Liminski: Die Parlamentswahl in Holland wird also nicht verschoben. Sie findet wie vorgesehen am 15. Mai statt. Gerade die Partei des Ermoderten hat sich für die Beibehaltung des Termins ausgesprochen, und man darf annehmen, dass diese Wahl sicher im Schatten des Attentats stehen wird. Am Telefon begrüße ich nun den Völkerrechtler Prof. Alting von Geusau. Er lehrt an den Universitäten Brabant und Leiden, hält Gastvorlesungen an verschiedenen Universitäten in Europa und Amerika, z.B. in Harvard. Herr von Geusau, der Mord kurz vor der Wahl hat das Land erschüttert. Können Sie sich an eine ähnliche Situation erinnern? Ist auch das politische System erschüttert?
Von Geusau: Wir können uns nicht an eine ähnliche Situation erinnern. Es ist das erste Mal, das solch ein politischer Mord stattgefunden hat. Ich denke, dass das die Holländer sehr tief erschüttert hat. Wir haben immer gedacht, dass wir ein tolerantes Land sind, wo man über Meinungsunterschiede reden kann. Aber das ist noch niemals geschehen. Ich denke, dass das unser politisches System tief erschüttern könnte.
Liminski: Wird das auch die politische Kultur ändern? Ist mit mehr Gewalt zu rechnen?
Von Geusau: Das ist sehr schwer zu sagen. Der Täter ist verhaftet worden. Seine Identität ist der Polizei bekannt, aber uns noch nicht. Wir wissen noch nichts über seine Motive, seine politische Stellungnahme, ob es ein politischer Mord gewesen ist oder vielleicht persönliche Aspekte im Spiel waren. Das wissen wir gar nicht.
Liminski: Aber es heißt, der Täter komme aus einem politisch linken Umfeld. Nach Angaben von Geheimdienstkreisen, die hier von einer Agentur bekannt gegeben wurden, handelt es sich um einen Linksextremen. Besteht die Gefahr, dass das Land jetzt auch ideologisch polarisiert wird?
Von Geusau: Das denke ich nicht. Wenn es so ist, dass er aus einer extrem linken Gruppe kommt, dann ist es eine sehr kleine Gruppe. Holland ist extrem links niemals stark gewesen.
Liminski: Der Wahltermin bleibt; in einer Woche wird gewählt. Wer wird Ihrer Meinung nach politisch von dieser Situation profitieren?
Von Geusau: Das weiß ich nicht. Die Schwierigkeit ist, dass die meisten Parteien beschlossen haben, die Wahlkampagne nicht weiterzuführen. Was die Holländer damit machen, wenn sie nächste Woche zur Wahl gehen, ist sehr undeutlich.
Liminski: Aber man kann doch damit rechnen, dass es einen gewissen Mitleidseffekt für die Partei von Pim Fortuyn gibt.
Von Geusau: Das könnte sein, aber die Partei von Pim Fortuyn ist im Wesentlichen Pim Fortuyn. Er war der uneingeschränkte Führer der Partei, und die anderen Leute haben nicht wie er eine solche politische Stellung in Holland.
Liminski: Wie erklären Sie sich überhaupt den blitzartigen Aufstieg dieser Partei? Sind das Proteststimmen?
Von Geusau: Ich denke, das sind im Wesentlichen Proteststimmen gegen eine Regierung, die acht Jahre ziemlich schwach regiert hat und viele Themen, die die Leute beunruhigen, nicht angegriffen hat.
Liminski: Fortuyns Aufstieg begann bezeichnenderweise gerade in Rotterdam, einer Stadt mit hohem Ausländeranteil. Ist das Ausländerproblem ein Problem im liberalen Holland geworden?
Von Geusau: Ja, unbedingt.
Liminski: Und deswegen der Aufstieg von Pim Fortuyn.
Von Geusau: Ich denke, dass das damit zu tun hat. Es sind nicht nur die Ausländer, es ist auch die Unsicherheit, es ist die Kriminalität, die gewachsen ist. Ich möchte sagen, er hat verschiedene Sachen angegriffen, die die Leute schon lange beunruhigt haben, nicht nur die Ausländer, auch das Bildungssystem, das Gesundheitswesen, das schlechter und schlechter wird. Also er hat eine ganze Menge von Sorgen der Menschen angegriffen.
Liminski: Aber Holland galt bisher immer als Aushängeschild eines liberalen Landes. Wie kann es sein, dass sich die Dinge nun so polarisieren, dass es zum Mord kommt?
Von Geusau: Das ist auch für mich die große Frage, die ich noch nicht wage zu beantworten. Holland ist in den letzten Jahren sehr wenig polarisiert gewesen. Seit dem Ende des Kalten Krieges ist die Polarisierung weniger geworden, nicht mehr.
Liminski: Und wie kommt es jetzt zu diesen Gewaltausbrüchen? Ist das die Tat eines Einzelnen?
