Warum erscheint eine solche Studie erst jetzt? Vielleicht, weil sie unangenehme Antworten liefert. Weil viele Traditionen und Kontinuitäten in dieser Sportart ungemütlich sind.
Der Aufbau der Arbeit ist klassisch. Bevor sich die Historikerin mit dem "Dritten Reich" auseinandersetzt, studiert sie die Formationsphase des Pferdesports in Deutschland, die englischen Einflüsse seit etwa 1850, den elitären Anspruch der Akteure, und all das stets am Beispiel der Entwicklung in Hamburg, eines der deutschen Pferdesportzentren. Schon für die Zeit vor 1914 habe eine Politisierung des deutschen Pferdesports stattgefunden, analysiert Fahnenbruck.
Die Historikerin beschreibt für die Zeit nach 1933, dass sich die Mitglieder des Hamburger Pferdesportnetzwerkes nicht wehrten, als die Nazis das Kommando übernahmen, und so dem neuen System zustimmten. Eine Revolution im Pferdesport gab es Fahnenbruck zufolge nicht, eher eine Evolution; aber schleichend durchdrang die SS, die spezialisierte Einzelkämpfer ausbildete, diese Sportart.
Die Mitgliedschaft in der SS-Reiterstandarte 4, die im Sommer 1933 in Hamburg aufgebaut wurde, ist laut Fahnenbruck für viele Akteure karrierefördernd gewesen. Zu ihnen zählte etwa Werner Lorenz, SS-Obergruppenführer, dessen Tochter nach Krieg Axel Springer heiratete. Auch Fritz Haerlin, Direktor des Hotels Vier Jahreszeiten, gehörte dazu. Nach 1939 stiegen viele von ihnen in der NS-Hierarchie auf – und wurden so zu Protagonisten des Vernichtungskrieges in Osteuropa.
Fahnenbruck stuft daher die Reiter-SS als "integralen Bestandteil" der SS ein. Deshalb hält sie es für ungerechtfertigt, dass die Reiter-SS vor dem Nürnberger Militärgerichtshof nicht angeklagt wurde. Das erleichterte Nachkriegskarrieren für SS-Standartenführer wie Kurt Becher, der 1954 wieder als Schatzmeister im renommierten Hamburger Schleppjagdverein fungierte.
Auf dieser Basis entwickelte sich auch der Mythos vom unpolitischen Reiter, der heute noch gern gepflegt wird. So hat die FN just erst erklärt, dass Carl-Friedrich Freiherr von Langen, der 1934 als SA-Obersturmbannführer verstarb, "wie viele Reiter und Züchter" von unpolitischer Gesinnung gewesen sei, ein klassischer "Mitläufer", der lediglich instrumentalisiert worden sei. Dennoch dürfte sich FN-Präsident Graf Breido zu Rantzau für Fahnenbrucks Arbeit interessieren. Hieß ein Hamburger SS-Reitersturm doch "Breitenburg" – nach dem kleinen Ort bei Itzehoe, wo der FN-Präsident geboren wurde und bis heute residiert.
Besprochenes Buch:
Nele Maya Fahnenbruck: "… reitet für Deutschland": Pferdesport und Politik im Nationalsozialismus. Werkstatt-Verlag, Göttingen 2013, 400 Seiten, 29,90 Euro.
Der Aufbau der Arbeit ist klassisch. Bevor sich die Historikerin mit dem "Dritten Reich" auseinandersetzt, studiert sie die Formationsphase des Pferdesports in Deutschland, die englischen Einflüsse seit etwa 1850, den elitären Anspruch der Akteure, und all das stets am Beispiel der Entwicklung in Hamburg, eines der deutschen Pferdesportzentren. Schon für die Zeit vor 1914 habe eine Politisierung des deutschen Pferdesports stattgefunden, analysiert Fahnenbruck.
Die Historikerin beschreibt für die Zeit nach 1933, dass sich die Mitglieder des Hamburger Pferdesportnetzwerkes nicht wehrten, als die Nazis das Kommando übernahmen, und so dem neuen System zustimmten. Eine Revolution im Pferdesport gab es Fahnenbruck zufolge nicht, eher eine Evolution; aber schleichend durchdrang die SS, die spezialisierte Einzelkämpfer ausbildete, diese Sportart.
Die Mitgliedschaft in der SS-Reiterstandarte 4, die im Sommer 1933 in Hamburg aufgebaut wurde, ist laut Fahnenbruck für viele Akteure karrierefördernd gewesen. Zu ihnen zählte etwa Werner Lorenz, SS-Obergruppenführer, dessen Tochter nach Krieg Axel Springer heiratete. Auch Fritz Haerlin, Direktor des Hotels Vier Jahreszeiten, gehörte dazu. Nach 1939 stiegen viele von ihnen in der NS-Hierarchie auf – und wurden so zu Protagonisten des Vernichtungskrieges in Osteuropa.
Fahnenbruck stuft daher die Reiter-SS als "integralen Bestandteil" der SS ein. Deshalb hält sie es für ungerechtfertigt, dass die Reiter-SS vor dem Nürnberger Militärgerichtshof nicht angeklagt wurde. Das erleichterte Nachkriegskarrieren für SS-Standartenführer wie Kurt Becher, der 1954 wieder als Schatzmeister im renommierten Hamburger Schleppjagdverein fungierte.
Auf dieser Basis entwickelte sich auch der Mythos vom unpolitischen Reiter, der heute noch gern gepflegt wird. So hat die FN just erst erklärt, dass Carl-Friedrich Freiherr von Langen, der 1934 als SA-Obersturmbannführer verstarb, "wie viele Reiter und Züchter" von unpolitischer Gesinnung gewesen sei, ein klassischer "Mitläufer", der lediglich instrumentalisiert worden sei. Dennoch dürfte sich FN-Präsident Graf Breido zu Rantzau für Fahnenbrucks Arbeit interessieren. Hieß ein Hamburger SS-Reitersturm doch "Breitenburg" – nach dem kleinen Ort bei Itzehoe, wo der FN-Präsident geboren wurde und bis heute residiert.
Besprochenes Buch:
Nele Maya Fahnenbruck: "… reitet für Deutschland": Pferdesport und Politik im Nationalsozialismus. Werkstatt-Verlag, Göttingen 2013, 400 Seiten, 29,90 Euro.