Er ist tatsächlich so etwas wie eine Legende: Der Berliner Fußballclub Dynamo. Zu DDR-Zeiten wurde der Verein aus Hohenschönhausen zehnmal DDR-Oberligameister in Folge. Trotzdem war er unter der Bevölkerung im Osten Deutschlands verhasst. Schiebemeister oder Stasi-Klub wurde der Verein nicht gerade freundlich genannt. Stasi-Chef Erich Milke wollte mit allen Mitteln seinen BFC an der Spitze des DDR-Fußballs sehen: Sportförderung und die Zuweisungen von Spielern wurden entsprechend ausgerichtet – und manchmal auch die Entscheidungen der Schiedsrichter, weiß Hanns Leske, der zum Einfluss der SED und Stasi auf den Ostfußball promoviert hat.
"Es gibt mehrere Untersuchungen des DDR Fußballverbandes, die belegen, dass die Schiedsrichter für den BFC Dynamo gepfiffen haben oder die Konkurrenten benachteiligt haben. Da gibt es Szenen, die durften im DDR-Fernsehen nicht zeigen durften, weil die Abseitstore so offensichtlich waren."
Doch mit dem Zerfall der DDR beginnt auch der Stern des BFC zu sinken. In der letzten Oberligasaison gelingt es dem Verein nicht, sich für eine der beiden - nun gesamtdeutschen - Profiligen zu qualifizieren. Danach kehrt der Abonement-Meister der 80er Jahre nie wieder in den Profifußball zurück. Nach dem Mauerfall beginnt der Ausverkauf beim BFC: Westdeutsche Fußballmanager wie Rainer Calmund bedienen sich in großzügig bei den gut ausgebildeten Spielern des BFC.
Viel Geld spülen die Transfers damals in die Vereinskassen: zwischen zehn und 15 Millionen DM. Das Geld versickert, heute weiß niemand mehr, wo die Transfermillionen geblieben sind. 2001 muss der Verein gar Insolvenz anmelden und den Weg in die Berliner Verbandsliga antreten.
Auch die Sponsoren machen - trotz zwischenzeitlicher Umbenennung in FC Berlin - einen großen Bogen um den als Stasi-Club verschrienen Verein. Anders die Hooligans. Immer häufiger und immer heftiger kommt es zu Ausschreitungen bei Spielen des Vereins. Am 3.November 1990 stirbt der BFC-Fan Maike Polley durch einen Polizeischuss.
Professor Gunter Pilz beschäftigt sich als Sportsoziologe seit Langem mit dem Phänomen Hooliganismus.
"Wenn man jetzt Dynamo Berlin nimmt, die haben natürlich eine gewisse Tradition schon zu DDR-Zeiten: eine sehr ausgeprägte Hooligan-Szene als Stasi-Club mit gewissen Privilegien und auch der Sicherheit, dass, wenn man sich dann entsprechend verhalten hat, nicht mit Sanktionen rechnen musste und das hat sich natürlich kultiviert."
Von Zeit zu Zeit versucht die Vereinsführung Maßnahmen gegen ausufernde Fangewalt und rechtsradikale Parolen zu ergreifen. Wirklich erfolgreich ist sie damit nicht. Und dies wohl auch, weil nicht unerhebliche Teile der Fanschaft aus dem rechten Spektrum stammen.
"Ich hab das genannt: die Kinder der Stasi. Der heutige Fanbereich, oder eigentlich schon seit Jahren der Fanbereich ist eindeutig rechtsradikal, ist fremdenfeindlich. Man sieht das auch schon an der Kleidung, alle schwarz gekleidet, alle im gleichen Stil. Das ist natürlich eine Fangruppe, die das Negativimage des BFC prägt. Und wenn es dann wieder regelmäßig zu Ausschreitungen kommt, springen natürlich Sponsoren ab. Dieses Image wird der BFC nicht los."
Meint der Politologe und Ostfußballexperte Hanns Leske.
Die Vereinsführung wirkt hilflos. An dem einen Spieltag prangen Banner gegen Gewalt und Rassismus an der Haupttribüne, am nächsten werden türkische Mannschaften von den Fans im Stadion mit Fladenbroten beworfen. Dabei hatte der Verein bis 2009 zwei Jahre lang einen türkischstämmigen Trainer. So richtig distanzieren will sich der BFC offenbar jedoch nicht von der Neonazi-Szene. Vor zwei Jahren stellte Präsident Uhlig stolz das neue Logo des Vereins vor: in Frakturschrift und mit "SS" statt ß wurde da "Fußballclub" geschrieben. Klientelpolitik könnte man das nennen. Oder Unbedarftheit.