Von Geusau: Das wissen wir noch nicht. Die Polizei hat uns gesagt: es ist nur eine Person, die wir verhaftet haben, wir denken, dass keine anderen damit verbunden sind. Aber was diesen Mann dazu gebracht hat, wissen wir natürlich noch nicht.
Liminski: Vielen Dank für das Gespräch.
Link: Interview als RealAudio
Von Geusau: Wir können uns nicht an eine ähnliche Situation erinnern. Es ist das erste Mal, das solch ein politischer Mord stattgefunden hat. Ich denke, dass das die Holländer sehr tief erschüttert hat. Wir haben immer gedacht, dass wir ein tolerantes Land sind, wo man über Meinungsunterschiede reden kann. Aber das ist noch niemals geschehen. Ich denke, dass das unser politisches System tief erschüttern könnte.
Liminski: Wird das auch die politische Kultur ändern? Ist mit mehr Gewalt zu rechnen?
Von Geusau: Das ist sehr schwer zu sagen. Der Täter ist verhaftet worden. Seine Identität ist der Polizei bekannt, aber uns noch nicht. Wir wissen noch nichts über seine Motive, seine politische Stellungnahme, ob es ein politischer Mord gewesen ist oder vielleicht persönliche Aspekte im Spiel waren. Das wissen wir gar nicht.
Liminski: Aber es heißt, der Täter komme aus einem politisch linken Umfeld. Nach Angaben von Geheimdienstkreisen, die hier von einer Agentur bekannt gegeben wurden, handelt es sich um einen Linksextremen. Besteht die Gefahr, dass das Land jetzt auch ideologisch polarisiert wird?
Von Geusau: Das denke ich nicht. Wenn es so ist, dass er aus einer extrem linken Gruppe kommt, dann ist es eine sehr kleine Gruppe. Holland ist extrem links niemals stark gewesen.
Liminski: Der Wahltermin bleibt; in einer Woche wird gewählt. Wer wird Ihrer Meinung nach politisch von dieser Situation profitieren?
Von Geusau: Das weiß ich nicht. Die Schwierigkeit ist, dass die meisten Parteien beschlossen haben, die Wahlkampagne nicht weiterzuführen. Was die Holländer damit machen, wenn sie nächste Woche zur Wahl gehen, ist sehr undeutlich.
Liminski: Aber man kann doch damit rechnen, dass es einen gewissen Mitleidseffekt für die Partei von Pim Fortuyn gibt.
Von Geusau: Das könnte sein, aber die Partei von Pim Fortuyn ist im Wesentlichen Pim Fortuyn. Er war der uneingeschränkte Führer der Partei, und die anderen Leute haben nicht wie er eine solche politische Stellung in Holland.
Liminski: Wie erklären Sie sich überhaupt den blitzartigen Aufstieg dieser Partei? Sind das Proteststimmen?
Von Geusau: Ich denke, das sind im Wesentlichen Proteststimmen gegen eine Regierung, die acht Jahre ziemlich schwach regiert hat und viele Themen, die die Leute beunruhigen, nicht angegriffen hat.
Liminski: Fortuyns Aufstieg begann bezeichnenderweise gerade in Rotterdam, einer Stadt mit hohem Ausländeranteil. Ist das Ausländerproblem ein Problem im liberalen Holland geworden?
Von Geusau: Ja, unbedingt.
Liminski: Und deswegen der Aufstieg von Pim Fortuyn.
Von Geusau: Ich denke, dass das damit zu tun hat. Es sind nicht nur die Ausländer, es ist auch die Unsicherheit, es ist die Kriminalität, die gewachsen ist. Ich möchte sagen, er hat verschiedene Sachen angegriffen, die die Leute schon lange beunruhigt haben, nicht nur die Ausländer, auch das Bildungssystem, das Gesundheitswesen, das schlechter und schlechter wird. Also er hat eine ganze Menge von Sorgen der Menschen angegriffen.
Liminski: Aber Holland galt bisher immer als Aushängeschild eines liberalen Landes. Wie kann es sein, dass sich die Dinge nun so polarisieren, dass es zum Mord kommt?
Von Geusau: Das ist auch für mich die große Frage, die ich noch nicht wage zu beantworten. Holland ist in den letzten Jahren sehr wenig polarisiert gewesen. Seit dem Ende des Kalten Krieges ist die Polarisierung weniger geworden, nicht mehr.
Liminski: Und wie kommt es jetzt zu diesen Gewaltausbrüchen? Ist das die Tat eines Einzelnen?
Von Geusau: Das wissen wir noch nicht. Die Polizei hat uns gesagt: es ist nur eine Person, die wir verhaftet haben, wir denken, dass keine anderen damit verbunden sind. Aber was diesen Mann dazu gebracht hat, wissen wir natürlich noch nicht.
Liminski: Vielen Dank für das Gespräch.
Link: Interview als RealAudio
