Wer das Schwarzwald-Dörfchen Hundsbach erreichen will, muss sich eine enge, kurvenreiche Serpentine hinaufquälen. Nur ein paar Häuser stehen an einer längeren Gerade nebeneinander. Der Duft frisch gefällter Bäume macht sich breit. Der Mann, der die aus der Türe eines typischen Schwarzwald-Häuschens heraustritt, könnte mit der korrekten Krawatte und dem freundlichen Lächeln glatt als Dorfschullehrer, Ortsvorsteher oder Pastor durchgehen. Dabei betreibt Manfred Gotta, Ende 50, ein knochenhartes Business:
"Also ich sage das einfach, wie die Leute mich nennen: Das ist ein Namensentwickler. Das kapiert dann auch jeder. Früher habe ich mich immer geärgert. Die Leute haben das immer mit Daniel Düsentrieb in Verbindung gebracht, so nach dem Motto: Der läuft durch den Park, hat eine tolle Idee, schreibt dann die Rechnung. Aber heute hat man sich mit solchen Ideen auseinandergesetzt und angefreundet. Also: Namensentwickler."
Sein kleines Büro entwirft griffige Namen für Unternehmen und Produkte - Namen, die sich jeder merken kann und sich jeder bereits gemerkt hat: Autos benannte Gotta mit Twingo, Smart und Vectra; Biermarken tragen ebenso Namen aus seiner Ideenschmiede wie Firmen und Biersorten. Dabei war's ausgerechnet der Appetit von Katzen, der Gotta Mitte der 80er Jahre auf diese Geschäftsidee brachte: Gotta arbeitete damals in einer Werbeagentur und sollte eine Werbekampagne für Katzenfutter auf den Weg bringen:
"Da war dann die Frage nach dem Namen. Da dachte mir, dass dürfte kein Problem sein und habe das 'Katzenschmaus' genannt. Das Produkt wurde eingeführt. Das Produkt wurde erfolgreich. Und dann gab's Hiebe aus zwei Gründen. Der eine Grund war, dass Franzosen und Italiener beim Aussprechen von 'Katzenschmaus', na ja, ich will nicht sagen: Erstickungsnöte hatten. Aber es war unheimlich schwer für sie, das auszusprechen. Ich konnte das nachvollziehen und habe mich auch unheimlich darüber geärgert. Der zweite Aspekt war: Solche Namen kann man nicht schützen. Das war beschreibend, und das hätte dann jeder Mitbewerber auch nutzen können. Deshalb war der Name doch nicht so gut, wie ich gedacht habe."
Und doch hatte "Katzenschmaus" etwas Gutes: Manfred Gotta begann, sich systematisch über optimale Produktnamen Gedanken zu machen - und stieß dabei auf eine Marktlücke: Gotta ersann sich gut klingende Kunstnamen ohne selbständige Bedeutung. Der Vorteil: Wird ein Produkt mit einem solchen Kunstnamen auf dem Markt eingeführt, dann denkt jedermann nur an dieses Produkt, wenn der den Namen hört - und das auch noch über Ländergrenzen hinweg.
"In diesem Moment lernen wir unter einem Begriff dasselbe. Und wenn Sie jetzt im Flughafen in Moskau stehen, und da steht eine Gruppe von Russen, und Sie sind mit einem Kollegen dort, und dann geht es: Rotschwi-Wotschi, Twingo! Und dann sagen Sie sich automatisch: Schau mal - die kennen das Auto auch. Also mit anderen Worten. Kunstnamen oder artifizielle Namen sind Wirtschafts-Kishualei. Das Ziel ist, in unterschiedlichsten Kulturen in aller Welt ein Produkt mit einem bestimmten Namen zu benennen, und dass dieser Name von allen verstanden wird."
Opel war Gottas erster großer Kunde, damals, Mitte der 80er Jahre. Für den Rüsselsheimer Autokonzern schuf Gotta den Kunstnamen Vectra - und eine ganze Reihe weiterer Modellnamen, die stets auf dem Vokal "a" enden. Das steht für eine große Markenfamilie. Mit einem Schlag war Gotta bekannt. Seitdem geben sich die Marketingchefs großer Konzerne bei ihm, dem Ein-Mann-Unternehmen im abgeschiedenen Schwarzwalddörfchen Hundsbach, die Klinke in die Hand. Dabei ist das Entwickeln eines Namens mit Pfiff ein langwieriger Arbeitsprozess, der sich über Wochen, gar Monate hinzieht. Am Anfang steht das - zunächst - namenlose Produkt, das erst einmal beschnuppert werden will.
