Wade ist 2025 geboren. Aber, sagt der 18jährige:
"Ich wäre lieber in den 80ern aufgewachsen."
Ein grandios inszenierter Kosmos
Und damit ist schon mal der erste atmosphärische Pfahl in den Boden gerammt. Der zweite, ein typsches Merkmal des Spielberg'schen Helden: Wade ist allein. Ohne Vater, …
"Er starb, als ich klein war."
… und ohne Mutter, …
"Meine Mom auch."
… aufgewachsen bei der Tante in einer heruntergekommenen Trailerpark-Siedlung, wo die labyrinthisch übereinander geschichteten Wohnzellen Wolkenkratzer-Höhe erreichen. Ein Kosmos, den Steven Spielberg im Prolog zu "Ready Player One" in wenigen Minuten grandios inszeniert und mal eben so seine Meisterschaft als Erzähler der bewegten Bilder demonstriert. 2044 also: Es herrschen eine permanente Energie- und Wirtschaftskrise sowie ein hemmungsloser Kapitalismus, während die Mehrheit der Menschen hungert. Um sie ruhig zu halten, gibt es zwar kein Brot, dafür aber ein Spiel:
"Man kann nirgends mehr hin. Außer in die OASIS. Nur hier habe ich das Gefühl, dass ich was wert bin."
"Wer ist 'Parzival'?"
OASIS: Dieses virtuelle Flucht-Universum wurde einst geschaffen von James Halliday, einem Nerd und obsessiven Verehrer der Popkultur der 1980er-Jahre; Halliday bringt die Geschichte von "Ready Player One" post mortem sozusagen ins Rollen:
"Hallo, wenn ihr das seht, bin ich tot. Ich habe ein Objekt entwickelt und versteckt, ein Easter Egg. Wer das Ei als erster findet, der erbt eine halbe Billion Dollar. Und die totale Kontrolle über die OASIS."
Bei der nun folgenden Jagd in der virtuellen und dann auch in der realen Welt geht es gleichzeitig …
"Willkommen bei der Rebellion!"
… um den Kampf gegen einen multinationalen Konzern, der mit dem Finden des Easter Eggs die Herrschaft über alles und jeden erlangen möchte.
"Wer ist dieser 'Parzival'? Und warum gewinnt er?"
Die Tatsache, dass Wade in der virtuellen Welt den Namen "Parzival", also den eines Ritters der Artus-Sage trägt, macht natürlich klar, dass wir hier eine klassische Heldenreise haben. In einem Film mit gefühlten unendlichen Verweisen auf Filme, Musik, Videospiele und was weiß ich nicht alles aus der Popkultur der 80er-Jahre. Wenn also der OASIS-Schöpfer ein Easter Egg in der virtuellen Welt versteckt hat, das man nur als Kenner der Popkultur der 1980er finden und entschlüsseln kann, so verbirgt Steven Spielberg seinerseits in seinem Film unzählige Verweise auf die 1980er-Jahre.
"Ich wäre lieber in den 80ern geboren."
Der Kino-Meister des Eskapismus
"Ready Player One" beginnt sozusagen programmatisch mit Van Halens "Jump" von 1984, und dann geht es auch musikalisch immer so weiter und weiter und weiter.
Die Verbindung zwischen dem Dystopischen und Nostalgischen interessierte Steven Spielberg an der Verfilmung von Ernest Clines gleichnamigem Roman, wie er in einem Interview sagte. Im Kern aber geht es vor allem um das alte Spielberg-Thema: die Sehnsucht nach dem, was natürlich nie wirklich so war, wie es Spielberg in der Sehnsucht retrospektiv entwirft.
"Wer das Ei als erster findet …"
Und die Moral von der Geschicht, nach dem Sieg über die Bösen? Sie lautet in "Ready Player One": Das Beste ist immer noch die Realität, weil die real ist. Und dass man die OASIS doch zwei Tage in der Woche auch mal nicht spielen sollte. Was dann summa summarum recht lauwarm klingt. Denn immerhin haben wir Kinogänger vorher 140 Minuten lang einen zugegeben fantastischen, aber doch eben visuellen Overkill gesehen. Aber vielleicht ist Spielberg am Ende seines unterhaltsamen Nostalgie-Trips dann doch keine andere kulturkorrekte pädagogische Botschaft eingefallen, weil ihn so sehr die Sehnsucht nach einer Zeit fest im Griff hatte, als er, ja, nicht zu vergessen, die Kernkompetenz seiner Anfangsphase als Filmemacher entwickelte - Kino-Meister des Eskapismus nämlich zu werden. Ins Heute gewendet, soll das wohl heißen "Look back!" Schau zurück und lass es krachen! Das hält jung!