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Der letzte Tag in Freiheit
Mit dem Ordnungsamt im Junggesellen-Mekka

In der Düsseldorfer Altstadt sieht’s in diesen Wochen aus wie im Karneval: Seltsam verkleidete Gruppen in Tigerkostümen, mit pinken Schärpen oder Bauhelmen mit integrierter Zapfanlage. Im Mai ist Junggesellenabschieds-Hochsaison. Unterwegs mit den Ordnungshütern bekommt man den Wahnsinn in Perfektion zu spüren.

Von Manfred Götzke | 23.05.2015
    Junggesellin Cora mit ihren Freundinnen, unterwegs auf der Domplatte /Copyrigth: Manfred Götzke
    Köln und Düsseldorf erfreuen sich großer Beliebtheit als Ort für Junggesellenabschiede. (deutschlandradio / Manfred Götzke)
    Freitagabend, kurz nach neun in der Düsseldorfer Altstadt. Ordnungsamtsmitarbeiter Georg Bohn und seine beiden Kolleginnen starten ihre Patroullie an der angeblich längsten Theke der Welt. Seit ein paar Wochen achten sie vor allem auf eins: Lautstärke.
    "Es ist so, dass sich die Kneipen hier manchmal gegenseitig hochschaukeln, die eine dreht die Musik rauf, das zieht die Leute an, und dann zieht der Nachbarladen nach, der will ja auch Publikum haben."
    Und das hat vor allem mit der Kernklientel an der weltweit längsten Theke zu tun. Von Mai bis Juli ist die Altstadt fast komplett in der Hand von Junggesellengruppen. Auch an diesem Abend schieben sie sich durch die engen Gassen, inklusive Schnapsverkauf, Hasenkostüm, und improvisiertem Torwandschießen. Für Ur-Düsseldorfer ist das Viertel um die Bolkerstraße so zu einer Art No-Go-Area geworden. Auch Georg Bohn kommt ausschließlich dienstlich hier her.
    "Privat feiere ich nicht in der Altstadt, wenn man nach ein Uhr hierher kommt, ist das eine Stimmung, bei der der Alkoholpegel bei einigen doch erschöpft ist. Das ist für mich nicht mehr stimmungsvoll."
    "Wie läuft denn die Kontrolle gleich ab?"
    "Wir gehen dann direkt auf den Verantwortlichen zu, sprechen ihn an, bitten ihn, zur Straße zu kommen, und in vielen Fällen sagt der dann: Oh, ist zu laut, das mach ich mal leiser."
    Bohn bleibt vor der "Bolke 9" stehen, eine klassische Absturzkneipe. Während er den Türsteher freundlich aber verbindlich auffordert, die Musik leiser zu stellen, schiebe ich mich durch den engen, schlauchförmigen Gastraum. Der ist überraschenderweise junggesellenfrei. Ob das mit der Wirtin zu tun haben könnte.
    "Ich finde es gibt schlimmeres. Ich finde Bettler sind schlimmer. Ich finde, Taschendiebe schlimmer, ich finde Rocker schlimmer und Hooligans. Finde ich alles schlimmer als Junggesellenabschiede."
    Die Ordnungshüter haben die Sache mit der Lautstärke mittlerweile geregelt. Weiter geht's zum nächsten Laden, eine Mischung aus Steakhaus und Cocktailbar. Hier sind Junggesellenabschiede sehr willkommen. Eine nicht mehr ganz nüchterne Frauengruppe Mitte dreißig in pinken T-Shirts sitzt bei Altbier und Sekt zusammen. Die Braut in spe leicht zu erkennen: Schwarzes Top mit pinkem Braut-Schriftzug, Krönchen auf dem Kopf.
    Braut: "Ich hätt' um 17 Uhr Feierabend, gucken se auf den Tacho. Ich muss in Düsseldorf Geld verdienen, um meine Firma einladen zu können."
    Freundin:"Ist ne Bitch, ist ne bitch."
    Braut: "Ich wurde in einen Hinterhalt gelockt. Ich musste Karaoke durchleben."
    Freundin: "Die Carla hat gesungen, unsere beste Sängerin.
    Braut: "Ne, überhaupt nicht, richtig miese Action, Ohrenkrebs und alles. Und dann musste ich fremde Menschen ansprechen, um Geld zu verdienen. Damit wir alle essen können. Ich komme aus Mönchengladbach, da gibt's sowas nicht - und jetzt musste ich mich in ganz Düsseldorf blamieren."
    Alles noch absolut im Rahmen, meint der Kellner Dennis Köcsal. Junggesellengruppen gehörten zur Altstadt wie das Altbier:
    "Die bringen Geld in die Stadt, Stimmung in die Stadt. Das ist ein Teil von Düsseldorf."
    "Haben sie schon mal unangenehme Erlebnisse gehabt?"
    "Nie, wirklich nie."
    Köcsals Kollege kommt zu uns an die Bierbänke vor seiner Bar. Er sieht das mit den Junggesellengruppen ein bisschen anders:
    "Die sind manchmal inhuman. Weil die meist aus dem Ländlichen kommen, dann haben die nur eine Kneipe da und dann kommen die hier in die große weite Welt, haben zigtausend Kneipen hier und dann wird dementsprechend auch getankt."
    "Wann sagen sie einer Gruppe, ihr habt zu viel, hier bitte nicht mehr?"
    "Wenn die wirklich am Schwanken sind und man befürchten muss, dass die in den Laden brechen, dann lieber nicht."
    Jetzt, um halb elf, schlagen die Junggesellen noch nicht über die Stränge. Die Ordnungshüter holen nur einen Betrunkenen aus der Kneipe, an die frische Luft. Der hat das Junggesellenalter allerdings längst überschritten.
    Noch vier Stunden, bis halb zwei ziehen Georg Bohn und seine beiden Kolleginnen ihre Runden durch die Altstadt. Wie fast jedes Wochenende in der Junggesellen-Hochsaison:
    "Ich habe nur einmal eine Sache erlebt, wo also sich von einer siebenköpfigen Junggesellengruppe vier Mann an eine Mauer gestellt haben und dann wild uriniert haben."
    "Das geht ja fast noch!"
    "Trotzdem, also da ist dann auch ein Verwarnungsgeld fällig und vielleicht ist es ihnen ja eine Lehre gewesen."