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Der Mann, der Boxweltmeister macht

Auch wenn er demnächst 63 Jahre alt wird, denkt Fritz Sdunek nicht ans Aufhören. Der Boxtrainer hat Athleten wie Dariusz Michalczewski oder auch die Klitschko-Brüder groß herausgebracht. In seiner 35-jährigen Laufbahn wurde er zu einem der erfolgreichsten Boxtrainer der Welt.

Von Heiko Oldörp | 09.01.2010
    Als Boxer, da macht Fritz Sdunek keinen Hehl draus, sei er eine Pfeife gewesen. 129 Kämpfe hat er in der ememaligen DDR bestritten, 99 davon gewonnen – zum 100. Sieg habe es irgendwie nicht mehr gereicht – trotz mehrerer Versuche, wie Sdunek betont. Der Titel des DDR-Studentenmeisters war, wenn man so will, sein größter Erfolg.

    Als Trainer hingegen gehört der immer gut gelaunte Mann aus Lüssow in Vorpommern zu den Erfolgreichsten der Welt. 1988 wurde sein Schweriner Schützling Andreas Zülow in Seoul Olympiasieger und seitdem Sdunek 1994 beim Hamburger Boxstall Universum arbeitet, hat er dort zwölf Athleten zu Profiweltmeistern geformt – unter anderem Dariusz Michalczewski, Mario Veit, Zsolt Erdei oder auch Witali und Wladimir Klitschko.

    "Die sind alle nett und ich komme mit allen Jungs gut aus – da will ich keinen besonders herausheben. Dass mit Vitali natürlich eine ganz andere Beziehung ist, als mit anderen, wenn man schon so lange zusammenarbeitet, das ist klar."

    Denn Vitali Klitschko ist quasi Sduneks Spezi – 41 Profikämpfe hat der ukrainische Schwergewichts-Weltmeister nach WBC-Version seit 1996 bestritten, jedes Mal stand Sdunek in seiner Ringecke.

    Klitschko: "In Deutschland ist Fritz für mich mein Vater. Zuerst hat er mir Deutsch beigebracht und auch im Boxen habe ich sehr viel gelernt von ihm. Er begleitet mich schon seit fast 15 Jahren. Er ist mein großer Freund und ich sage auch ehrlich, wenn ich an Fritz denke, dann habe ich ein Lächeln in meinem Gesicht, weil ich mich freue. Er ist eine sehr positive Person."

    Und jemand, mit dem Klitschko in der Vorbereitung auf seine Kämpfe sogar zusammenwohnt.

    "Immer im Trainingslager oder wenn wir unterwegs sind, schlafen wir im selben Gebäude, nicht im selben Bett. Wir sind eine Familie."

    Und in familiärer Atmosphäre fühlt sich "der alte Fritz", wie Sdunek schon mal liebevoll genannt wird, ohnehin am wohlsten. So wars schon zu DDR-Zeiten in der damaligen Boxhochburg Schwerin, wo er nach seinem Sportstudium an der Deutschen Hochschule für Körperkultur in Leipzig Mitte der Siebziger Jahre den Trainerposten übernahm.

    "Ich denke, wir haben in Schwerin eine tolle Ausbildung gehabt, in der DHfK in Leipzig und das bringt uns nach vorne. Wir können methodisch, sportmethodisch gut rangehen. Hinzu kommt natürlich die Erfahrung in den Jahren, da hat man etliche Weltmeister gemacht."
    Bei insgesamt 108 Weltmeisterschaftskämpfen stand Fritz Sdunek in der Ecke, bei jedem hat er mit seinen Boxern mitgefiebert, sich mitgefreut oder auch mitgelitten. Ein Kampf ist ihm besonders in Erinnerung geblieben – der Titelfight am 21. Juni 2003 im Staples Center von Los Angeles zwischen Herausforderer Vitali Klitschko und dem damaligen WBC-Weltmeister Lennox Lewis.

    "Das war für mich der dramatischste Kampf bisher. Weil er vorn lang und dennoch verloren hat? Genau so ist es. Und dann durch so eine Entscheidung. Wo das Blut gestillt war, wo eigentlich alles schon gelaufen war, wo er richtig die zweite Luft kriegte, da wurde der Kampf gestoppt."

    Und Lewis in der sechsten Runde zum umstrittenden Sieger erklärt. Doch ganz egal, ob seine Athleten gewinnen oder verlieren, Fritz Sdunek hielt sich nie lange mit der Vergangenheit auf, stand oft schon am nächsten Tag wieder in der Trainingshalle, bereitete den nächsten Boxer auf einen großen Kampf vor.

    Pausen oder Urlaub kannte er kaum, doch das hat sich 2008 geändert. Herzprobleme und eine Krebserkrankung machten ihm zu schaffen, an die ständigen Rückenprobleme sind mittlerweile schon Alltag. Im vergangenen Oktober rieten die Ärzte dem 62-Jährigen, mal etwas kürzerzutreten. Und so macht Sdunek derzeit Urlaub auf Gran Canaria, will hier abschalten und neue Kraft tanken. Ans Aufhören denkt er jedoch auf keinen Fall.

    "Solange ich mich fit fühle, solange ich den Jungs noch was geben kann und die mich gebrauchen können, denke ich, so lange mache ich das noch. Hauptsache die Gesundheit spielt mit."