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Der Monsun und die Khmer

Jahrzehntelange Dürren könnten die Ursache für den Untergang des Khmer-Reichs von Angkor Wat in Kambodscha gewesen sein. Darauf deutet jedenfalls die Analyse eines Bohrkerns hin, der in einem der Wasserbecken in Angkor gezogen worden ist.

Von Dagmar Röhrlich | 03.01.2012
    Heute liegt Angkor in Ruinen. Von der Metropole, die zwischen dem 9. und dem 15. Jahrhundert blühte, blieben nur die steinernen Tempel. Sie locken heute Touristen aus aller Welt an. Die Häuser der Stadt versanken im Dschungel Kambodschas. Von Angkor aus herrschten die Khmer über weite Teile Indochinas. Um ihre Hauptstadt zu versorgen, ließen die Könige ein raffiniertes Bewässerungssystem errichten:

    "Das Wassermanagementsystem der Khmer erstreckte sich über eine Fläche von rund 1000 Quadratkilometern. Es ist ein ausgeklügeltes System mit Kanälen, Dämmen, Teichen und Barays, also sehr großen, rechteckigen Wasserspeichern, die in der Kultur der Khmer eine große Rolle spielten. Die Khmer nutzten dieses System, um während des Sommermonsuns Wasservorräte anzulegen und Flusswasser heranzuschaffen. So konnten sie rund ums Jahr ihre Reisfelder bewässern und mehrmals ernten. Reis war Grundnahrungsmittel im Khmer-Reich."

    Mary Beth Day von der University of Cambridge. Im 15. Jahrhundert brach das Khmer-Reich plötzlich zusammen. Als mögliche Ursache galt der Einfall feindlicher Truppen im Jahr 1431. Inzwischen mehren sich jedoch die Anzeichen, dass auch andere Faktoren beteiligt waren:

    "Wir haben einen zwei Meter langen Sedimentbohrkern untersucht, den wir im größten Baray gezogen haben. Dieses Becken ist etwa acht mal zwei Kilometer groß und war damals fünf Meter tief. Die Analyse des Bohrkerns verriet uns, welche Umweltbedingungen während der vergangenen 1000 Jahre geherrscht haben. In diesem Zeitraum haben sich große Veränderungen abgespielt. Radiokohlenstoff-Datierungen unserer Sedimente belegen, dass sich diese Veränderungen genau zu einer Zeit abspielten, für die frühere Untersuchungen einer anderen Forschergruppe an Baumringen schwere Dürre nachwiesen haben."

    Schriftliche Überlieferungen, vor allem aber die dendrochronologischen Untersuchungen, belegen dass sich während des 14. und 15. Jahrhunderts in Ostasien Zeiten jahrzehntelanger Dürre mit kurzen, extrem niederschlagsreichen Perioden abwechselten. Dann beschädigten Starkregenfälle die Bewässerungsanlagen, die in den Dürreperioden dringend gebraucht wurden: Denn meist waren die Jahre viel zu trocken. Manchmal blieb der Regen ganz aus.

    "Während dieser jahrzehntelangen Dürre im 14. und 15. Jahrhundert fiel der Wasserstand in dem Becken, aus dem unser Bohrkern stammt. Weil es weniger regnete, wurde auch sehr viel weniger Sediment in das Becken gespült. Diese Veränderungen liefen genau zu der Zeit ab, als das Wassermanagementsystem kollabierte, Angkor sich auflöste und die Menschen fortzogen. Der Bohrkern verrät auch, was anschließend passierte. Solange die Menschen das Land bestellten, hatten sie die Verwitterung vorangetrieben. Danach gelangte wesentlich schwächer verwittertes Sediment in das Becken. Außerdem veränderte sich nach dem Untergang der Stadt die Ökologie in dem Baray. Plötzlich lebten andere Pflanzen und Algen darin."

    Die Dürreperioden müssen für eine Kultur, die von Landwirtschaft abhängig war, verheerend gewesen sein, erklärt Mary Beth Day:

    "Diese Klimaverschlechterungen im 14. und 15. Jahrhundert wurden durch Veränderungen im Monsun angetrieben. Das Klima befand sich im Übergang von einer Klimaanomalie in die andere, von der mittelalterlichen Warmzeit in die Kleine Eiszeit. In Ostasien war das Klima wärmer und feuchter gewesen, dann stellte sich der Monsun um, Dürren waren die Folge, und mit der Kleinen Eiszeit wurde es in diesem Teil der Welt kühler und trockener."

    Forscher vermuten, dass die Trockenheit Missernten verursachte und möglicherweise auch einen Anstieg von Infektionskrankheiten, die sich in den dicht besiedelten Ballungszentren schnell ausbreiten konnten. So könnten Umweltveränderungen soziale und politische Unruhen ausgelöst haben, die das Reich der Khmer an den Rand des Abgrunds gebracht haben. Jahrzehnte der Dürre könnten ihren Preis gefordert haben.