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Der NATO-Gipfel und die Angst vor Krawallen

In genau einem Monat kommen die Außenminister in Straßburg und Baden-Baden zusammen, um das 60-jährige Bestehen der Nato zu feiern. Schon jetzt ist die Region deshalb im Ausnahmezustand. Und die Sicherheitsvorkehrungen rufen schon jetzt Unmut hervor, bei den Anwohnern und bei den Gegendemonstranten.

Von Martin Durm |
    Eigentlich wollten Frederique Henry und all die anderen Genossinnen und Genossen vom anti-militaristischen Kollektiv bei diesem Pressetreff mal etwas ganz Grundsätzlichen sagen: Dass erstens die Nato seit ihrer Gründung US-imperialistische Ziele verfolge, dass sie zweitens schon immer eine Organisation der Kriegstreiber gewesen sei und dass sie drittens endlich aufgelöst werden müsse. Henry legt sich mächtig ins Zeug, aber sein politisches Referat vor Straßburgs lokalen Medienvertretern scheitert daran, dass die sich letztendlich nur für eine Frage interessieren: Wird es Randale geben beim Nato-Gipfel Anfang April:

    "Das werden wir immer und immer wieder gefragt", sagt er schließlich etwas entnervt. "Was sollen wir machen: Was ich Ihnen sagen kann: Keine Organisation, die wir hier vertreten, und das sind immerhin 450 - keine einzige legt es darauf an, dass es zur Gewalt kommt Letztendlich ist es ja aber auch die Aufgabe der Polizei, sich damit zu beschäftigen und eine Eskalation zu verhindern."

    Das Straßburger Kollektiv der Nato-Gegner wirkt tatsächlich nicht so, als sei es ein besonders hoher Risikofaktor während des Gipfels.

    Linke Gewerkschaftsfunktionäre gehören dazu, Lehrer, Beamte und auch noch übrig geblieben Mitglieder der Parti Communiste, die fast alle ergraut sind vom langen Warten auf die Weltrevolution. Vor den offiziellen Organisatoren des Widerstands ist den Verantwortlichen im Straßburger Rathaus nicht bange. Was sie fürchten, sind diejenigen, die keine Pressekonferenz machen, sondern beim Gipfel plötzlich auftauchen könnten als schwarzer Block:

    "Wir haben dem Präfekten Straßburgs erklärt, dass die Demonstration unter keinen Umständen durchs historische Zentrum führen darf", sagt Robert Hartmann, zweiter Bürgermeister der Stadt. "Unglücklicherweise gibt es in solchen Demonstrationszügen immer auch Leute, die Gewalt und Schaden anrichten und das können wir nicht akzeptieren."

    Der Straßburger Präfekt, an den die Stadt appelliert, heißt Jean Marc Rebiere. Während des Nato-Gipfels trägt er die Verantwortung für die öffentliche Ordnung in Straßburg und damit auch für die vielen hübschen Fachwerkhäuser und Butzenscheiben der Altstadt. Es wird gerüchteweise behauptet, der Präfekt sei schon jetzt derart mit den Nerven am Ende, dass er um vorzeitige Versetzung gebeten habe:

    "Wir müssen versuchen", sagt Monsieur Rebiere, "einen angemessenen Ausgleich zu finden, zwischen dem Bedürfnis der Bürger nach Normalität und den Sicherheitsinteressen des Staates. Man muss aber ehrlich sagen: Diejenigen, die innerhalb der sensiblen Sicherheitszonen leben, werden mit ihren Familien bestimmte Zwänge und Einschränkungen hinnehmen müssen. Das wissen sie auch."

    Einschränkungen ist gut: 25.000 Nato-Gegner werden erwartet, 50.000 Barrieren sollen aufgebaut werden. Macht zwei Barrieren pro Demonstrant. Und eine bislang noch unbekannte Zahl französischer Polizisten. Im Bereich des Kongresszentrums und der Straßburger Kathedrale wird am Gipfelwochenende jedenfalls gar nichts mehr gehen:

    "Für mich sind das zwei verlorene Tage", sagt Norbert, der in der Altstadt einen Frisörladen betreibt. Den wird er wohl dicht machen müssen, und deshalb etwa 2000 Euro verlieren, weil während des Gipfels nur noch Anwohner mit Sonderausweis in seinem Viertel rumlaufen dürfen. Und selbst die dürfen sich nur noch unter polizeilicher Kontrolle bewegen.

    Das sei doch alles idiotisch, meint Norbert. Seine Einnahmen liegen ihm nun einmal näher als die 60-Jahr-Feier der Nato.