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Der mitteldeutsche Universitätsverbund funktioniert nicht

Vor zehn Jahren haben sich die Universitäten Jena, Halle und Leipzig zu einem Universitätsverbund zusammen geschlossen. Die vertraglich festgelegte Partnerschaft sollte es Studierenden ermöglichen, unkompliziert und unbürokratisch Lehrveranstaltungen an den jeweils anderen Unis wahrzunehmen. Leistungsnachweise sollten ohne zusätzliche Immatrikulation auch an den anderen Unis erworben werden dürfen und ohne zusätzliche Prüfung an den Heimatfakultäten anerkannt werden. Doch nach zehn Jahren sieht die Realität anders aus. Es gibt kaum Studierende, die den Univerbund nutzen. Für viele sind die bürokratischen Hürden zu hoch, und bis heute gibt es keine Garantie, dass die erbrachten Leistungen der Partneruniversität anerkannt werden.

Von Ronny Arnold |
    Als Katarina Berenz vor drei Jahren die Zwischenprüfung in ihrem Hauptfach Medienwissenschaft an der Uni Jena erfolgreich hinter sich gebracht hatte, war die Welt für einen kurzen Moment in Ordnung. Doch dann fiel ihr Blick ins Vorlesungsverzeichnis für das kommende Semester. Die dort angebotenen Seminare und Vorlesungen für das Hauptstudium waren dürftig. Die heute 29-jährige beschlichen starke Zweifel, ob sie bei diesem knappen Lehrangebot einen Abschluss in Jena machen will. Und Katarina Berenz war nicht die Einzige.

    Wir waren ein paar Leute, die unzufrieden waren mit dem Studienangebot in Jena. Also es war einfach zu wenig, es wurden keine neuen Professoren eingestellt, obwohl viel zu viele Studenten da waren. Und wir haben dann beschlossen, den Universitätsverbund zu nutzen und unsere Nebenfächer in Jena zu lassen und das Hauptfach nach Leipzig zu verlegen.

    Gemeinsam mit drei anderen Studierenden recherchierte Katarina Berenz im Internet. Auf einer Infoseite fanden sie die Vereinbarungen zum Univerbund Jena-Leipzig-Halle. Im sechsten Abschnitt des 15 Punkte umfassenden Werkes konnten sie nachlesen, dass Studierende ihre Scheine ohne zusätzliche Immatrikulation an einer Partneruniversität erwerben können. Doch weder im Prüfungsamt noch im Sekretariat der Uni Jena wussten die Mitarbeiter Bescheid.


    Wir sind in Jena ins Studentensekretariat, haben gesagt wir möchten das gern so machen und haben das ganze umrissen. Und dann wurde uns eben gesagt, dass wir uns exmatrikulieren müssen. Das haben wir dann schweren Herzens auch gemacht, sind nach Leipzig gekommen und da hieß es dann wiederum im Studentensekretariat, dass das alles ganz merkwürdig wäre und ein Hauptfach könnte nicht nur im Ausweis stehen. Das würde einfach nicht gehen. Und das ist auch das, was wir am häufigsten gehört haben: Das geht nicht!

    Nach mehreren Wochen und unzähligen Wegen zwischen den Prüfungsämtern ging es dann doch. Seit zweieinhalb Jahren ist Katarina Berenz nun Hauptfachstudierende in Leipzig und Gasthörerin in Jena. Und sie ist fast ein Einzelfall, denn nur circa 30 Studierende pro Hochschule nutzen den Univerbund. Genauere Zahlen gibt es nicht, aber bei über 70.000 Studierenden an den drei Unis ist ihre Menge verschwindend klein. Für die Studierendenräte der drei Universitäten ist das kein Wunder, denn in ihren Augen sind die Vereinbarungen nur Lippenbekenntnisse. Auch Charlotte Schubert, Prorektorin für Lehre und Forschung an der Uni Leipzig, bedauert die geringen Zahlen. Für sie funktioniert der Univerbund aber zumindest im Bereich von Forschung und Lehre.

    Wir treffen uns auch regelmäßig, wir stimmen uns ab. Das haben wir in der Vergangenheit so getan, vor allem mit der gemeinsamen Lehrevaluation, abgekürzt LEU. Da haben wir sehr aufwendige, komplizierte Verfahren gemeinsam durchgeführt und auch sehr viele Erfahrungen in diesem Bereich gesammelt.

    Eine schöne Sache, finden auch die Studierendenräte. Doch den Studierenden selbst nützt das wenig. Ein weiteres Problem sind die hohen Fahrtkosten zwischen den Universitätsstädten. Trotz vieler Verhandlungen mit der Deutschen Bahn gibt es bis heute kein verbilligtes Ticket. Die Studierendenräte der Unis fordern deshalb zum einen, diese Verhandlungen schnell wieder aufzunehmen, so Volker Rust vom StuRa Leipzig.

    Zweitens fordern wir natürlich, die N.C. belegten Fächer wieder frei zu machen für die Studierenden an den Universitäten. Dann natürlich sollte endlich mal nicht eine Kann-Bestimmung in diesen Vertrag aufgenommen werden, also die Scheine können anerkannt werden. Das können sie auch von jeder anderen Universität, wenn ich den Prüfungsausschuss frage. Es sollte eine Muss-Bestimmung werden, damit dieser Univerbund endlich mal auf starken Füßen steht.

    Allerdings lehnen die Universitäten die automatische Anerkennung der Scheine als einen zu großen Eingriff in die Kompetenzen der einzelnen Fächer ab. Die anderen Forderungen wollen sie jedoch in Angriff nehmen. So sollen in Zukunft auch Studierende der Partneruniversitäten an Seminaren in Fächern mit Numerus Clausus teilnehmen können. Charlotte Schubert schlägt eine pragmatische Lösung des Problems vor.

    Ein Studierender geht zu dem jeweiligen Hochschullehrer, lässt sich von ihm eine Erklärung geben, dass im jeweiligen Seminar genügend Plätze frei sind. Damit geht er dann zur Verwaltung und dann geht das seinen ordentlichen, normalen Gang.

    Auch mit den Verkehrsbetrieben und der Deutschen Bahn wollen die Universitäten wieder verhandeln. Beim nächsten Rektorentreffen im Frühjahr soll der Univerbund konkretes Thema sein. Für Katarina Berenz kommen diese Verhandlungen jedoch alle samt zu spät. Im nächsten Semester wird sie in Leipzig ihre Magisterarbeit schreiben und ihr Studium beenden – trotz aller bürokratischen Stolpersteine.