Kurz nach der Wende kamen viele kulturpolitische Dokumente der DDR erstmals an die Öffentlichkeit. In Dokumentationen und Büchern wurden seitdem die Mechanismen eines Staates verdeutlicht, der mit seiner führenden Partei meinte, seinen Künstlern und Bürgern auch vorschreiben zu müssen, welche Kunst politisch richtig und ästhetisch verständlich war. Das alles ist aufgearbeitet, und zum Kampf um die Uraufführung von Brechts "Das Verhör des Lukullus" in der Vertonung von Paul Dessau im März 1951 an der Deutschen Staatsoper gibt es sogar eine ausführliche Dissertation.
Wenn jetzt das Berliner Ensemble mit einer Collage aus Originaldokumenten die Vorgänge um Brecht/Dessaus Lukullus auf seine Probebühne bringt, dann sollte man erwarten, dass diese Inszenierung neue Gedanken, mindestens aber einen künstlerischen Mehrwert erbringt. Letzte Spielzeit hat dies das Deutsche Theater mit "Die Sorgen und die Macht" von Peter Hacks durchaus diskussionswürdig vorgemacht, indem es sich neue Gedanken zum historischen Ereignis machte und diese Gedanken bis in unsere Gegenwart schweifen ließ.
Doch was wir am Berliner Ensemble erleben, ist ein biederes, historisierendes Nacherzähltheater. Mit einer Parteinahme für Brecht und Co., die in der Collage aus Originaldokumenten durch den schon zu Lebzeiten der DDR eifrig über Brecht forschenden und publizierenden Werner Hecht heute so kopfnickerisch ausrechenbar wie wohlfeil wirkt. Widersprüche gibt es, anders als in Kampf um die Uraufführung des Lukullus vor 60 Jahren, in dieser anderthalbstündigen Lehrstunde, mit und ohne h, nicht. Die Guten sind die klugen und großen Künstler, Politiker und opportunistische Künstler sind dagegen böse und dumm. Damit das auch jeder versteht, veralbert Regisseur Manfred Karge die einen zu dummen Augusten und gibt den anderen schon allein deshalb recht, weil sie große Künstler seien. Die Collage zeigt, sicherlich historisch richtig, Kulturfunktionäre, die sich bei ihrem kulturpolitischen Kampf gegen die Uraufführung nicht durch Kenntnisse oder Klugheit auszeichneten. Zugleich aber führt sie betroffene Künstler vor, die nichts Inhaltliches über ihre Kunst sagen, sondern stets, wie vor allem Brecht, taktisch argumentieren, oder, wie Staatsopern-Intendant Ernst Legal, Dirigent Hermann Scherchen und der Schriftsteller Arnold Zweig, nur das hohe Lied der unbezweifelbaren Großkünstler singen.
Erst einmal aber singt die FDJ ihr Lied "Bau auf, bau auf", und ein roter Samtvorhang rafft sich vor einem Foto, das das Brandenburger Tor nach Kriegsende inmitten eines Trümmerfelds zeigt. Ein Schauspieler setzt sich an einen Arbeitstisch vor das Publikum, zitiert aus Akten und ruft mit einem Gongschlag nacheinander kulturpolitische Akteure von einst auf. Die nun werden von Schauspielern "verkörpert". Und das ist schrecklich, weil jede Figur nicht nur mit ihrer Diktion, sondern schon mit ihrer jeweiligen Körperhaltung denunziert oder veralbert wird. Wir wohnen einer Kabarett- oder Kaspertheatervorstellung bei. Nicht nur die FDJ-Funktionäre und der für die Staatsoper zuständige Volksbildungsminister sind Klischees, sondern auch die "Guten". Wie Arnold Zweig als dumpf-brav redlich gezeigt wird, tut fast körperlich weh. Dabei könnte der Kampf um die Lukullus-Uraufführung, die auf den 17.3.1951 festgesetzt war, ein Beispiel für die gegenseitige Bedingtheit und Widersprüchlichkeit von Kunst und Politik sein.
Er begann mit einer Kritik an der Staatsoper in einem Artikel in der Täglichen Rundschau, der Zeitschrift der Sowjetischen Militäradministration, die von der SED ängstlich aufgenommen wurde. Natürlich ist die Geschichte vom verstorbenen Feldherrn Lukullus, der vor dem Aufnahmetribunal ins Totenreich durchfällt, eine Parabel gegen den Krieg. Doch der unsicheren Partei ging es um von den Sowjets angemahntes Grundsätzliches. Nachdem eine Dresdner Inszenierung von Carl Orffs "Antigone" einem Formalismus-Verdikt zum Opfer gefallen war, und Dessaus Lukullus-Musik mit ihrem reduzierten Streicherapparat und großem Schlagwerk der Orffschen zu ähneln schien, wurde mit den Totschlagargumenten Formalismus und Kosmopolitismus hantiert. Was gefordert wurde, waren Parteilichkeit und Volksverbundenheit. Sicher, Dessaus Musik ist "schwierig", und dass Brechts Text vor allem didaktisch sei, wird nicht falsch dadurch, dass ihm das in einer der Diskussionen mit Funktionären vor der Uraufführung vorgeworfen wurde. Doch warum die zur Voraufführung umdeklarierte und zu "Die Verurteilung des Lukullus" umbenannte erste Vorstellung am 17. März 1951 als halbstündig umjubelter Erfolg endete, während das Werk auch heute nicht gerade die Opernhitparaden stürmt, wären Fragen, die eine Collage wie die am BE auch stellen müsste. Die aber spielte lieber einen gegen staatliche Anweisung nicht vernichteten Mitschnitt der historischen Aufführung ein, und verstieg sich zur abschließenden Stasigeschichte, das BE sei ein Danaergeschenk für Brecht, an dem sein Scheitern deutlich werden sollte. Das aber wäre, genau recherchiert und analysiert, ein ganz anderes, spannendes Thema.