"Ich nenne einmal ein Auto, weil es am einfachsten ist. Ich lass mich dann einschließen, lege mich unter das Auto, riech an dem Auto und mach' Gott weiß was, um einfach einen emotionalen und einen entsprechenden Eindruck bekommen. Und dann haben Sie die Gewissheit: Sie können das Auto benennen."
Was dann kommt, ist die Knochenarbeit eines professionellen Namensgebers: Umfangreiche Gespräche mit dem Kunden - welche Emotionen sollen mit dem Produkt verknüpft werden? Danach konsultiert Gotta mehrere Dutzend freie Mitarbeiter - Künstler, Journalisten, Schriftsteller, die Namensvorschläge einbringen. Gotta sammelt parallel seine eigenen Einfälle. Ideen werden aufgegriffen, wieder verworfen.
"Was für uns besonders wichtig ist, sind Gruppendiskussionen. Das heißt: Wir holen so sechs bis sieben Menschen in den Raum und stellen das Produkt und die möglichen Namen vor. Und dann haben wir im Prinzip so einen Minimarkt, wo wir feststellen: Manche Namen werden besonders präferiert. Andere Namen werden besonders abgelehnt. Manche sagen: Was für ein beknackter Name. Andere sagen: Ich finde den ganz pfiffig. Und in der Diskussion entwickelt sich dann so allmählich eine Akzeptanz des Namens, so dass die Leute zu mir kommen und sagen: Das war neu für mich - so einen Namen kannte ich noch gar nicht."
Doch selbst jetzt ist aus dem Namensvorschlag noch kein Name geworden: Patentrechtsanwälte müssen prüfen, ob der Vorschlag nicht schon anderswo geschützt ist. Und auch Sprachwissenschaftler treten in Gottas Auftrag in Aktion:
"Wir haben in jedem Land, was wichtig ist, Leute, die entweder Linguisten sind oder sich mit Sprache beschäftigen, um herauszufinden: Ist der Name wirklich kein Problem? Man muss dann stoppen, wenn der Name unaussprechbar ist. Beispiel: Wenn Sie in Katalonien einen Citroen Sara haben, dann sprechen die das 'S' mit 'Sch' aus - dann besteht Erstickungsgefahr. Das sind handwerkliche Dinge, die man herausfinden kann, die man dann auch vermeidet."
Ebenso müssen die Sprachwissenschaftler abtesten, ob ein neues Wort in einer fremden Sprache möglicherweise doch eine Bedeutung hat, möglicherweise mit negativem Beigeschmack. Beispiel: Der Mitsubishi Pajero musste in Spanien ganz schnell in "Mondero" umbenannt werden; die Originalbezeichnung hatte, was viel zu spät herauskam, eine höchst unanständige Bedeutung im Spanischen. Manfred Gotta kann über dieses Beispiel schmunzeln. Der Fehler war seinerzeit einem Mitbewerber unterlaufen, von denen es eine ganze Reihe gibt.
"Der Markt, ist insofern umkämpft, weil jeder natürlich glaubt, Namen machen zu können. Jeder glaubt, das ist ja so einfach. Die Werbeagenturen schalten sich natürlich ein. Aber ich habe die Erfahrung gemacht: In der Art, wie ich Namen mache, ist der Zulauf doch relativ gut. Die Wettbewerbssituation ist so, dass es mittlerweile sechs bis acht weitere Firmen gibt, die sich auch mit Namensgebung schwerpunktmäßig beschäftigen, die dann aber auch Logo-Gestaltung und Verpackungsgestaltung mit anbieten. Das mache ich halt nicht. Ich mache ausschließlich Namen."
Kleider machen Leute - und Namen Produkte: Weil der Smart eben Smart heißt, kann sich jeder etwas drunter vorstellen. Und das ist für erfolgreiches Marketing unerlässlich. Kein Wunder also, dass gute Namen ihren Preis haben:
"Das kostet eine Stange: Lassen wir mal die ganzen Eintragungsgebühren weg, weil das ja auch von den Ländern abhängt oder von der Anzahl der Warenklassen, die Sie prüfen: Also zwischen 90.000 und 150.000 Euro - aber ich glaube, das lohnt sich, wenn Sie neue Namen setzen. Denn letztendlich sind neue Produkte die Kinder des Unternehmens. Und wenn Sie den Kindern ordentliche Namen geben, Namen, die anders sind als andere Namen, dann, glaube ich, haben Sie die Chance, diese Namen zu neuen Werten zu machen. Und je besser ein Name und ein Produkt etabliert ist und je einzigartiger so ein Name etabliert ist, desto begehrenswerter ist er und desto teurer ist er, wenn ihn eine andere Firma kaufen will."