Und während sich der Verein vor wenigen Monaten von Fans distanzierte, die in der Straßenbahn rechte Parolen grölten, sorgte der Co-Trainer der Mannschaft wenig später für Aufsehen, weil er nach einem Spiel gegen den Migranten-Verein BAK Berlin den eigenen Fanblock zugerufen haben soll: Jetzt ham wa sie, die Kanaken.
Nicht bewältigte Vergangenheit und mangelhafte Fanarbeit: Das scheinen die Grundprobleme des BFC zu sein. Hanns Leske:
"Mein Vorwurf an den BFC seit mindestens zehn, zwölf Jahren: a) dass sie ihre Vergangenheit nicht aufgearbeitet haben und dass sie zweitens nicht in der Lage sind, sich wirklich mit ihrem Fanpotential auseinanderzusetzen, dass sie keine aktive Fanarbeit betreiben. Das läuft an der Oberfläche, man ist auch mal froh, wenn mal eine Zeit Ruhe ist. Also man stellt sich dem Problem nicht, man verdrängt es. Das ist das Grundproblem des BFC."
Verdrängung statt aktiver Aufarbeitung. Das scheint auch einer der Gründe für die jüngsten Ausschreitungen beim Pokalspiel gegen den 1.FC Kaiserslautern zu sein. Selbst die engagierte Vereinsspitze zeigte sich nach den Gewaltexzessen eines Teils der eigenen Fans konsterniert und verspricht ein rigoroses Vorgehen gegen die Täter. Der DFB hat den Verein unter der Woche zu zwei Geisterspielen und 12.000 Euro Strafe verurteilt. Die Polizei sucht nun nach intensiver Auswertung von Bild- und Videomaterial nach den identifizierten Hooligans.
Sportsoziologe Pilz kennt die Bedeutung einer guten Fanarbeit; er weiß aber auch, dass die Vereine nicht die alleinige Verantwortung tragen.
"Der Hooliganismus ist natürlich ein Problem, das nicht in erster Linie von den Vereinen produziert wird und nicht nur dort stattfindet, sondern ein gesellschaftliches Problem. Und wenn ein Großteil der Auseinandersetzungen außerhalb der Stadien stattfinden, muss man die Kirche im Dorf lassen und sagen: Da ist der Verein alleine selbst überfordert.""
Überfordert scheint der Verein in vielerlei Hinsicht zu sein. Die goldene Vergangenheit ist längst vorüber: Während das Team in den 80ern im Europapokal noch gegen AS Rom, den HSV oder Aston Villa antrat, spielt es heute in der fünften Liga. Zukunft ungewiss. Zumindest sportlich steht er damit ähnlich da, wie viele andere Ostvereine, meint auch Hanns Leske.
"In dem Sinne ist der BFC heute ein ganz normaler Verein in der großen Heerschar der ostdeutschen Amateurvereine der unteren Ligen. Da hat der BFC keine Sonderstellung. In dem Sinne wieder ein ganz normaler Verein."
"Es gibt mehrere Untersuchungen des DDR Fußballverbandes, die belegen, dass die Schiedsrichter für den BFC Dynamo gepfiffen haben oder die Konkurrenten benachteiligt haben. Da gibt es Szenen, die durften im DDR-Fernsehen nicht zeigen durften, weil die Abseitstore so offensichtlich waren."
Doch mit dem Zerfall der DDR beginnt auch der Stern des BFC zu sinken. In der letzten Oberligasaison gelingt es dem Verein nicht, sich für eine der beiden - nun gesamtdeutschen - Profiligen zu qualifizieren. Danach kehrt der Abonement-Meister der 80er Jahre nie wieder in den Profifußball zurück. Nach dem Mauerfall beginnt der Ausverkauf beim BFC: Westdeutsche Fußballmanager wie Rainer Calmund bedienen sich in großzügig bei den gut ausgebildeten Spielern des BFC.
Viel Geld spülen die Transfers damals in die Vereinskassen: zwischen zehn und 15 Millionen DM. Das Geld versickert, heute weiß niemand mehr, wo die Transfermillionen geblieben sind. 2001 muss der Verein gar Insolvenz anmelden und den Weg in die Berliner Verbandsliga antreten.
Auch die Sponsoren machen - trotz zwischenzeitlicher Umbenennung in FC Berlin - einen großen Bogen um den als Stasi-Club verschrienen Verein. Anders die Hooligans. Immer häufiger und immer heftiger kommt es zu Ausschreitungen bei Spielen des Vereins. Am 3.November 1990 stirbt der BFC-Fan Maike Polley durch einen Polizeischuss.
Professor Gunter Pilz beschäftigt sich als Sportsoziologe seit Langem mit dem Phänomen Hooliganismus.
"Wenn man jetzt Dynamo Berlin nimmt, die haben natürlich eine gewisse Tradition schon zu DDR-Zeiten: eine sehr ausgeprägte Hooligan-Szene als Stasi-Club mit gewissen Privilegien und auch der Sicherheit, dass, wenn man sich dann entsprechend verhalten hat, nicht mit Sanktionen rechnen musste und das hat sich natürlich kultiviert."