Wenn jetzt das Berliner Ensemble mit einer Collage aus Originaldokumenten die Vorgänge um Brecht/Dessaus Lukullus auf seine Probebühne bringt, dann sollte man erwarten, dass diese Inszenierung neue Gedanken, mindestens aber einen künstlerischen Mehrwert erbringt. Letzte Spielzeit hat dies das Deutsche Theater mit "Die Sorgen und die Macht" von Peter Hacks durchaus diskussionswürdig vorgemacht, indem es sich neue Gedanken zum historischen Ereignis machte und diese Gedanken bis in unsere Gegenwart schweifen ließ.
Doch was wir am Berliner Ensemble erleben, ist ein biederes, historisierendes Nacherzähltheater. Mit einer Parteinahme für Brecht und Co., die in der Collage aus Originaldokumenten durch den schon zu Lebzeiten der DDR eifrig über Brecht forschenden und publizierenden Werner Hecht heute so kopfnickerisch ausrechenbar wie wohlfeil wirkt. Widersprüche gibt es, anders als in Kampf um die Uraufführung des Lukullus vor 60 Jahren, in dieser anderthalbstündigen Lehrstunde, mit und ohne h, nicht. Die Guten sind die klugen und großen Künstler, Politiker und opportunistische Künstler sind dagegen böse und dumm. Damit das auch jeder versteht, veralbert Regisseur Manfred Karge die einen zu dummen Augusten und gibt den anderen schon allein deshalb recht, weil sie große Künstler seien. Die Collage zeigt, sicherlich historisch richtig, Kulturfunktionäre, die sich bei ihrem kulturpolitischen Kampf gegen die Uraufführung nicht durch Kenntnisse oder Klugheit auszeichneten. Zugleich aber führt sie betroffene Künstler vor, die nichts Inhaltliches über ihre Kunst sagen, sondern stets, wie vor allem Brecht, taktisch argumentieren, oder, wie Staatsopern-Intendant Ernst Legal, Dirigent Hermann Scherchen und der Schriftsteller Arnold Zweig, nur das hohe Lied der unbezweifelbaren Großkünstler singen.
Erst einmal aber singt die FDJ ihr Lied "Bau auf, bau auf", und ein roter Samtvorhang rafft sich vor einem Foto, das das Brandenburger Tor nach Kriegsende inmitten eines Trümmerfelds zeigt. Ein Schauspieler setzt sich an einen Arbeitstisch vor das Publikum, zitiert aus Akten und ruft mit einem Gongschlag nacheinander kulturpolitische Akteure von einst auf. Die nun werden von Schauspielern "verkörpert". Und das ist schrecklich, weil jede Figur nicht nur mit ihrer Diktion, sondern schon mit ihrer jeweiligen Körperhaltung denunziert oder veralbert wird. Wir wohnen einer Kabarett- oder Kaspertheatervorstellung bei. Nicht nur die FDJ-Funktionäre und der für die Staatsoper zuständige Volksbildungsminister sind Klischees, sondern auch die "Guten". Wie Arnold Zweig als dumpf-brav redlich gezeigt wird, tut fast körperlich weh. Dabei könnte der Kampf um die Lukullus-Uraufführung, die auf den 17.3.1951 festgesetzt war, ein Beispiel für die gegenseitige Bedingtheit und Widersprüchlichkeit von Kunst und Politik sein.
Er begann mit einer Kritik an der Staatsoper in einem Artikel in der Täglichen Rundschau, der Zeitschrift der Sowjetischen Militäradministration, die von der SED ängstlich aufgenommen wurde. Natürlich ist die Geschichte vom verstorbenen Feldherrn Lukullus, der vor dem Aufnahmetribunal ins Totenreich durchfällt, eine Parabel gegen den Krieg. Doch der unsicheren Partei ging es um von den Sowjets angemahntes Grundsätzliches. Nachdem eine Dresdner Inszenierung von Carl Orffs "Antigone" einem Formalismus-Verdikt zum Opfer gefallen war, und Dessaus Lukullus-Musik mit ihrem reduzierten Streicherapparat und großem Schlagwerk der Orffschen zu ähneln schien, wurde mit den Totschlagargumenten Formalismus und Kosmopolitismus hantiert. Was gefordert wurde, waren Parteilichkeit und Volksverbundenheit. Sicher, Dessaus Musik ist "schwierig", und dass Brechts Text vor allem didaktisch sei, wird nicht falsch dadurch, dass ihm das in einer der Diskussionen mit Funktionären vor der Uraufführung vorgeworfen wurde. Doch warum die zur Voraufführung umdeklarierte und zu "Die Verurteilung des Lukullus" umbenannte erste Vorstellung am 17. März 1951 als halbstündig umjubelter Erfolg endete, während das Werk auch heute nicht gerade die Opernhitparaden stürmt, wären Fragen, die eine Collage wie die am BE auch stellen müsste. Die aber spielte lieber einen gegen staatliche Anweisung nicht vernichteten Mitschnitt der historischen Aufführung ein, und verstieg sich zur abschließenden Stasigeschichte, das BE sei ein Danaergeschenk für Brecht, an dem sein Scheitern deutlich werden sollte. Das aber wäre, genau recherchiert und analysiert, ein ganz anderes, spannendes Thema.