Wer zum ersten Mal vor so einer John-Chamberlain-Schrottskulptur steht, dem dämmert möglicherweise, dass wir nicht in der besten aller Welten leben, sondern in einer ziemlich gewalttätigen Gesellschaft, die dem Gott des Autoverkehrs täglich viele Opfer bringt. Das im Unfall verformte und dann auf dem Schrottplatz zusammengepresste Auto ist ja nur das industrialisierte Zerrbild all der Menschenkörper, die im Straßenverkehr zu Schaden kommen und dann auf Intensiv liegen – oder auf dem Friedhof.
Diesem Material, diesen verunfallten, gestauchten, verformten Eisenteilen eine Gestalt, eine anthropomorphe Form abzugewinnen, es zum Tanzen zu bringen, das ist wirklich Kunst. Die Kuratorin Corinna Thierolf, die eine der letzten Chamberlain-Ausstellung in der Münchner Pinakothek der Moderne betreute, hat mir einmal erzählt, wie sie den fast 84-jährigen Meister in seinem Atelier besuchte und im Halbdunkel vor so einer menschenähnlichen Schrottgestalt stand. Ihr Gefühl, dem leibhaftigen Thanatos gegenüberzustehen, - sagte sie -habe sich erst verflüchtigt, als sie aus dem Nebenraum Jazz hörte, den Chamberlain beim Arbeiten ständig brauchte.
Jazz und Tod: Mit diesen beiden Stichworten ist die Arbeit des John Chamberlain ganz gut beschrieben. Der 1927 in Indiana geborene Bildhauer, in Chicago aufgewachsen, benutzte ein absolut zeit gemäßes Material: Was dem Renaissance-Künstler der Carrara-Marmor, das war dem 60iger-Jahre-Plastiker das Autoblech, Relikt und Synonym der Industriegesellschaft, Zeugnis ihrer Möglichkeiten, ihres Größenwahns, ihrer Gefährdung. Dass Chamberlain diesen in sich zerknautschten und dann zusammengeschweißten Kotflügeln und Kühlerhauben eine Zärtlichkeit, eine Leichtigkeit, eine Musikalität abgewann, das war dem Einfluß des Musikers Thelonious Monk geschuldet, den Chamberlain verehrte, das war aber auch Resultat des "Black Mountain College", an dem Chamberlain lehrte und wo er den Tänzer Merce Cunningham, den Maler Willem de Kooning, die Dichter Robert Creeley und Charles Olson - und den Neutöner John Cage kennenlernte, der ja auch mit Alltagsmaterial Klänge erzeugte. Was Martin Spoerri mit dem Essen machte, mit Geschirr und Lebensmitteln, das tat Chamberlain nun mit Autoteilen: Er verarbeitete sie zu Assemblagen und Plastiken. Natürlich stand da auch die frühe Pop-Art Pate; viel genialer aber war, dass Chamberlain im Grunde die gewalttätige Gestik des Abstrakten Expressionismus in die Skulptur herüberholte – und dabei auf dem neuesten Materialstand war.
Nebenher unternahm er Ausflüge in die Fotografie; seine Panoramabilder haben aber bei Weitem nicht die Bedeutung seiner wilden und skurril zarten Schrottplastiken. Freilich bestand Chamberlain bei seinen Autoteilen auf bestem Material: Er nahm nur gepresste 50er-Jahre-Straßenkreuzer, und die wurden langsam rar und mussten ersteigert werden. Und so ist der Abschied von diesem großen Bildhauer auch ein Abschied vom Barock des Industriezeitalters, als Autos noch Autos waren – und nicht schnell rostende Leichtmetallbomber mit möglichst viel Plastik und eingebauter Hässlichkeits-Garantie.
Diesem Material, diesen verunfallten, gestauchten, verformten Eisenteilen eine Gestalt, eine anthropomorphe Form abzugewinnen, es zum Tanzen zu bringen, das ist wirklich Kunst. Die Kuratorin Corinna Thierolf, die eine der letzten Chamberlain-Ausstellung in der Münchner Pinakothek der Moderne betreute, hat mir einmal erzählt, wie sie den fast 84-jährigen Meister in seinem Atelier besuchte und im Halbdunkel vor so einer menschenähnlichen Schrottgestalt stand. Ihr Gefühl, dem leibhaftigen Thanatos gegenüberzustehen, - sagte sie -habe sich erst verflüchtigt, als sie aus dem Nebenraum Jazz hörte, den Chamberlain beim Arbeiten ständig brauchte.
Jazz und Tod: Mit diesen beiden Stichworten ist die Arbeit des John Chamberlain ganz gut beschrieben. Der 1927 in Indiana geborene Bildhauer, in Chicago aufgewachsen, benutzte ein absolut zeit gemäßes Material: Was dem Renaissance-Künstler der Carrara-Marmor, das war dem 60iger-Jahre-Plastiker das Autoblech, Relikt und Synonym der Industriegesellschaft, Zeugnis ihrer Möglichkeiten, ihres Größenwahns, ihrer Gefährdung. Dass Chamberlain diesen in sich zerknautschten und dann zusammengeschweißten Kotflügeln und Kühlerhauben eine Zärtlichkeit, eine Leichtigkeit, eine Musikalität abgewann, das war dem Einfluß des Musikers Thelonious Monk geschuldet, den Chamberlain verehrte, das war aber auch Resultat des "Black Mountain College", an dem Chamberlain lehrte und wo er den Tänzer Merce Cunningham, den Maler Willem de Kooning, die Dichter Robert Creeley und Charles Olson - und den Neutöner John Cage kennenlernte, der ja auch mit Alltagsmaterial Klänge erzeugte. Was Martin Spoerri mit dem Essen machte, mit Geschirr und Lebensmitteln, das tat Chamberlain nun mit Autoteilen: Er verarbeitete sie zu Assemblagen und Plastiken. Natürlich stand da auch die frühe Pop-Art Pate; viel genialer aber war, dass Chamberlain im Grunde die gewalttätige Gestik des Abstrakten Expressionismus in die Skulptur herüberholte – und dabei auf dem neuesten Materialstand war.
Nebenher unternahm er Ausflüge in die Fotografie; seine Panoramabilder haben aber bei Weitem nicht die Bedeutung seiner wilden und skurril zarten Schrottplastiken. Freilich bestand Chamberlain bei seinen Autoteilen auf bestem Material: Er nahm nur gepresste 50er-Jahre-Straßenkreuzer, und die wurden langsam rar und mussten ersteigert werden. Und so ist der Abschied von diesem großen Bildhauer auch ein Abschied vom Barock des Industriezeitalters, als Autos noch Autos waren – und nicht schnell rostende Leichtmetallbomber mit möglichst viel Plastik und eingebauter Hässlichkeits-Garantie.