"Also ich sage das einfach, wie die Leute mich nennen: Das ist ein Namensentwickler. Das kapiert dann auch jeder. Früher habe ich mich immer geärgert. Die Leute haben das immer mit Daniel Düsentrieb in Verbindung gebracht, so nach dem Motto: Der läuft durch den Park, hat eine tolle Idee, schreibt dann die Rechnung. Aber heute hat man sich mit solchen Ideen auseinandergesetzt und angefreundet. Also: Namensentwickler."
Sein kleines Büro entwirft griffige Namen für Unternehmen und Produkte - Namen, die sich jeder merken kann und sich jeder bereits gemerkt hat: Autos benannte Gotta mit Twingo, Smart und Vectra; Biermarken tragen ebenso Namen aus seiner Ideenschmiede wie Firmen und Biersorten. Dabei war's ausgerechnet der Appetit von Katzen, der Gotta Mitte der 80er Jahre auf diese Geschäftsidee brachte: Gotta arbeitete damals in einer Werbeagentur und sollte eine Werbekampagne für Katzenfutter auf den Weg bringen:
"Da war dann die Frage nach dem Namen. Da dachte mir, dass dürfte kein Problem sein und habe das 'Katzenschmaus' genannt. Das Produkt wurde eingeführt. Das Produkt wurde erfolgreich. Und dann gab's Hiebe aus zwei Gründen. Der eine Grund war, dass Franzosen und Italiener beim Aussprechen von 'Katzenschmaus', na ja, ich will nicht sagen: Erstickungsnöte hatten. Aber es war unheimlich schwer für sie, das auszusprechen. Ich konnte das nachvollziehen und habe mich auch unheimlich darüber geärgert. Der zweite Aspekt war: Solche Namen kann man nicht schützen. Das war beschreibend, und das hätte dann jeder Mitbewerber auch nutzen können. Deshalb war der Name doch nicht so gut, wie ich gedacht habe."
Und doch hatte "Katzenschmaus" etwas Gutes: Manfred Gotta begann, sich systematisch über optimale Produktnamen Gedanken zu machen - und stieß dabei auf eine Marktlücke: Gotta ersann sich gut klingende Kunstnamen ohne selbständige Bedeutung. Der Vorteil: Wird ein Produkt mit einem solchen Kunstnamen auf dem Markt eingeführt, dann denkt jedermann nur an dieses Produkt, wenn der den Namen hört - und das auch noch über Ländergrenzen hinweg.
"In diesem Moment lernen wir unter einem Begriff dasselbe. Und wenn Sie jetzt im Flughafen in Moskau stehen, und da steht eine Gruppe von Russen, und Sie sind mit einem Kollegen dort, und dann geht es: Rotschwi-Wotschi, Twingo! Und dann sagen Sie sich automatisch: Schau mal - die kennen das Auto auch. Also mit anderen Worten. Kunstnamen oder artifizielle Namen sind Wirtschafts-Kishualei. Das Ziel ist, in unterschiedlichsten Kulturen in aller Welt ein Produkt mit einem bestimmten Namen zu benennen, und dass dieser Name von allen verstanden wird."
Opel war Gottas erster großer Kunde, damals, Mitte der 80er Jahre. Für den Rüsselsheimer Autokonzern schuf Gotta den Kunstnamen Vectra - und eine ganze Reihe weiterer Modellnamen, die stets auf dem Vokal "a" enden. Das steht für eine große Markenfamilie. Mit einem Schlag war Gotta bekannt. Seitdem geben sich die Marketingchefs großer Konzerne bei ihm, dem Ein-Mann-Unternehmen im abgeschiedenen Schwarzwalddörfchen Hundsbach, die Klinke in die Hand. Dabei ist das Entwickeln eines Namens mit Pfiff ein langwieriger Arbeitsprozess, der sich über Wochen, gar Monate hinzieht. Am Anfang steht das - zunächst - namenlose Produkt, das erst einmal beschnuppert werden will.
"Ich nenne einmal ein Auto, weil es am einfachsten ist. Ich lass mich dann einschließen, lege mich unter das Auto, riech an dem Auto und mach' Gott weiß was, um einfach einen emotionalen und einen entsprechenden Eindruck bekommen. Und dann haben Sie die Gewissheit: Sie können das Auto benennen."
