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Der Mekong und die Anrainer-Staaten

Chan Dy wirft den Vierzylinder Toyota-Motor an, bugsiert sein kleines Boot auf den Mekong hinaus und gibt Gas. Schnell verschwindet die kleine kambodschanische Stadt Kompong Cham. Das Schnellboot jagt mit 60 Stundenkilometer in Richtung laotischer Grenze. An den Ufern gießen Männer die frisch angelegten Felder, Fischer werfen ihre Netze aus. "Tonle Thom" - großes Wasser - nennen die Kambodschaner diesen Strom. Cornelis van Tuyll von der deutschen Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit, GTZ, weiß warum.

Von Michael Netzhammer | 12.07.2004
    Im Moment leben 60 Millionen Leute in diesen vier Ländern Laos, Kambodscha, Thailand und Vietnam von der Nahrungsmittelproduktion in der Region direkt und 300 Million indirekt.

    Entsprechend intensiv wird der Fluss genutzt. Zum Teil auf Kosten der Nachbarstaaten. Wenn China und Laos Staudämme am Oberlauf errichten oder Thailand Wasser abzweigt, kommt im Delta weniger an, weshalb eindringendes Meerwasser fruchtbares Ackerland zerstört. Um derlei Interessenkonflikte zu lösen, gründeten Kambodscha, Laos, Thailand und Vietnam im April 1995 die "Mekong River Commission", kurz MRC genannt. Mehr als 100 Mitarbeiter zählt die Behörde mit Sitz in Phnom Phen und im laotischen Vientiane. Der deutsche Programmdirektor Wolfgang Schiefer zieht eine positive Zwischenbilanz.

    Gerade die gemeinsame Planung, was die Ressourcen des Mekongs anbetrifft, ist vorangeschritten. Wir arbeiten an einem die Länder übergreifenden Entwicklungsplan. Ich habe Kollegen aus allen vier Ländern, die hier zusammenarbeiten, wenn man das vor dem Hintergrund der jüngeren Geschichte der Region sieht, ist das schon ein großer Schritt vorwärts.

    Teil des Entwicklungsplans ist auch das nachhaltige Management der Wassereinzugsgebiete, das vom GTZ-Mitarbeiter Cees von Tuyll geleitet wird. Was technisch klingt ist ein hochbrisantes Thema:

    Es ist zweifelsohne, dass der Mekong der Hauptfluss dazugehört. Nach der ursprünglichen Vereinbarung sind aber auch sämtliche Zuflussströme und wiederum kleinere Zuflüsse, die wiederum die Zuflussströme beeinflussen, gehören auch dazu. Im Moment gibt es wieder eine Diskussion, wo einige Länder das wieder anders sehen.

    Weil die Staaten ihre Nachbarn weder darüber informieren noch konsultieren wollen, wenn sie zum Beispiel lukrative Forstkonzessionen vergeben. Wohin diese nationalen Egoismen führen, kann man zu beiden Seiten des Mekongs sehen.

    Über eine Rutsche verladen Arbeiter Holz aus einer landeinwärts in den Urwald gepflanzten Kautschukplantage. Die mitgebrachten Satellitenaufnahmen offenbaren den Raubbau überall entlang des Flusses wie anderen Regionen. In der Grenzregion zu Thailand verschwanden in den letzten zehn Jahren allein 500 Quadratkilometer Urwald. Die Folgen glaubt Ouch Eng schon spüren zu können, der mit seiner Familie am Fluss lebt.

    In diesem Jahr hatten wir sehr wenig Regen wie in den letzten fünf Jahren auch. Früher konnten wir mit dem Regen rechnen, heute fällt er jedoch häufig unerwartet.

    Viele Regionen liegen weit ab vom Mekong. Trotzdem beeinflusst der Raubbau den Wasserhaushalt, weil der Boden seine Fähigkeit verliert, Wasser zu speichern. Es läuft schneller ab und fehlt der Landwirtschaft in der Trockenzeit. Allein im Jahr 2000 beliefen sich die Überschwemmungsschäden in Kambodscha und Vietnam auf 250 Millionen US-Dollar. Doch Konsequenzen aus diesem Zusammenhang ziehen die Anrainer nur langsam, weiß van Tuyll.

    Am Anfang dachte ich, es gäbe ein gemeinsames Verständnis und ich musste feststellen, dass es das noch nicht ist.

    Daran arbeitet Cees van Tuyll. Wenn es mal wieder langsamer als erwartet geht, dann trösten sich die Mitarbeiter mit einem Blick nach Europa, so der Brite Stephen Carson:

    Die Rhein-Anrainerstaaten arbeiten seit mehr als 50 Jahren zusammen und es gibt nach wie vor Themen, in denen die Kooperation nicht so funktioniert wie sie funktionieren könnte.