knochiger, ungnädiger Typ oder ein entschiedener, liberaler, ein meinungsstarker, ein führender oder ein leiser?

    Bergsdorf: Er war ein leiser, aber um so klarerer und scharf analysierender Denker. Das können Sie auch an seinen Texten ablesen. Er hat immer die Genauigkeit der Analyse mit einer Sprache verbunden, die für jedermann verständlich war. Und das ist auch der Grund weswegen er diesen Rang erreicht hat.

    Köhler: Das ist ja für katholische Publizistik ungewöhnlich, wir tun uns ja ohnehin schon schwer, wenn wir dieses Adjektiv davor stellen, nicht?

    Bergsdorf: Das ist sicherlich richtig, aber Roegele war nun katholisch und hat von diesem Katholisch-Sein auch immer Gebrauch gemacht. Und er hat nun wirklich dafür gesorgt, dass vor allem der Rheinische Merkur an diesem Grundsatz einer christlich-konservativen Gesinnung festgehalten hat und sie zu einem Wertfundament ausgebaut, an dem man heute noch feststellen kann, dass es eben charakteristisch ist für den Rheinischen Merkur.

    Köhler: Er hat sich als Professor auch für Zeitungswissenschaft immer auch Gedanken um ethische Fragen von Journalismus gemacht. Wie sah das inhaltlich aus? Und wie fand das seinen Niederschlag in der Arbeit?

    Bergsdorf: Also, wenn Sie sich Roegeles Oeuvre anschauen, dann gibt es eine ganz klare gedankliche Linie darin und die besteht darin, dass die Journalisten ein hohes Maß an Verantwortung für die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit zu. Roegele hat die Neugier als anthropologische Grundkonstante immer bezeichnet, weil nur der Mensch zur Bewältigung seines Lebens auf die Signale der Veränderung angewiesen ist. Und in den modernen Mediengesellschaften sei die Verwaltung dieser Neugier der Menschen den Journalisten anvertraut, sie hätten sozusagen stellvertretend für die vielen einzelnen das Geschäft der Umwelterkundung zu besorgen. Und seiner Verantwortung wird der Journalist nach Roegele dann gerecht, indem er nach bestem Wissen und Können antwortet auf die Neugier-Frage des Publikums, was in der Welt vorgehe und wie man sich darauf einzustellen habe.

    Insofern erwies sich auch der Kommunikationswissenschaftler Roegele als ein scharfsinniger Anwalt des Publikums, das mit Journalisten einen Vertrag geschlossen und deshalb einen Anspruch darauf hat, wahrheitsgemäß unterrichtet zu werden.

    Köhler: Wolfgang Bergsdorf, Herausgeber der Wochenzeitung Rheinischer Merkur über den Tod von Otto Roegele, dem langjährigen Chefredakteur und Herausgeber des Wochenblattes, der im Alter von 85 Jahren gestorben ist.