Was dann kommt, ist die Knochenarbeit eines professionellen Namensgebers: Umfangreiche Gespräche mit dem Kunden - welche Emotionen sollen mit dem Produkt verknüpft werden? Danach konsultiert Gotta mehrere Dutzend freie Mitarbeiter - Künstler, Journalisten, Schriftsteller, die Namensvorschläge einbringen. Gotta sammelt parallel seine eigenen Einfälle. Ideen werden aufgegriffen, wieder verworfen.
"Was für uns besonders wichtig ist, sind Gruppendiskussionen. Das heißt: Wir holen so sechs bis sieben Menschen in den Raum und stellen das Produkt und die möglichen Namen vor. Und dann haben wir im Prinzip so einen Minimarkt, wo wir feststellen: Manche Namen werden besonders präferiert. Andere Namen werden besonders abgelehnt. Manche sagen: Was für ein beknackter Name. Andere sagen: Ich finde den ganz pfiffig. Und in der Diskussion entwickelt sich dann so allmählich eine Akzeptanz des Namens, so dass die Leute zu mir kommen und sagen: Das war neu für mich - so einen Namen kannte ich noch gar nicht."
Doch selbst jetzt ist aus dem Namensvorschlag noch kein Name geworden: Patentrechtsanwälte müssen prüfen, ob der Vorschlag nicht schon anderswo geschützt ist. Und auch Sprachwissenschaftler treten in Gottas Auftrag in Aktion:
"Wir haben in jedem Land, was wichtig ist, Leute, die entweder Linguisten sind oder sich mit Sprache beschäftigen, um herauszufinden: Ist der Name wirklich kein Problem? Man muss dann stoppen, wenn der Name unaussprechbar ist. Beispiel: Wenn Sie in Katalonien einen Citroen Sara haben, dann sprechen die das 'S' mit 'Sch' aus - dann besteht Erstickungsgefahr. Das sind handwerkliche Dinge, die man herausfinden kann, die man dann auch vermeidet."
Ebenso müssen die Sprachwissenschaftler abtesten, ob ein neues Wort in einer fremden Sprache möglicherweise doch eine Bedeutung hat, möglicherweise mit negativem Beigeschmack. Beispiel: Der Mitsubishi Pajero musste in Spanien ganz schnell in "Mondero" umbenannt werden; die Originalbezeichnung hatte, was viel zu spät herauskam, eine höchst unanständige Bedeutung im Spanischen. Manfred Gotta kann über dieses Beispiel schmunzeln. Der Fehler war seinerzeit einem Mitbewerber unterlaufen, von denen es eine ganze Reihe gibt.
"Der Markt, ist insofern umkämpft, weil jeder natürlich glaubt, Namen machen zu können. Jeder glaubt, das ist ja so einfach. Die Werbeagenturen schalten sich natürlich ein. Aber ich habe die Erfahrung gemacht: In der Art, wie ich Namen mache, ist der Zulauf doch relativ gut. Die Wettbewerbssituation ist so, dass es mittlerweile sechs bis acht weitere Firmen gibt, die sich auch mit Namensgebung schwerpunktmäßig beschäftigen, die dann aber auch Logo-Gestaltung und Verpackungsgestaltung mit anbieten. Das mache ich halt nicht. Ich mache ausschließlich Namen."
Kleider machen Leute - und Namen Produkte: Weil der Smart eben Smart heißt, kann sich jeder etwas drunter vorstellen. Und das ist für erfolgreiches Marketing unerlässlich. Kein Wunder also, dass gute Namen ihren Preis haben:
"Das kostet eine Stange: Lassen wir mal die ganzen Eintragungsgebühren weg, weil das ja auch von den Ländern abhängt oder von der Anzahl der Warenklassen, die Sie prüfen: Also zwischen 90.000 und 150.000 Euro - aber ich glaube, das lohnt sich, wenn Sie neue Namen setzen. Denn letztendlich sind neue Produkte die Kinder des Unternehmens. Und wenn Sie den Kindern ordentliche Namen geben, Namen, die anders sind als andere Namen, dann, glaube ich, haben Sie die Chance, diese Namen zu neuen Werten zu machen. Und je besser ein Name und ein Produkt etabliert ist und je einzigartiger so ein Name etabliert ist, desto begehrenswerter ist er und desto teurer ist er, wenn ihn eine andere Firma kaufen will."