Von Zeit zu Zeit versucht die Vereinsführung Maßnahmen gegen ausufernde Fangewalt und rechtsradikale Parolen zu ergreifen. Wirklich erfolgreich ist sie damit nicht. Und dies wohl auch, weil nicht unerhebliche Teile der Fanschaft aus dem rechten Spektrum stammen.
"Ich hab das genannt: die Kinder der Stasi. Der heutige Fanbereich, oder eigentlich schon seit Jahren der Fanbereich ist eindeutig rechtsradikal, ist fremdenfeindlich. Man sieht das auch schon an der Kleidung, alle schwarz gekleidet, alle im gleichen Stil. Das ist natürlich eine Fangruppe, die das Negativimage des BFC prägt. Und wenn es dann wieder regelmäßig zu Ausschreitungen kommt, springen natürlich Sponsoren ab. Dieses Image wird der BFC nicht los."
Meint der Politologe und Ostfußballexperte Hanns Leske.
Die Vereinsführung wirkt hilflos. An dem einen Spieltag prangen Banner gegen Gewalt und Rassismus an der Haupttribüne, am nächsten werden türkische Mannschaften von den Fans im Stadion mit Fladenbroten beworfen. Dabei hatte der Verein bis 2009 zwei Jahre lang einen türkischstämmigen Trainer. So richtig distanzieren will sich der BFC offenbar jedoch nicht von der Neonazi-Szene. Vor zwei Jahren stellte Präsident Uhlig stolz das neue Logo des Vereins vor: in Frakturschrift und mit "SS" statt ß wurde da "Fußballclub" geschrieben. Klientelpolitik könnte man das nennen. Oder Unbedarftheit.
Und während sich der Verein vor wenigen Monaten von Fans distanzierte, die in der Straßenbahn rechte Parolen grölten, sorgte der Co-Trainer der Mannschaft wenig später für Aufsehen, weil er nach einem Spiel gegen den Migranten-Verein BAK Berlin den eigenen Fanblock zugerufen haben soll: Jetzt ham wa sie, die Kanaken.
Nicht bewältigte Vergangenheit und mangelhafte Fanarbeit: Das scheinen die Grundprobleme des BFC zu sein. Hanns Leske:
"Mein Vorwurf an den BFC seit mindestens zehn, zwölf Jahren: a) dass sie ihre Vergangenheit nicht aufgearbeitet haben und dass sie zweitens nicht in der Lage sind, sich wirklich mit ihrem Fanpotential auseinanderzusetzen, dass sie keine aktive Fanarbeit betreiben. Das läuft an der Oberfläche, man ist auch mal froh, wenn mal eine Zeit Ruhe ist. Also man stellt sich dem Problem nicht, man verdrängt es. Das ist das Grundproblem des BFC."
Verdrängung statt aktiver Aufarbeitung. Das scheint auch einer der Gründe für die jüngsten Ausschreitungen beim Pokalspiel gegen den 1.FC Kaiserslautern zu sein. Selbst die engagierte Vereinsspitze zeigte sich nach den Gewaltexzessen eines Teils der eigenen Fans konsterniert und verspricht ein rigoroses Vorgehen gegen die Täter. Der DFB hat den Verein unter der Woche zu zwei Geisterspielen und 12.000 Euro Strafe verurteilt. Die Polizei sucht nun nach intensiver Auswertung von Bild- und Videomaterial nach den identifizierten Hooligans.
Sportsoziologe Pilz kennt die Bedeutung einer guten Fanarbeit; er weiß aber auch, dass die Vereine nicht die alleinige Verantwortung tragen.
"Der Hooliganismus ist natürlich ein Problem, das nicht in erster Linie von den Vereinen produziert wird und nicht nur dort stattfindet, sondern ein gesellschaftliches Problem. Und wenn ein Großteil der Auseinandersetzungen außerhalb der Stadien stattfinden, muss man die Kirche im Dorf lassen und sagen: Da ist der Verein alleine selbst überfordert.""
Überfordert scheint der Verein in vielerlei Hinsicht zu sein. Die goldene Vergangenheit ist längst vorüber: Während das Team in den 80ern im Europapokal noch gegen AS Rom, den HSV oder Aston Villa antrat, spielt es heute in der fünften Liga. Zukunft ungewiss. Zumindest sportlich steht er damit ähnlich da, wie viele andere Ostvereine, meint auch Hanns Leske.
"In dem Sinne ist der BFC heute ein ganz normaler Verein in der großen Heerschar der ostdeutschen Amateurvereine der unteren Ligen. Da hat der BFC keine Sonderstellung. In dem Sinne wieder ein ganz normaler Verein."