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Der Musik des Volkes verbunden

Nichts Geringeres, als die ungarische Musik aus einer Sackgasse zu führen, war das Ziel von Zoltán Kodály. Neben seinem Kollegen Béla Bartók wurde er zum beliebtesten Komponisten seiner Heimat.

Von Sabine Fringes | 16.12.2007
    Wenn er in diesem Stil weiterkomponiert hätte, dann wäre das Leben für ihn viel einfacher gewesen, sagte Zoltán Kodály einmal über eine seiner ersten und zugleich erfolgreichsten Kompositionen, das Adagio für Violine und Klavier aus dem Jahr 1905. Doch für Kodály war diese Musik - wie überhaupt das Musikleben in Ungarn zu Beginn des 20. Jahrhunderts - zu sehr von der deutschen Spätromantik geprägt:

    "Viele haben damals entweder Wagner oder Brahms nachgeahmt. Das wollten wir nicht. Da hieß es, wir müssen den eigenen Ton unseres Volkes kennen lernen. Da die vorhandenen Sammlungen darüber gar keine befriedigenden Aufschlüsse gegeben haben, musste man zu dem Urquell sich wenden oder einfach zum Volk, sich anhören, was das Volk singt."

    Nach dem Studium der Komposition und der deutschen und ungarischen Literatur macht sich Kodály im Jahr 1905 auf, die Volkslieder seines Landes zu sammeln und vor dem Vergessen zu bewahren. Seine erste Reise führt ihn nach Galánta, einem kleinen Dorf in Siebenbürgen, wo der am 16. Dezember 1882 in Kecskemét geborene Sohn eines Bahnbeamten den Großteil seiner Kindheit verbracht hat.

    In seinem Landsmann Béla Bartók findet er einen Mitstreiter. Mit Phonographen ausgestattet ziehen er und Bartók in den nächsten Jahren immer wieder durch die Kirchen und Wirtshäuser entlegener Dörfer, um die ursprünglichen Bauernmelodien aufzuzeichnen:

    "Anfangs suchten wir nur nach verloren gegangenen alten Melodien, doch als wir die Leute in den Dörfern kennen lernten und sahen, wie viele Begabungen und wie viele frische Lebenskraft dort zugrunde gingen, erstand vor uns das Bild eines gebildeten Ungarns, das aus dem Volk wiedergeboren werden sollte. Der Verwirklichung dieses Ziels wollten wir unser Leben widmen."

    Mit dieser Idee beginnt Kodály, seinen eigenen Stil zu entwickeln. Den Klang der Zigeunerkapelle seines Heimatortes wird er später in seinen "Tänzen aus Galánta" festhalten und in seinen "Tänzen aus Marosszék" auch echtes Volksmusikmaterial aus Siebenbürgen verarbeiten

    Neben der Erforschung der Volksmusik seines Landes widmet sich Kodály ab Mitte der 20er Jahre auch der Musikerziehung an den Schulen, wo seiner Ansicht nach die Jugend in einer "vollkommen musikalischen Verwahrlosung" lebt, die "schlimmer als Analphabetismus" sei. Um für Kinder zu schreiben, könne man als Komponist gar nicht groß genug sein, sagt er dazu einmal. Groß, so erscheint der international Geehrte, der in seiner Heimat nahezu alle wichtigen kulturellen Organisationen leitete, bald vielen seiner Zeitgenossen. In den letzten zwei Jahrzehnten vor seinem Tod am 6. März 1967 verehrt man ihn nicht nur in Ungarn als eine fast mystische Persönlichkeit

    Mit der Suite zu seiner Schelmenoper "Háry Janos", mit den Orchestervariationen über das ungarische Volkslied "Der Pfau" und mit seinem "Psalmus Hungaricus" gilt Kodály heute noch als einer der beliebtesten ungarischen Komponisten.

    Sein Kollege Béla Bartók: "Hier können wir sagen, dass (er) das Wesen der Bauernmusik gänzlich in sich aufgesogen, sie zu seiner musikalischen Muttersprache gemacht hat, sie so vollkommen beherrscht wie ein Poet. Es wird genügen, wenn ich den "Psalmus hungaricus" anführe, der niemals ohne ungarische Bauernmusik, aber natürlich auch nicht ohne Kodály entstanden wäre."